Sylvia – Kritik
Gwyneth Paltrow spielt Sylvia Plath, eine der bedeutendsten amerikanischen Schriftstellerinnen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie war mit dem englischen Lyriker Ted Hughes verheiratet und nahm sich mit nur 30 Jahren 1962 das Leben. Sylvia konzentriert sich jedoch zu sehr auf das Paar Plath/Hughes und verliert dabei manchmal die Titelheldin aus den Augen.

Merkwürdigerweise interessieren sich immer wieder Filme für Schriftsteller. Dabei lässt sich zumindest die Arbeit am Schreibtisch filmisch im Grunde nicht darstellen und „Schriftsteller-Filme“ zeigen dann auch meist vor allem die Lebensumstände der Personen. Das kann mitunter sehr gelungen etwa das Hineinwachsen in ein politisches Bewusstsein darstellen, wie es Fred Zinnemann an Lillian Hellman in Julia (1977) zeigte. Oder der Film verlässt sich besser gleich auf mehrere Personen und versucht das gesamte kulturelle und politische Spektrum der Zeit abzubilden, wie es Heinrich Breloer in seinem Fernsehdreiteiler Die Manns – Ein Jahrhundertroman (2001) vorgeführt hat.
Für beides bietet sich die Person Sylvia Plaths nicht an. Weder ist sie politisch in Erscheinung getreten, noch entstammte sie einer bedeutenden Familie oder war gar eine „Erfolgsschriftstellerin“. Neben ihrem insgesamt nur schmalen Werk, das zudem großenteils erst postum erschien, war es wesentlich ein Umstand, der immer wieder im Mittelpunkt der Diskussion stand: Sylvia Plaths Beziehung zu dem Lyriker Edward „Ted“ Hughes. Sie lernen sich 1956 in Cambridge kennen und heiraten im selben Jahr. Hughes war seiner Frau nicht immer treu und widmete sich seiner literarischen Arbeit intensiver als dem gemeinsamen Familienleben – worin oft die Ursachen für den Freitod der Autorin am 11. Februar 1963 gesucht wurden.

Auch Christine Jeffs Sylvia setzt diese Beziehung in den Mittelpunkt der Handlung; mehr noch: sie wird hier zur alleinigen Handlung – beginnend mit der ersten Begegnung zwischen Sylvia Plath und Ted Hughes auf einer Studentenparty in Cambridge und endend mit dem Freitod der Schriftstellerin. Nur in Erzählungen der Protagonisten werden entscheidende Momente aus Sylvias Leben vor der Begegnung mit Ted angesprochen. Dass sich die Plath noch zwei Jahre nach der Hochzeit in psychotherapeutischer Behandlung befand und sogar als Sekretärin in einer psychiatrischen Klinik arbeitete, verschweigt der Film. Schon allein dadurch erscheint das Psychoporträt, das zu erzählen der Film vorgibt, bruchstückhaft. Wenn aber die Wutausbrüche, das fast apathische Wesen der Plath, kurz: ihre Krankheit allein daraus erklärt wird, dass sie in fast manischer Eifersucht immer vermutet, ihr Mann betrüge sie, wird die Frau Sylvia Plath derart eng an den Mann Ted Hughes gebunden, dass sie als Person zu verschwinden droht.
Dies setzt sich in der filmischen Darstellung der Arbeit beider Schriftsteller fort. Während Hughes unausgesetzt am Schreibtisch arbeitend oder im College gezeigt wird, erscheint Plaths erster Gedichtband The Collossus (1960), ohne dass sie im Film auch nur eine Zeile geschrieben hat. Natürlich gibt es wenig später die fast obligatorische Schriftsteller-im-Film-Szene: Eine 360°-Kamerafahrt um die Schreibende; hier wird mit Überblendungen, Off-Lesung und Musik aber gleich zu viel des Guten getan. Diese Szene, im Handlungsgefüge des Filmes nach der Trennung von Hughes montiert, gibt dazu die Lesart vor, dass die Plath erst ohne ihn frei schrieb. Was sie schrieb, wie sie schrieb – das vermittelt der Film ohnehin nicht.

