Du verdienst eine Liebe – Kritik

VoD: Sex essen Liebe auf. Hafsia Herzi spielt in ihrem Regiedebüt Du verdienst eine Liebe eine Frau, die sich in die Suche nach Liebe flüchtet, aber nur Flüchtiges findet. Lebensnah ist der Film vor allem in den Lücken der Erzählung.

Der Filmtitel entstammt einem Gedicht von Frida Kahlo, und Lila, die Protagonistin, sieht aus wie sie. Das meint zumindest ein romantisch veranlagter Fotograf, der die emotional aufgelöste junge Frau zu trösten versucht. Doch die von Liebeskummer gepeinigte Lila kann gar nichts trösten. Sie hat sich von ihrem Lover Rémi (Jérémie Laheurte) getrennt, weil er fremdgegangen ist, kann ihn aber nicht vergessen, obwohl (oder gerade weil) dieser sich längst wieder neuen Affären hingibt.

Wege aus der Eifersucht

„Das ist keine Liebe, sondern dein Ego“, versucht ihr bester Freund Ali (Djanis Bouzyani) ihr klarzumachen. Aber die irrationalen Auswüchse der Eifersucht lassen sich nicht so einfach zähmen – hierin nimmt Du verdienst eine Liebe, das Regiedebüt der Schauspielerin Hafsia Herzi, die auch selbst das Drehbuch geschrieben und die Hauptrolle übernommen hat, seinen Ausgangspunkt. Lila zieht einen nordafrikanischen Magier heran, der schon Carla Bruni und Nicolas Sarkozy aus der Beziehungskrise geholfen haben will. Er belegt die Wohnung Rémis mit einem Zauber, durch den die zerbrochene Liebe neue Hoffnung erhalten soll. Natürlich vergebens, und so folgt der Film Lilas Versuchen, loszulassen und zu vergessen, unterstützt und befeuert durch ihre engsten Freunde. In Wohnungen, Straßen, Cafés, Parks und Wellnessanlagen einer anonymen französischen Stadt begegnet Lila sympathischen und weniger sympathischen Männern, spricht mit ihnen, lässt sich auf Sex ein, ohne dass daraus je etwas Längeres entsteht.

Diesseits der Handlung

In seiner Art, das Kino dem Leben anzunähern, ist Du verdienst eine Liebe deutlich von Abdellatif Kechiche beeinflusst, der Herzi mit seinem Film Couscous mit Fisch (2007) einst zum Durchbruch verhalf. Die Kamera ist den Personen dicht auf den Fersen, um sich keine emotionale Reaktion der Gesichter entgehen zu lassen. Trotzdem lenkt sie die Aufmerksamkeit des Zuschauers niemals auf sich und bleibt immer Mittel zum Zweck. Und der Zweck ist eine Handlung, die selten wirklich Handlung im genauen Wortsinn ist: vielmehr ein Zusammenspiel aus Begegnung, Dialog und Befindlichkeit.

Und zwar Lilas Befindlichkeit, denn der Film ist aus ihrer Perspektive erzählt. Ihr Blick auf das Leben ist von Enttäuschung geprägt. Was die neuen, flüchtigen Bekanntschaften wollen, ist Sex. Lila will Liebe. Und obwohl Lila viel damit beschäftigt ist, bedrängende Verführer abzuwehren, setzen diese letztlich ihren Willen durch. Lila bleibt passiver Spielball, dem sozialen Spiel des Sex ausgeliefert, und von allen Seiten wird sie aufgefordert, dieses Spiel mitzuspielen, das ihre Verletzungen produziert. Und sie spielt mit.

Männer und Frauen: Sex und Liebe?

„Liebe ist kompliziert“, konstatiert die verzweifelte Lila in einem Gespräch. Die These des Films lautet dagegen eher, dass Liebe Gewalt ist, oder aber eine Täuschung, die im Dienst des Sex steht. So erscheinen die Geschlechterrollen etwas verstaubt – sexbesessene, untreue Männer und romantikversessene, treue Frauen –, und man fragt sich, ob das eine bewusste Entscheidung ist, ob Du verdienst eine Liebe etwas anprangern will, und wenn ja, was. Zwar äußert Lila einmal die Vermutung, dass es heutzutage wohl bei Paaren auf der ganzen Welt düster aussehe. Letztlich scheint Herzi aber weniger gegenwärtige Geschlechterrollen für das Leid ihrer Protagonistin verantwortlich zu machen als die vermeintliche Natur der Geschlechter. Der Grund allen Übels ist der Zusammenstoß von Sexhungrigen mit Liebesträumern: Der Sex frisst die Liebe auf.

Selektives Spiel mit Lebensrealitäten

Du verdienst eine Liebe erschafft lebensnahe Situationen, nimmt aber gleichzeitig eine starke Selektion der Realität vor – eliminiert alles, was nicht unmittelbar Lilas Liebesleben betrifft. Gespräche, Emotionen und Personen sind ausschließlich dessen Bestandteile und verweisen auf nichts, was außerhalb liegt. Vieles bleibt unklar und unerklärt, auch über Lila selbst erfahren wir wenig. Der Film ist daher weder eine Charakter- noch eine Milieustudie, obwohl er sich ihrer Mittel bedient.

Es sind eher die Lücken der Erzählung, fehlende Ursachen wie redundante Inhalte, die den Reiz des Films ausmachen, in denen die Annäherung ans Leben funktioniert. Personen wie der freundliche Bäcker, den Lila datet und der auf einmal nicht mehr vorkommt, nachdem zwischen ihnen etwas zu laufen schien; oder der lange in Szene gesetzte, twerkende Hintern einer Freundin auf einer entspannten Terrassenparty in der Nachmittagssonne. Eine gewisse Verengung des Inhalts – in diesem Fall auf das Liebesleben – führt so zu einer Lockerung der Erzählung und einer spielerischen Abfolge des Gezeigten, was einzelne Szenen, Sequenzen oder Bilder aus der zwanghaften Logik des Melodrams heraustreten lässt. Melodramatische Elemente sind zweifellos vorhanden, aber sie dominieren nicht, sondern fügen sich in eine legere, beinahe collagenartige Erzählform ein.

Der Film kann man steht bis 27.05.2022 in der Arte-Mediathek.

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