Wicked: Teil 2 – Kritik
Die als „Böse Hexe“ abgestempelte Zauberin Elphaba führt in Wicked: Teil 2 ihren Kampf gegen den demagogischen Zauberer von Oz fort. Regisseur John M. Chu vertieft die Umdeutung des Filmklassikers von 1939, erreicht aber seltener die Power-Pop-Höhen von Teil Eins.

Die staatliche Propagandamaschine von Oz läuft zu Beginn von Wicked: Teil 2 heiß. Wir erinnern uns: Die grünhäutige, ausgegrenzte Zauberschülerin Elphaba (Cynthia Erivo) hat mit dem Zauberer von Oz (Jeff Goldblum) gebrochen, nachdem sie hatte erkennen müssen, dass dieser in Wahrheit ein faschistischer Demagoge ist, der seine vermeintliche Zauberkunst lediglich mit trickreicher Maschinerie vortäuscht. Der Zauberer wiederum hat Elphaba, die seine Herrschaft mit ihrer tatsächlichen Zauberkraft bedroht, kurzerhand zur „Bösen Hexe des Westens“ erklärt – zur mordsüchtigen Gefahr für alle und jeden. Die rechte Hand des Zauberers, Madame Morrible (Michelle Yeoh), pflastert Oz nun mit Plakaten, Flyern und Broschüren zu, die vor der Hexe warnen. Elphabas beste Freundin, Glinda (Ariana Grande), lässt sich unterdessen vom Zauberer als vermeintliche gute Fee einspannen, als Gegengewicht zur bösen Hexe.
Wie im ersten Teil landet Glinda zu Beginn des Films im Dorf der Munchkins, deren Häuser mit Plakaten der Hexe und der Fee zugehangen ist. In einer zentralen Einstellung sehen wir dort eine weite Aufnahme des Dorfplatzes. Am linken Rand des Bildes hängt ein haushohes rosa Plakat der guten Fee. Am rechten ein grünes der bösen Hexe. Sie stehen sich gegenüber und zwischen ihnen prangt die Leere. Emblematisch zeigt diese Einstellung, wovon der Film handelt: Von den diametral entgegengesetzten Konzepten Gut und Böse. Von einer zerrissenen Welt, in der sich zwei Mächte gegenüberstehen – und man sich entschieden muss, zu wem man hält.
Ein Mädchen aus Kansas huscht durchs Bild

Mitten in dieser aufgeheizten Situation – und mitten im Film – landet irgendwann ein Mädchen aus Kansas mit Hund und Haus in Oz. Sie zieht die Schuhe der bei ihrer Landung erschlagenen Hexe an (es handelt sich dabei natürlich nicht um Elphaba), trifft entlang der gelben Backsteinstraße drei neue Freunde und wird schließlich vom Zauberer losgeschickt, die böse Hexe des Westens zu töten. Die Geschichte von Der Zauberer von Oz (1939) findet also auch in Wicked: Teil 2 statt, doch wird sie nicht wirklich neu erzählt, sondern aus einer neuen, alles ändernden Perspektive betrachtet. Regisseur Jon M. Chu zeigt lediglich ein paar zentrale Wendepunkte aus dem ikonischen Filmklassiker und auch diese meist nur aus der Ferne. Dorothy sehen wir nur von hinten oder mal kurz durch einzelne Einstellungen huschen. Stattdessen präsentiert Wicked: Teil 2, was sich vermeintlich im toten Winkel von Der Zauberer von Oz abgespielt hat – all die dunklen Hintergründe, von denen das Mädchen aus dem fernen Kansas gar nichts ahnt.
Die Fortsetzung setzt also die schon in Teil Eins begonnene ideologische Umkehr des berühmten Vorläufers fort und baut sie weiter aus. Die vermeintlich böse Hexe ist in Wahrheit die Gute, der scheinbar edle Zauberer von Oz in Wahrheit der Antagonist. Noch dringlicher wird jedoch die Frage gestellt, ob es überhaupt gute und böse Menschen gibt oder nicht vielmehr Leute, deren Handeln sich im Bereich zwischen diesen Polen abspielt. In dem deutschen Filmtitel kommt diese Zwiespältigkeit nicht ganz so gut zur Geltung, weil er die im Originaltitel Wicked: For Good anklingenden vielfältigen Implikationen nicht zu fassen bekommt: „Wicked for good“ bedeutet einerseits „Böse fürs Gute bzw. um das Gute zu bewirken“, heißt vor allem aber „endgültig böse“, was Elphabas prekäre Position doppelbödig einfängt. Um diese Fragestellung herauszuarbeiten, wird Wicked: Teil 2 mit allerlei Konfliktsituationen vollgestellt: mit boshaften Taten, schrecklichen Erkenntnissen, bösem Blut, Verrat und Fehlentscheidungen, die zu Verbitterung und Hass führen.
Beschauliches Geplätscher statt enthemmter Power-Pop

Nur führen diese ganzen Konflikte innerhalb der Struktur des Films – als Schlaglichter am Rande der eigentlichen Handlung – nicht dazu, dass sich eine emotionale Wucht aufbaut. Stattdessen bekommen all die vielen Probleme, denen die Figuren gegenüberstehen, nur selten ausreichend Zeit, um ihre volle dramatische Wirkung zu erlangen, und stehen sich dann gegenseitig im Weg. Der Zauberer entwickelt beispielsweise irgendwann Skrupel ob seines ruchlosen Tuns. Dieser Gewissenskonflikt taucht aber ganz unvermittelt auf und dient letztendlich – ebenso wie die von langer Hand vorbereitete Enthüllung seines wahren Verhältnisses zu Elphaba – nur als willkommener Anlass, durch den der Film auf Plot-Ebene den späteren Abgang dieser Figur erklären kann. Der innere Schmerz des Zauberers bleibt ein bleicher Schatten.

So sehr der Film also nach überschäumenden Gefühlen zu schreien scheint, bleibt er am Ende doch eher beschaulich. Das schlägt sich auch in den Liedern nieder, die nur selten zum großen Power-Pop ausholen, sondern oft nur zaghaft dahinplätschern. Besaß der erste Teil eine faszinierende Farbdramaturgie, so beharrt Wicked: Teil 2 auf ein sich ernst gebendes Grau, das die visuelle Imposanz der Bilder in sich verschluckt. All dies heißt aber nicht, dass dies ein schlechter Film ist. Die vorhandenen schönen Momente und die reichhaltigen, wenn auch unausgeschöpften Gefühlspotentiale machen das biedere Ergebnis nur sehr ärgerlich. Und wie schon der erste Teil, arbeitet sich auch die Fortsetzung oft allzu schwerfällig an seinem Verhältnis zu Der Zauberer von Oz ab. Jede Figur und jede Szene wird umständlich mit dem übermächtigen Vorbild abgeglichen, anstatt dass die Ereignisse auch mal für sich stehen würden. Dass Wicked: Teil 2 nicht gänzlich zur Fußnote eines viel besseren Films wird, liegt vor allem an Ariana Grande und Cynthia Erivo. Die Chemie zwischen den Hauptdarstellerinnen reicht gerade, um doch einen passabel zauberhaften Film entstehen zu lassen.
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