La jalousie – Kritik
Im Kino sitzen und sein Glück nicht fassen können: Philippe Garrel hat einen zarten Film über die Unvernunft der Liebe gedreht.

Louis ist ein romantischer Held, für den Gefühle rein sind. „Mein Unbewusstes ist ganz und gar mit dir verbunden.“ Er muss an sie glauben, das ist seine Schwäche. Seine emphatische Kompromisslosigkeit sorgt für Gelächter. „Ich liebe dich, aber definitiv.“ Es gehört zur mysteriösen Vitalität von La jalousie, dass eine Figur wie Louis (Louis Garrel) ihre schmucklose Berechtigung hat, dass Louis lieben und leiden und hoffen und lachen darf, dass die Unendlichkeit seiner Seele bestehen kann, ohne ihn der Grenzen zu entheben, die die Filmbilder unablässig produzieren. Und es macht den Charme des Films aus, dass er stets das Gleichgewicht hält zwischen Versprechen und Versuchungen, zwischen Lust, Drang und Zwang – und allem dazwischen. Die titelgebende Eifersucht ist hier kein Motor, legt sich eher als eine Schicht der emotionalen Ausdeutung über die Szenen. Sie spiegelt die Vielfalt der Beziehungen, denen Garrel sich in aller Bescheidenheit widmet. Der Regisseur beleuchtet Eros und Amor, unterfüttert mit der eigenen Familiengeschichte.
Louis ist brotloser Schauspieler. Die Mutter (Rebecca Convenant) seiner Tochter (Olga Milshtein) hat dagegen ihre Leidenschaft für einen Erwerbsjob aufgegeben. Er verlässt sie. Da tritt auch schon die Neue ins Bild, und mit ihr übernimmt die verführerisch-rauchige Stimme von Anna Mouglalis die Tonspur. Ihre Claudia hat schon seit Jahren keine Rolle mehr erhalten und spielt mit dem Gedanken, die Schauspielerei aufzugeben. Mit Louis’ Tochter versteht sie sich blendend. Und seine Schwester Esther (Esther Garrel) wird von ihr gar zum Essen mit einem reichen Verehrer mitgenommen. Louis begleitet sie zu ihrem Mentor, der ihr vorschlägt, gemeinsam Seneca zu lesen. Sie badet ihm die Füße. Auch Louis hat eine Vaterfigur in seinem Leben, der Papa aber war abwesend. Seine Schwester kann sich kaum an ihn erinnern. La jalousie nimmt der Eifersucht ihren Tadel und überführt sie in den Bereich des Alltäglichen. Vater-Sohn, Vater-Tochter, Ex-Neue, Schwester-Bruder, Er-Sie, Mentor-Schüler. Kleine Stiche für die Liebe. Geschrieben von vier Drehbuchautoren, zwei Frauen und zwei Männern.

Es ist ein Kino der beglückenden Einfachheit. Emotion, Wallung, Aktion. Ein Lächeln, ein Blick, ein Spaß. Von den elliptisch montierten Szenen geht ein unwiderstehlicher Sog aus, dessen treibende Kraft sich nie gänzlich zu erkennen gibt. Rationale Erklärungen tragen nicht weit. In und zwischen den Einstellungen offenbart sich eine Weisheit der aufmerksamen Beobachtung und ihrer filmischen Übersetzung. Es sind leuchtende Cinemascope-Aufnahmen, die Willy Kurant mit einer mobilen 35mm-Kamera eingefangen hat. Sie schaffen den verzückenden Widerspruch ablaufender Bilder von Lebendigkeit, die man zwar festhalten will, die ihre Wirkung aber nur entfalten, weil sie trotz greifbarer Nähe schicksalhaft zerrinnen. Der vergehende Augenblick als beglückende und bestürzende Seinserfahrung, vom Gerade-Noch-Jetzt und der Melancholie einer Gegenwart, die ihre eigene Abwesenheit bereits vorausahnt. „Ich weiß, wer ich bin, das weiß ich schon lange. Das ist eine Chance, aber auch ein Schmerz.“ Louis verkörpert die Unvernunft der Liebe. Claudia lässt uns ihre Pragmatik bewundern. „Man liebt sich nicht in einem Vakuum.“ Jede weitere Figur lehrt uns, dass es keine Grenzen gibt für die Liebe und ihre Ausformungen – außer unserem Blick.

Das Schwarzweiß klopft an der Tür der Zeitlosigkeit und gräbt sich zugleich in die Wahrhaftigkeit des Geschehens. Es zeugt von einem Verständnis für Figuren und Situationen, das weder rein emotional noch rein intellektuell zu erfassen ist. In der Kreuzung von beidem, im empfundenen Imaginären, im reflektierenden Sinnlichen, im Echo des eigenen Körpers und seiner zum Instinkt geronnenen Erfahrung, dort scheint ein Gegenstück zu Garrels Kino zu schlummern, das nur auf diesen einen Anruf gewartet hat. Auf dass sein Bilderreigen einen direkten Zugang gewährt bekommt, im vollsten Einverständnis aller Regungen. Eine solche Trance der Unmittelbarkeit schafft Garrel nur aufgrund seiner ausgeklügelten Grammatik der gestohlenen Flüchtigkeit. Aus der Erinnerung lässt sie sich so unmöglich rekonstruieren wie der schönste Traum nach dem Erwecken fortgesetzt werden kann. Ein Glück, dass man La jalousie nochmals sehen kann, und dann immer wieder.
Neue Kritiken

After the Hunt

Die toten Frauen

The Mastermind

Tron: Ares
Trailer zu „La jalousie“

Trailer ansehen (1)
Bilder



zur Galerie (3 Bilder)
Neue Trailer
Kommentare
Oliver Kaever
Für mich einer der besten Filmtexte dieses Jahres. Vielen Dank, Frédéric, wirklich famos!
1 Kommentar