Yourself and Yours – Kritik
Ach grüßte nur das Murmeltier! In Hong Sang-soos neuem Film erkennen Männer eine Frau wieder, die von dieser Kenntnis nichts wissen will. Das könnte Selbstschutz sein, aber auch eine Utopie.

Es ist vielleicht ein bisschen fehl am Platze, bei einem Filmemacher, der sich stets für die Kleinigkeiten des Lebens, für das Beiläufige und Flüchtige interessiert, der wie kein Zweiter ein Kino der Bescheidenheit pflegt, von einem minor work zu sprechen, aber tatsächlich fühlt sich Hong Sang-soos Yourself and Yours nochmals kleiner, beiläufiger an als viele seiner anderen Filme – was auch mit der für seine Verhältnisse geradezu hochkonzeptionellen letzten Arbeit Right Now, Wrong Then zu tun haben könnte. Yourself and Yours jedenfalls fliegt nur so an einem vorbei, und gerade als man sich so richtig angekommen wähnt in diesem Universum, als man seinen Figuren gerade verfallen ist, da sitzen die schon in trauter Zweisamkeit auf dem Bett, essen Wassermelonen, befinden sie für besser als Honigmelonen, und der Film befindet, dass dies ein eigentlich perfektes Schlussbild sei, und verabschiedet sich in den Abspann. Da sitzt man nun, muss sich damit begnügen, einer comedy of remarriage für zwischendurch beigewohnt zu haben, und wird zurück ins Leben geschickt.
Nur noch fünf Drinks pro Abend

Aber dieses Begnügen ist bei Hong ja immer ein großes Vergnügen, auch wenn Yourself and Yours trotz des beschwingten Soundtracks, der die einzelnen Sequenzen miteinander verbindet, durchaus düstere Töne anstimmt. Häufig lernen sich die Leute in Hongs sorgsam ausgestatteten Einstellungen sonst gerade erst kennen, es geht dann um die ersten Schritte einer Beziehung und um die Frage, ob diese Schritte flüchtig bleiben oder ob sie irgendwann wichtig gewesen sein werden. Yourself and Yours wartet nun aber mit zwei längeren Dialogszenen auf, in denen sich die Figuren schon sehr gut kennen. Da bekommt der Maler Young-soo (Kim Joo-hyuk) von einem Nachbarn gesteckt, dass ein paar Freunde gesehen hätten, wie seine Freundin Minjung (Lee You-young) gesoffen und sich mit einem Fremden angelegt hat, und das, obwohl sie Young-soo eigentlich versprochen hatte, den Alkohol auf fünf Drinks pro Abend zu reduzieren. So richtig glauben kann Young-soo das nicht, aber natürlich nagen die Zweifel an ihm, und so stellt er Minjung zur Rede, die das gar nicht lustig findet. Am Anfang von Hongs neuem Film steht kein Kennenlernen, sondern eine Trennung.
Lebenswertes L(i)eben

Die gibt nun erst mal viel Stoff für jene für Hong typischen alkoholschwangeren Kneipenszenen, in die man sich manchmal gern dazusetzen möchte. So werden sich der nun völlig verzweifelte und einsame Young-soo und ein Freund ziemlich hacke nicht darüber einig, ob nun die Liebe das einzig Lebenswerte ist oder nicht doch so ziemlich alles am Leben. Und irgendwann wirft die einzige Frau in der Runde ganz beiläufig ein, dass ja alle Menschen gleich seien, nur die Männer immer dächten, die Frauen seien anders, und deshalb täten sie sich so schwer in diesen Dingen. Und in diesem beiläufigen Satz steckt denn auch der Kern von Yourself and Yours, der sich nämlich eigentlich viel mehr für diese trinkfreudige Minjung interessiert, die wir am Anfang bereits ganz unabhängig von Young-soo kennengelernt haben. Oder zumindest vermuten wir das. Sie selbst streitet das nämlich ab: Als ein Mann sie in einer Kneipe anspricht im Glauben, sie zu kennen, behauptet die Dame steif und fest, Minjung sei nur ihre Zwillingsschwester.

Das wird zum Clou und zum Programm des Films: Minjung – oder sagen wir besser: eine von Lee You-young gespielte Frau – erklärt höchst glaubwürdig und mit größter Geduld anderen Männern, dass sie sich täuschten und man sich noch nicht kenne. Einem Kennenlernen ist sie allerdings niemals abgeneigt. Der Film lässt dabei offen, ob es sich dabei um einen Abwehrmechanismus der real existierenden Minjung handelt, die genug hat von den Enttäuschungen des Lebens, oder ob diese Minjung tatsächlich nur eine Projektion ist, erdacht von einem Regisseur, der auch in einem Trennungsfilm nicht lassen kann von den ersten Begegnungen. Wir wissen also nicht, ob Minjung oder dieser Film seufzt: Ach, lernten wir uns doch nur immer wieder aufs Neue kennen! Ach, würde aus dem Verlieben doch bloß nie die Realität der Liebe! Ach, grüßte doch täglich das Murmeltier!
Weißes Papier

Es ist diese Vorstellung des stetigen Neuanfangens, diese Poesie der Amnesie, die Yourself and Yours dann doch wieder an Right Now, Wrong Then rückbindet, in dem ja zur Hälfte des Films dieselbe Geschichte unter anderen Vorzeichen einfach von vorn losgeht und alle eine neue Chance bekommen. Und wie so oft bei Hong ist das Tollste, dass diese Dinge niemals in der großen These oder der großen Geste aufgelöst, noch nicht einmal zugespitzt werden, melancholisch, aber spielerisch bleiben. Und dann ist da noch diese große Lust, Ehrenrunden zu drehen in den Sackgassen menschlicher Kommunikation. Großartig etwa, wenn sich Minjung bei einem Filmregisseur, der sie wieder(v)erkannt hat, beschwert, dass alle Männer, die sie kennenlernt, sich als Spinner oder Verlierer entpuppen – was dem gerade kennengelernten Mann wenig Spielraum zum Reagieren lässt, will er weder unangemessen prahlen noch sich selbst belasten. Oder wenn zwei von Minjungs „Opfern“ sich miteinander anlegen, schon fast aufeinander losgehen und beim kurzen Alterscheck feststellen müssen, dass sie genau gleich alt sind, was die Situation vollkommen kippen lässt.
Dann kennen sich die beiden auch noch aus der Schule, und deshalb kann Minjung bald unbemerkt vom Tisch verschwinden und ein bisschen weinen gehen, wo Young-soo sie findet, den Minjung mal wieder nicht kennt, den sie aber durchaus mal wieder kennenlernen will und mit dem sie alsbald Wassermelonen auf dem Bett isst. Ob das nun ein neuer Anfang ist oder doch nur ein Neuanfang – es ist jedenfalls ein Ende, mit dem man eigentlich ganz selig zurück ins Leben geschickt werden kann.
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