Sklavin für einen Sommer – Kritik
Alptraum mit nostalgischer Patina: Laura Gemser spielt eine afrikanische Prinzessin, die ins faschistische Italien gebracht wird, um zu dienen. Starre Hierarchien und ein ungezügeltes Begehren bringen Lust und Zerstörung.

Schnell noch wird auf dem Balkon die Flagge des faschistischen Italiens gehisst. Für ein Jahr haben Hausherrin Alessandra (Lilli Carati) und ihre Bedienstete Velma (Annie Belle) die klassizistische toskanische Villa zu ihrer Liebesgrotte gemacht. Kaum kehrt jedoch der Patriarch aus dem Abessinienkrieg zurück, soll die alte Ordnung wiederhergestellt werden. Das gestaltet sich allerdings nicht nur wegen Alessandras Techtelmechtel als schwierig. Schriftsteller-Gatte Elio (Al Cliver) hat von seinem kolonialen Eroberungszug nämlich die afrikanische Prinzessin Zerbal (Laura Gemser) mitgebracht. Die soll als devote Dienerin den Alltag erleichtern, macht aber letztlich alles nur komplizierter.
Nostalgischer Alptraum

Das mit Palmen verzierte, großbürgerliche Anwesen bleibt in Joe D’Amatos Erotik-Melodram Sklavin für einen Sommer (L’alcova, 1985) fast der alleinige Schauplatz. Hier wirkt es zunächst wie in einer romantischen, in schmusige Jazzklänge eingehüllten Fantasie. Doch bereits der Vorspann stimmt auf einen Alptraum mit nostalgischer Patina ein. Langsam schweift die Kamera über ein mit Blumen verziertes Fotoalbum, das Elio zeigt, wie er Zerbal mit prahlerischer Pose an einer Leine hält.

Laura Gemser sticht aus der pittoresken Wohlstandswelt nicht nur wegen ihrer dunklen Haut heraus. Lediglich in bunt gemusterte Tücher gehüllt, steht sie immer ein wenig verloren herum. Nie schien ihre große Rolle als unabhängige, lebens- wie abenteuerlustige Fotojournalistin Emanuelle weiter entfernt zu sein als hier. Zerbal wird als teilnahmslose, fast stumme Verkörperung des Fremden eingeführt. Die anderen bezeichnen sie abwechselnd als Kriegsbeute und Wilde oder vergleichen sie mit einem nicht zu bändigendem Raubtier. Auch Mitte der 1980er Jahre sieht Gemser noch fantastisch aus, ist aber sichtlich älter geworden. Das schmale Gesicht wirkt markanter und auch ein wenig strenger, was der Rolle aber entgegenkommt. Zerbal ist nicht nur eingesperrt, sie sieht mit ihrer eingefrorenen Mimik und den hölzernen Bewegungen auch so aus. Wach wird sie erst, als sie durch einen Türspalt Alessandra und Velma beim heimlichen Liebesspiel beobachtet.
Befehlsverweigerungen

Die starren Hierarchien und ein ungezügeltes Begehren führen bald zu Spannungen. Nachdem Zerbal Alessandras persönliche Dienerin und Liebhaberin wird, geraten Elio und Velma aufs Abstellgleis. In der Fernsehdokumentation A Hard Look (2000) erzählt Gemser, wie schwer ihr die vielen lesbischen Sexszenen während ihrer Laufbahn gefallen sind. Aber dann setzt sie ihr warmes Lächeln auf und meint mit einem Pragmatismus, der ihr vermutlich auch schon durch Zombie-Angriffe und Gruppenvergewaltigungen geholfen hat: „You get paid for it, so you do it.“

Auffällig ist, wie Gemser besonders in D’Amatos Filmen auf lesbischen Sex spezialisiert ist – Sklavin für einen Sommer bildet da keine Ausnahme. Die Vorliebe für solche Momente mag mit einer gewissen Exotik zu tun haben, mit der prickelnden Unerreichbarkeit für männliche Zuschauer. Doch die Gründe dürften auch ästhetischer Natur sein. Die zögerlichen Küsse, das anmutige Posieren und die hypnotischen Bewegungen, mit denen Finger und Zungen um Nippel kreisen, passen ideal zu D’Amatos relaxed smoothem Stil. Kein Mann verstellt hier den Blick auf die Schönheit weiblicher Körper.

Zunächst scheint Zerbal die Affäre mit Alessandra zu beleben. Stolz und nackt spaziert sie plötzlich über das Anwesen und spritzt sich unbekümmert mit einem Gartenschlauch ab. Den Ermahnungen von Elios sittenstrengem Sohn Furio (Roberto Caruso) entgegnet sie nur: „Die Bräuche der Weißen sind heuchlerisch und voller Scham.“ Tatsächlich wird Zerbal mit der Zeit jedoch nicht weicher, sondern besitzergreifender und sadistischer. Gegenüber Alessandra tritt sie zunehmend dominant auf, verweigert Befehle und lässt sich mit Weintrauben und Champagner füttern. Alessandra – zuvor eher Typ Domina mit Wet-Look-Frisur – wird sie schon bald anbetteln: „Und was, wenn ich deine Sklavin bin?“ Abgesehen von der langsam und unschuldig aufkeimenden Liebe zwischen Velma und Furio, die wie ein hoffnungsvoller Ausblick auf die Zukunft wirkt, sind die Beziehungen in Sklavin für einen Sommer konsequent ungleich.
Zungenrituale

Macht, Abhängigkeit, Unterwerfung, all das drückt sich im Film vor allem sexuell aus. Bevor sich Zerbal ihrem jeweiligen Meister hingibt, vollzieht sie ein „traditionelles“ Ritual, bei dem sie den Körper des anderen lüstern mit der Zunge liebkost. Sex ist dann auch das einzige Mittel, mit dem die Unterprivilegierten nicht nur aufbegehren, sondern auch richtigen Schaden anrichten können. Auch dem stillen, grobschlächtigen Gärtner (Nello Pazzafini) gelingt es nur dann, aus seiner passiven Rolle auszubrechen, als er während eines privaten Pornodrehs zum Vergewaltiger wird.

Einmal sitzt Zerbal im schwarzen Paillettenkleid am Klavier. Ihr Outfit wirkt westlich gediegen, ist in Wahrheit aber Ausdruck einer zunehmenden Verrohung. Statt eine wirkliche Rache- oder Selbstermächtigungsgeschichte zu erzählen, zeigt D’Amato die vermeintliche Zivilisierung von Gemsers Figur als unweigerlichen Verfall inmitten faschistischer Dekadenz. Nachdem sie sich genug von ihren Herren abgeschaut hat, wird Zerbal schließlich zur mitleidslosen Zerstörerin, die am Ende in Flammen aufgeht.
Hier geht es zu weiteren Texten unseres Laura-Gemser-Specials:
Die Nonne und das Biest (1977)
Velluto Nero (1976)
Emanuelle Around the World (1977)
Amore libero (1974)
Neue Kritiken

Mein 20. Jahrhundert

Caught Stealing

Wenn der Herbst naht

In die Sonne schauen
Bilder zu „Sklavin für einen Sommer“




zur Galerie (32 Bilder)
Neue Trailer
Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.