How to Blow Up a Pipeline – Kritik
Klimaaktivismus als Heistfilm: Daniel Goldhaber macht Andreas Malms Ökoterrorismus-Gedankenspiel How to Blow Up a Pipeline zum greifbaren Thriller, tappt dabei aber auch in einige Fallen.

In seinem aktivistischen Sachbuch Wie man eine Pipeline in die Luft jagt schildert Andreas Malm die Entwicklung der Klimabewegung seit den 2000ern und wundert sich genau über jene Prämisse, die von diesen Bewegungen häufig am deutlichsten betont wird: Gewaltfreiheit. Als völlig gewaltfrei verklärte Protestbewegungen der Vergangenheit, wie etwa die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung oder Gandhis friedlicher Widerstand, seien auf Strömungen angewiesen gewesen, die zumindest gegen Eigentum gerichtete Gewalt propagierten und so die gewaltfreien Revoluzzer als bürgerlich-liberale Alternative erscheinen ließen, mit der man reden konnte, schreibt Malm.
Handarbeit

Daniel Goldhabers zweiter Langspielfilm kommt aber nicht didaktisch daher, hat keinen Anspruch, den Protest zu historisieren oder Grundsatzfragen zu diskutieren. Die Radikalisierung hat stattgefunden, die Bombe wird gebaut, da ist die Pipeline, los geht’s: Acht Menschen treffen sich in einer maroden Hütte in Texas, um dort eine der wichtigsten Erdöl-Pipelines der USA zu sabotieren. Fast alle sind sie sehr jung und blicken resigniert und verzweifelt auf die wenigen Früchte herkömmlicher Protestformen. Rückblenden liefern Hintergrundgeschichten aus der Klimabewegung oder dem Rust Belt der USA, Beweggründe und Beziehungen.
Apropos Beziehungen: Ein Kollektiv ist das hier kaum, abgesehen von zwei Pärchen verbringen die meisten hier zum ersten Mal Zeit miteinander. Aber für große Gefühle ist ohnehin kein Platz: Die Herstellung des Sprengstoffs (offenbar realistisch, aber nicht als nachvollziehbare Anleitung dargestellt) wird mit einer Rififi-artigen Geduld in Szene gesetzt. Zuständig für den Sprengstoff ist der in Ohnmachtswut und Todesgelassenheit agierende Michael (Forrest Goodluck), der zuhause auf die Arbeiter der Ölraffinerien losgegangen ist.
Für fast alles andere ist Dwayne (Jake Weary) zuständig, fast möchte man ihn den Exoten der Gruppe nennen: Er ist Arbeiter, bodenständiger Familienvater, kennt die Gegend, besitzt handwerkliches Geschick, ist Überlebenskünstler und Held. Ihn droht der Bau einer Pipeline von seinem Grundstück zu vertreiben. Wie sehr die wichtige Arbeit allein dieser Figur überlassen wird, zeigt noch einmal, wie unkollektiv hier gedacht und agiert wird.
Keine Bilder für das Klima

Teil des Ganzen sind weiterhin Xochitl (Ariela Barer), die tragische Liebe zwischen Theo (Sasha Lane) und Alisha (Jayme Lawson) und das Punkpaar Logan (Lukas Gage) und Rowan (Kristine Frøseth). Haben wir es bei ihr mit einer Doppelagentin zu tun? Klassische Thrillerelemente fehlen nicht. Ob Verrat und Eitelkeiten sich breitmachen und die Pipeline explodiert oder nicht, wird am Ende zeigen, wie der Film zum Vorhaben seiner Figuren steht.
How to blow Up a Pipeline ist klar in den USA verortet und strengt sich nicht allzu sehr an, sich zu universalisieren. Sinnbilder der Klimakatastrophe und der industriellen Umweltzerstörung sind hier vor allem Hitzetode, Leukämie durch sauren Regen und Verletzung des Privateigentums. In den Reihen der teils reißbretthaft entworfenen Gruppe hätten sich sicherlich mehr Facetten anbringen lassen.
Auch ist erstaunlich, wie wenig es dem Film gelingt, Bilder für die Klimakatastrophe zu finden. Eigentlich sind da nur die Schornsteine und Silos der Ölindustrie und die zugegebenermaßen apokalyptisch wirkende texanische Wüste. Vielleicht zeigt sich hier aber auch die Problematik, das (an sich schon sehr streitbare) Noch-nicht der Katastrophe zu visualisieren.
Nach der Pipeline

Das abstrakte Gedankenspiel des Ökoterrorismus (Was wäre, wenn wir wirklich einmal etwas Wichtiges sabotieren?) auf die greifbar-handwerkliche und personalisierte Ebene zu holen, ist der konsequent durchgehaltene Ansatz des Films. Dass er sich dabei tradierter Genre-Dramaturgien unterwirft – der Titel „Will They Blow Up the Pipeline?“ würde bisweilen besser passen – ist sicher der möglichen Alternative überlanger, steifer Spielfilmdialoge über das Für und Wider der Aktion vorzuziehen. So ist How to Blow Up a Pipeline also nur mit kleinen Diskursflocken garniert, und tappt in argumentative Fallen. Die gewaltbereite Sabotage wird gegen die pragmatische Hilfe am einzelnen Menschen und den friedlichen Protest ausgespielt, anstatt ihre (historische) Beziehung zu thematisieren, wie Malm das in seinem Buch tut.
Und dass der Plan, durch die Sabotage die Ölpreise auf einen Schlag ins Unermessliche zu treiben, nicht als erstes der Ölindustrie, sondern eher der arbeitenden Bevölkerung schaden wird, hätte auch etwas mehr Aufmerksamkeit vertragen. In diesem Ungestüm gleicht der Film seinen Figuren. Dabei würde die eigentlich interessante Geschichte erst beginnen, wenn die Pipeline in Trümmern liegt.
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