Sukkubus – Den Teufel im Leib – Kritik
Zum ersten Mal auf Blu-ray: In Georg Tresslers zwischen Heimat- und Horrorfilm pendelndem Sukkubus - Den Teufel im Leib (1989) werden drei Berghirten von einem nackten Lustdämon terrorisiert. Das Parodistische bleibt implizit, die lüsternen Schweinereien sehen fast nach großbudgetiertem Kino aus.

Ein junger Mann (Andy Voß) legt sich vor eine Kuh auf die satte Bergwiese. Sein Hemd ist hochgezogen. Auf seinem nackten Bauch platziert er Futter, das er von dem Rind genüsslich ablecken lässt. Nachdem die über die Haut gleitende Zunge ausgiebig gezeigt wurde, sehen wir bald nur noch das Gesicht des Jungen, der die Erforschung der eigenen Sexualität genießt. Die Abwandlung von Andy Warhols Blow Job (1964) wird aber unvermittelt vom gottesfürchtigen Vater (Peter Simonischek) beendet. Er belehrt ihn in kryptischen Worten, die Abscheu in Blick und Ton ist aber sehr deutlich.
Unter der Oberfläche pulsierende Geilheit

Die moralische Autorität, die hier an den „Bub“ herantritt und seine Naturverbundenheit anprangert, wird den ganzen Film über etwas Äußerliches bleiben. Drei Hirten werden Glaube, Anstand und Vernunft (in unterschiedlichem Maße) auf ihre Körper anwenden, in denen ein unbändiges sexuelles Verlangen – die Sünde – wohnt. Sukkubus – Den Teufel im Leib (1989) selbst wird hingegen Dramaturgie, Handwerk und Inhalt als Werkzeug benutzen, um den Lustgewinn zu steigern.

Die besagten Hirten – der Senn, sein Sohn und ein Companion (Giovanni Früh) – gehen für einige Wochen mit einer Kuhherde auf die Alm, um dort Käse zu produzieren. Zwei Prinzipien machen sich damit auf den Weg in Berge. Der Vater ist gläubig und streng, der zweite Hirte lustgesteuert und spitzbübisch. Der eine betet zu Gott, der andere beschwört den Teufel. Der eine kühlt sein Verlangen im Wasserfall, der andere spielt offen an sich herum und wird nachts gegenüber dem Jungen übergriffig. Es sind aber jeweils nur unterschiedliche Strategien, mit dem Gleichen umzugehen: dem Fehlen eines heterosexuellen Ventils für ihre Geilheit, die sie in der Abgeschiedenheit unmittelbar überkommt und unter der Oberfläche ihres sozialen Seins alles bestimmend pulsiert.

Sukkubus wird von einer Lawine eröffnet, die einen mumifizierten Leichnam freilegt, der wiederum den jungen Mann in Angst und Schrecken versetzt – und etwas in dem Erwachsenwerdenden freisetzt, das die Hirten, und ihn im Speziellen, verfolgen wird. Später wird er der Erde ein Stück Holz entreißen, einer riesigen Alraunwurzel nicht unähnlich, das, nachdem der Alkohol aufgrund einer Verletzung zu fließen beginnt, zum Kopf einer notdürftig zusammengebauten Frauenpuppe umfunktioniert wird. Die wiederum wird sich in ein Wesen aus Fleisch und Blut verwandeln, in den Sukkubus (Pamela Prati), einen weiblichen, aufreizenden, meist nackten Lustdämon, der die Männer mit Sex und Vernichtungswillen zu terrorisieren beginnt. Die Natur der Männer scheint sich zu rächen, wie die Natur gegen die Zivilisation zurückschlägt.
Todernst inszenierte Groteske

Diese Dualismen werden aber nicht dialektisch ausgearbeitet. Sukkubus pendelt zwischen der luftigen Weite wunderschöner Alpenlandschaften und der fiebrigen Enge der Berghütte. Zwischen Teufel und Gott. Zwischen Ernst und Jux. Zwischen Apollon und Dionysios. Zwischen Heimat- und Horrorfilm. Zwischen Drama und Parodie. Statt einer Auflösung der Widersprüche werden allgegenwärtige Spannungen gebildet, über die der Film organisiert ist und die seinen Lusthaushalt ausmachen.

Vor allem wird Sukkubus mehrmals grotesk werden. Der Sukkubus wird sich mit der Milch aus einem Kuheuter einen saftigen Cumshot verpassen. Selbstredend in Großaufnahme. Oder der zwielichtige Hirt wird sich eine Socke zwischen den Beinen hin und her ziehen, während er dazu freudig herumspringt. Der Film wird aber nie davon abweichen, das alles todernst zu inszenieren. Die Schönheit der Alpen wird mit der gleichen Bildgewalt und Stilsicherheit eingefangen wie die Dämonengeschichte mit ihren Verweisen auf die Jämmerlichkeit der Menschen. Gerade weil keine Miene verzogen wird, ist er unfassbar absurd und witzig, aber doch ein funktionierender Genrefilm.
Der falsche Film zur falschen Zeit

Sukkubus ging 1989 in den Kinos unter, zu einer Zeit, als der Heimatfilm seine Wirkmacht völlig verloren hatte. Versuche, ihn aus dem Fernsehen wieder zurückzuholen, wie die von Horst Hächler produzierten Ganghofer-Verfilmungen ein Jahrzehnt zuvor – erlangten nicht den ersehnten Erfolg und waren eben auch ästhetisch unausgegorene Querschläger, in denen die Versuche, eine aktuelle Form für das Genre zu finden, scheiterten. Höchsten als grelle Parodie taugte die Heimat noch zum Publikumsmagnet, wie in Walter Bockmayers Die Geierwally (1989) oder den diversen bis heute beliebten Aufführungen von Der Watzmann ruft, dem Bühnen-„Rustical“ von Wolfgang Ambros, Manfred Tauchen und Joesi Prokopetz.

Regisseur Georg Tressler hatte nichts mit dem Heimatfilm am Hut. Mit Die Halbstarken (1956) oder Das Totenschiff (1959), ihrer dokumentarischen Direktheit, dem Verzicht auf Studiokulissen und einer dringlichen Energie war er kurzzeitig Teil der Speerspitze eines jungen deutschen Films. Bis 1962 seine Karriere kippte. Sein Versuch, in Hollywood Fuß zu fassen, wo er für Disney ein Biopic über Beethoven drehte, scheiterte gnadenlos, während in Oberhausen Papas Kino für tot erklärt und damit auch Tressler frühzeitig zum alten Eisen gelegt wurde. Zunehmend musste er fürs Fernsehen arbeiten und fand im Kino höchstens noch unter Exploitation-Vorzeichen – beispielsweise führte er Regie bei Ach jodel mir noch einen von 1974 – statt.

Dass Tressler Ende der 1980er Jahre nach Jahren der Abstinenz nochmal einen Kinofilm inszenieren konnte, glich fast einem Wunder. Ein vergessener Regisseur traf damit auf ein untergangenes Genre. Dessen Weltvergessenheit machte Tressler aber tatsächlich für sich nutzbar. Die parodistischen Elemente blieben implizit, während die lüsternen Schweinereien im Gewand des Heimatfilms eher untypisch für damalige deutsche Produktionen fast nach großbudgetiertem Kino aussahen. Sukkubus war der falsche Film zu falschen Zeit, der offenbar die falschen Dinge ernst nahm. Und der schmerzhaft offenbart, was im deutschen Kino alles möglich gewesen wäre.
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