Love Battles – Kritik
Lieben heißt zerstören. In seinem neuen Film strapaziert Jacques Doillon die Nerven seiner Zuschauer.

Mit Love Battles (Mes séances de lutte) hat der französische Regisseur Jacques Doillon einen ebenso leidenschaftlichen wie aggressiven Film gedreht. Während sein Augenmerk vor allem auf zwei Hauptfiguren liegt, die sich in jeder Hinsicht verausgaben, führt das mitunter auch zu extremen Gefühlszuständen im Zuschauerraum. Doch zunächst zur überschaubaren Handlung: Inmitten malerischer, grün bewachsener Hügel lässt Doillon einen Mann (James Thiérrée) und eine Frau (Sara Forestier) ohne Namen über mehrere Runden aufeinander los. Zunächst nur mit Worten, im Laufe der sich zunehmend aufheizenden Auseinandersetzungen dann auch mit Handgreiflichkeiten. Auf unterschwellige Sticheleien folgen offene Provokationen, Beleidigungen, Geschubse, Prügel und schließlich Sex. Schnell macht sich das Gefühl breit, Doillon wolle mit seinem Film lediglich den überstrapazierten Begriff des Geschlechterkampfs illustrieren: So bedingungslos und erschöpfend wie hier sieht man das sicher nicht alle Tage.
Für die Frage nach dem Warum greift Love Battles auf ein wenig Küchenpsychologie zurück. Nachdem der Vater der Frau gestorben ist, streitet sich diese mit den Geschwistern um das Erbe. Dabei geht es ihr nicht darum, etwas Konkretes zu bekommen, sondern nur darum, die Opposition zu ergreifen, zu provozieren und Wut abzulassen. Der Mann, der ein Haus in der Nachbarschaft renoviert und ihr wohl schon einige Male über den Weg gelaufen ist, kommt da gerade recht. Weil ihr die väterliche Liebe versagt blieb, stürzt sie sich nun in einen als Wirtshausschlägerei getarnten Flirt. Mehr Story benötigt Doillon nicht, um sich ganz auf die Entwicklung dieser libidinösen Auseinandersetzung zu konzentrieren. Langweilig wird einem trotz der minimalistischen Erzählweise nicht. Dafür ist man als Zuschauer auch zu sehr involviert in diese erotische Höllenfahrt. Allerdings nicht so, wie man es erwarten würde. Statt Empathie zu erwecken, gehen einem die nicht gerade sympathischen Figuren mitunter gehörig auf die Nerven.

Besonders die geschwätzige erste halbe Stunde wird zur Geduldsprobe. Wenn die ungeliebte Tochter ihre Neurosen und Selbstzweifel in weiten Fontänen auskotzt, überträgt sich ihre unerschöpfliche Wut auch auf das Publikum. Man beginnt diese Frau, die mit jeder Beschimpfung nur einen verzweifelten, unbeholfen artikulierten Schrei nach Zuneigung ausstößt, aber auch ihren überbetont ausgeglichenen Kontrahenten aufrichtig zu hassen. Dementsprechend erleichtert fühlt man sich, wenn langsam die Gewalt in dieses Szenario Einzug erhält. Jedes Schubsen und jede Ohrfeige wirkt wie eine kleine Katharsis, durch die sich angestaute Aggressionen entladen. Um die körperlich unterlegene Frau muss man sich dabei keine Sorgen machen, eher im Gegenteil. Sie reiht sich in eine Tradition Doillon’scher Heldinnen ein, die stets mit sich selbst ringen, dabei aber auf keine Hilfe von außen angewiesen sind. So verwundert es nicht, dass der Mann bei der Festlegung der Spielregeln kein Mitspracherecht hat.
Das Spannende an Love Battles ist, wie eng er Lust und Schmerz miteinander verknüpft. Die Konfrontationen tragen dabei durchaus Züge sadomasochistischer Praktiken, etwa durch das Spiel mit Dominanz und Unterwerfung oder das Austesten von Grenzen. Doch Doillons Paar braucht weder einen Fetisch noch ein strenges Ritual. Stattdessen bahnen sich Wut und Lust ungerichtet ihren Weg nach draußen und resultieren in einer atemberaubenden Choreografie nackter Körper. Auf die unmittelbare Wirkung einer Handkamera setzend, bleibt Love Battles immer nah dran an seinen beiden Hauptdarstellern, die sich mit vollem Körpereinsatz und ohne falsche Eitelkeit durch die Gegend prügeln und vögeln. Kaum hat der Film die Sprache hinter sich gelassen, entfaltet sich seine rohe Schönheit. Der Facettenreichtum dieser lustvoll zerstörerischen Beziehung drückt sich nun allein durch die triebgesteuerten Handlung seiner Beteiligten aus. In jeder gewalttätigen Geste steckt auch unbedingte Liebe. Wenn dieselbe Hand, die würgt oder mit voller Kraft zuschlägt, für einen kurzen Augenblick sanft über die Wange des Gegenübers streichelt, überstrahlt die Zärtlichkeit dieser Geste plötzlich alles andere. Jacques Doillon fordert uns mit seinem Film ständig neu heraus. Wer diese Herausforderung annimmt, wird mit einer emotionalen Achterbahnfahrt belohnt.
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