Dennoch gibt es eine Szene in Sylvia, die mit einfachen filmischen Mitteln und doch präzise ein Bild der Dichterin gibt, das mehr ist als die sonstigen naturalistisch-realistischen Abbildungen; es ist Interpretation und übergreifendes Gleichnis zugleich. Sylvia rudert gemeinsam mit Ted auf dem Yellowstone-Lake. Die Kamera fokussiert dabei nur Sylvia, die im schaukelnden Ruderboot der Welt enthoben scheint, und da man das Wasser nicht sieht, schwebt sie gleichsam bodenlos und unsicher vor dem blauen Himmel. In dieser Situation stellt sie die Frage nach dem Sinn ihrer Arbeit, um festzustellen, dass ihr ein wirkliches Thema fehle – bis Ted ihr sagt: „Your subject is you.“
Der Film Sylvia, so muss aber leider resümiert werden, erzählt im Grunde nicht, was er vorgibt zu erzählen, denn er zeigt nicht die Geschichte der Sylvia Plath, er zeigt die Geschichte einer Liebe, einer Amour fou wenn man so will, in den fünfziger Jahren und unterscheidet sich darin in Nichts von anderen Filmen, die das gleiche Thema behandeln. „Sylvia Plath“ ist hier nur ein Rollenname, der mit der Individualität der Schriftstellerin nicht mehr viel gemein hat. Dies ist kein Einwand, der etwa einen Realismus im biographischen Film betonen würde, aber Sylvia unternimmt auch nicht den Versuch, der Plath eine andere oder fast neue, gegen die üblichen Lesarten gerichtete Individualität zu geben, wie es etwa Milos Forman mit Mozart in Amadeus (1985) glänzend gelang.
Bemerkenswert an Sylvia bleiben die schauspielerischen Leistungen von Gwyneth Paltrow und Daniel Craig, die das Paar Plath-Hughes verkörpern. Beiden Schauspielern gelingt es, ihren Figuren eine tiefe Eigenständigkeit zu verleihen – und dies trotz der Schwächen von Inszenierung und Buch, die gegen die prononcierte Modernität der Literatur Sylvia Plaths einen fast altmodischen Filmstil behaupten. So versucht die Regisseurin zum Schluss des Films die Einzigartigkeit der Plath in einer peinlich wirkenden, ikonenhaften Einstellung zu fassen – dabei übersieht sie, dass kurz zuvor, wenn Gwyneth Paltrow, ganz nackt und in sich gesunken, in die leere Ferne blickt, der Film in diesem Bild die Plath viel eher zu repräsentieren vermag.
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Kommentare
stefan
Ich habe es mir mittlerweile zur Angewohnheit gemacht, auf Internetseiten welche Filmkritiken beinhalten, nach bestimmten "schwierige" Filmen zu suchen - so auch -Sylvia-
Ich möchte vermerken, dass dies das erste gute Review über den Film ist. Viele Kritiker lehnen sich leider sehr weit aus dem Fenster ohne (scheinbar) ein Gefühl für die Atmosphäre der Plath’schen Lyrik zu haben. Die hier getroffenen Anmerkungen stellen den Film in ein angemessen objektives Licht - er ist ganz sicher keine biografisch ernstzunehmende Tat, leistet jedoch eines - er weckt (im besten Fall) Interesse ein Buch der Poetin in die Hand zu nehmen...was könnte besser sein, als den Zuschauer dazu zu bewegen??
Vielen Dank!
Als Ergänzung vielleicht interessant. Die Regisseurin hat den Film nur "übernommen". Ein Kollege legte die Arbeit daran nieder und sie machte es sich zur Aufgabe dieses Projekt zu beenden! Trotz der schwierigen Bedingungen seitens der Familie Plath/Hughes.
1 Kommentar