The Mermaid – Kritik
Mythische Meerwesen gegen einen Milliardär, der ihr Habitat bedroht: In The Mermaid stürzen sich Öko-Message und Genrespaß Hand in Hand ins Spektakel.

Ungelenk watschelt Shan (Yun Li) in gelben Gummistiefeln am Pool entlang. Sie ist keiner der gewöhnlichen Vamps, die sich auf der Party um den jungen Geschäftsmann Li Xuan (Chao Deng) scharen. Ihr Gesicht ist nur halb geschminkt, sie ist nur halbwegs schick angezogen und überhaupt nur ein halber Mensch. Shan ist eine Meerjungfrau. Ihre mit der Schere geteilten Flossen stecken in Stiefeln, die sie nur über das Land tragen, um den Milliardär zur Strecke zu bringen, der ihr Habitat zerstört. Ein havarierter Öltanker ist das letzte Refugium in der einst naturgeschützten Bucht, die Li Xuan für ein Immobilienprojekt trockenlegen will. Eine klassische Märchenkonstellation also, die Regisseur Stephen Chow hier in reichlich schrägem Aufzug präsentiert: Ein machthungriger Herrscher – in diesem Fall ein chinesischer Playboy – bedroht ein mythisches Volk von Naturwesen, und eine Nixe wird auserkoren, ihn zu verführen und zu ermorden. Dabei verläuft Shans Attentat ähnlich erfolgreich wie ihr Verführungsversuch. Ein paar Vergiftungsversuche und Frontalangriffe später ist Li Xuan nicht nur unversehrt, er bemerkt nicht mal, dass Shan es auf sein Leben abgesehen hat. Grund genug, mit ihr auszugehen.
Ästhetische Eruption

So ist die Geschichte, die sich aus der archaischen Konstellation ergibt, in erster Linie eine Liebesgeschichte zwischen Mann und Meerjungfrau. Ein Rückgriff auf Mythos und Märchen, auf Undine und Hans Christian Andersen. Inhaltlich ganz dem Mythos und der Tragik verschrieben, gibt sich The Mermaid ästhetisch der Eruption verschiedener Genrespielarten hin. Die Liebe wird mit einer Musicaleinlage zelebriert, die so schön eskaliert, dass es Li Xuan den Bart von der Oberlippe fetzt. Dieser Extravaganz folgend, entkoppelt Chow auch seinen CGI-Einsatz von jeglicher Bindung an die Realität. Effekte stechen heraus, statt sich zu verstecken. Das Spektakel wird stets als etwas gefeiert, das völlig losgelöst von Alltag und Naturgesetz stattfindet. Und Spektakel gibt es bei Chow reichlich. Unbekümmert treffen CGI und Slapstick-Einlagen in Luxuswelt und Fabelwesen-Habitat aufeinander, wie zwei Wellen, die eine Badewanne zum Überschwappen bringen. In Li Xuans Anwesen wird die Wirkung des Anti-Fisch-Sonars an einem Goldfisch demonstriert, der genauso explodiert wie das Jetpack eines Geschäftsmanns, der fortan durch die Villa fliegt. Im Bauch des Tanklasters wird die Leidensgeschichte der Meerwesen als Kontrastprogramm mit einem ähnlich flamboyanten CGI-Wasserspiel vorgetragen, das logisch auf den von „Oktopus“ (Show Luo als Mensch-Oktopus-Wesen) vorgetragenen Plan des Attentats auf Li Xuan hinleitet. Hier illustriert Chow erneut, wie er Mythos, Fantasy, Komödie und Tragik miteinander zu kreuzen vermag. Nachdem Shan sich weigert, den Geschäftsmann umzubringen, taucht Oktopus zu ihrem Date auf. Mit einer Kochjacke getarnt, versucht er Li Xuan persönlich zur Strecke zu bringen. Doch während er die Messer am Tisch wetzt, erscheinen die Hausköche, die seine Tentakeln kurzerhand als Bratgut für das Barbecue identifizieren. So wird der Krakenmann selbst zur Mahlzeit und unter den Augen von Shan und Li Xuan im Fleischwolf, auf dem Schneidebrett und schließlich auf der Grillplatte verarbeitet.
Ein eskapistisches Message-Movie

Überhaupt scheint die Bindung an nur eine Genre-Spielart für Chow gar nicht denkbar. Mit seinem bizarren Humor hat sich der Regisseur zum König des Mo lei tau gemausert. Was The Mermaid in Chows Filmografie heraushebt, ist der Öko-Appell, der nicht im Subtext verborgen bleibt, sondern ebenso derb vorgetragen wird wie der Slapstick. Für einen Regisseur, der sich traditionell den Spielarten des Eskapismus verschreibt, ist das, besonders in seiner Drastik, bemerkenswert. Dabei gibt The Mermaid mitnichten seine Schauwerte auf, wie es von einem Message-Movie zur Ökokrise zu erwarten wäre. Politprogramm und Genrespaß stürzen sich Hand in Hand in das Spektakel. Wo Seeigel als Wurfgeschosse durch den Raum fliegen und ein Sägerochen als Stichwaffe geschwungen wird, durchbohren auch Walfang-Harpunen die Leiber von Meerjungfrauen, und Archivaufnahmen von Delfinschlachtungen geben Einblick in die Folgen der Gleichgültigkeit, mit der die verschwendungssüchtigen Oligarchen um Li Xuan ihr Geld scheffeln. Das ist ebenso plump wie effektvoll. Chows abenteuerlustige Inszenierung verleiht der Ästhetik der industriellen Umweltvernichtung die gleiche Prägnanz, die auch seinen Humor unwiderstehlich macht. So ist The Mermaid halb geschminkt, halb entstellt und in diesem Sinne ein einzigartiges Hybridwesen.
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