The Uniform – Kritik
Taiwan Film Festival Berlin: Kleider machen Leute. Ai muss eine Uniform tragen, die sie als Schülerin zweiter Klasse stigmatisiert. Die Teenie-Komödie The Uniform erzählt vom enormen Druck des taiwanesischen Bildungssystems – und von einstürzenden Trennwänden.

Taiwan, Ende der 90er-Jahre: Die etwa 15-jährige Ai (Buffy Chen) hat es nicht auf die renommierte First Girl's High School geschafft. Oder zumindest nicht ganz: Sie darf dort nur die Abendschule besuchen und steht damit in der sozialen Hierarchie weit unter den Tagesschülerinnen. Die bekommen ihre Namen in gelber Schrift auf die grüne Schuluniform genäht, die Abendschülerinnen werden durch weiße Schrift öffentlich gebrandmarkt. Ai fühlt sich gedemütigt und ist sauer auf ihre Mutter, die sie auf diesen zweiten Bildungsweg zwingt.
Immerhin entpuppt sich aber Min (Chloe Xiang), die tagsüber auf Ais Platz im Klassenzimmer sitzt, als netter „Deskmate“. Bald schon freunden das Mauerblümchen Ai und die Draufgängerin Min sich an, schwänzen gemeinsam die Schule und tauschen heimlich Uniformen. Als Ai dann auch noch in ihrem Tischtennisverein Luke (Yi-tai Chiu) begegnet, der zwar ein Eliteschüler ist, aber dringend Nachhilfe für seine Rückhand braucht, zeigt Ai immer häufiger ihr wunderschönes, schüchternes Lächeln. Dumm nur, dass auch Min in Luke verknallt ist.
Filmischer Frontalunterricht

Regisseur Ching Shen Chuangs Teenie-Komödie The Uniform (Ye xiao nü sheng) beginnt recht formelhaft: Bei jeder Gelegenheit streut er Montagesequenzen ein, verlässt sich stark auf extradiegetische Musik und recht simple dramaturgische Bögen. Der Plot wird übererklärt und mit etwas zu viel Didaktik überfrachtet. Auch die Einbindung des bis heute im taiwanesischen Kollektivgedächtnis wirkungsmächtigen Erdbebens vom 21. September 1999 wirkt etwas unbeholfen. Das ist alles ein bisschen viel filmischer Frontalunterricht mit eher wenig Vertrauen ins primär jugendliche Zielpublikum.
Einstürzende Trennwände
Stärker ist The Uniform in seiner Darstellung des enormen psychischen Drucks, den das in vielen asiatischen Ländern auf Auswendiglernen ausgerichtete Bildungssystem auf Schülerinnen und Schüler ausübt (zuletzt auch zu sehen in der Doku The Making of a Japanese). Verbunden mit hohen elterlichen Erwartungen und der unerbittlichen Konkurrenz führt das in mehreren Ländern der Region zu erschreckend hohen Suizid-Fallzahlen unter Jugendlichen. The Uniform geht dabei auch darauf ein, wie stark der Bildungserfolg – ähnlich wie in Deutschland – von der sozioökonomischen Klassenzugehörigkeit abhängt. Ai mag über den Uniform-Tausch mit Min oder die Tischtennis-Duelle mit Luke kurz in die Welt der Oberschicht hineinschnuppern, bekommt aber immer wieder zu spüren, dass sie dort nicht dazugehört.

Am meisten überzeugt der Film jedoch, wenn er sich in der zweiten Hälfte vor allem auf die emotionalen Tiefen seiner zwischenmenschlichen Beziehungen konzentriert. Ob es die erste zarte Liebesgeschichte ist, die dadurch belastete Freundschaft zu Min oder das wechselhafte Verhältnis zwischen Ai und ihrer Mutter: Hier entwickelt Ching Shen Chuang mehrfach berührende Szenen mit gut vorbereiteten Momenten, in denen Trennwände plötzlich einstürzen, mal durch ein Star-Wars-Zitat und mal durch die grenzüberschreitende Kraft des Sports, der Menschen über Klassen und Generationen hinweg verbindet.
Der Film läuft auf dem Taiwan Film Festival Berlin.
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