Der Dieb der Worte – Kritik

Hinter der Maske einer ambitionierten Reflexion über Literatur verbirgt sich doch nur stilisierte Mittelmäßigkeit.

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Gehen wir von innen nach außen vor: Ein US-amerikanischer Soldat verliebt sich während dem Zweiten Weltkrieg in eine Französin, heiratet sie und schreibt einen Roman über die Liebe, den Krieg, den Schmerz des Daseins. Doch seine Frau verliert die Aktentasche mit dem Manuskript in einem Zug, und der junge Schriftsteller verzweifelt über diesen Verlust. Einige Jahrzehnte später ein weiteres tragisches Schriftstellerschicksal: Jungautor Rory Jansen (Bradley Cooper), der mit seiner Frau Dora (Zoë Saldana) nach New York gezogen ist, um seinen ersten Roman zu schreiben, scheitert an seiner eigenen Mittelmäßigkeit und den Launen des Buchmarkts. Doch als er in einer alten Aktentasche, die das Pärchen während der Pariser Flitterwochen in einem Antiquariat erstanden hat, ein faszinierendes Manuskript findet, ändert sich alles. Zunächst noch unschuldig und aus purer Begeisterung tippt er die vergilbten Zeilen in seinen Computer – und wird schließlich von Dora, die den Text für das geniale Werk ihres Mannes hält, dazu ermutigt, es an ausgewählte Verleger zu verschicken. Rory wird zum neuen Literatur-Star, aber lange geht das natürlich nicht gut, und bald wird der Dieb der Worte von einem alten Mann (Jeremy Irons) auf einer Parkbank angesprochen, der seit den 1940er Jahren eine gewisse Aktentasche vermisst.

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Doch selbst Rorys Geschichte ist nicht der ganze Plot dieses überambitionierten Films, der seine Handlung noch eine Ebene höher ansetzt: Zu Beginn – denn die Regisseure Brian Klugman und Lee Sternthal gehen von außen nach innen vor – lernen wir den schon etwas älteren Schriftsteller Clayton Hammond (Dennis Quaid) kennen, der auf einer gut besuchten Lesung seinen neuen Roman vorstellt – eben jene Geschichte von Rory Jensen, der einen Roman klaut und mit seinem Gewissen konfrontiert wird. Dennis Quaid starrt in Der Dieb der Worte wie in vielen seiner Filme die meiste Zeit etwas entgeistert durch die Gegend, hier aber passt seine Emotionslosigkeit sogar ganz gut zu einer Figur, die wohl keine andere Funktion hat, als dass wir uns fragen sollen, ob sein Roman autobiografisch ist, ob er also dieser Rory ist, der sein Durchbruchswerk skrupellos geklaut und ein Leben lang unter dieser Entscheidung gelitten hat.

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In diesem Spiel mit der Wahrheit, das uns vor die Frage stellt, ob der Haupt-Plot selbst nur eine Fiktion in der Fiktion ist, mag eine ironische Auseinandersetzung mit „authentischen“ Erfahrungen und ihrer postmodernen Dekonstruktion versteckt sein. Einige amüsante Momente deuten in diese Richtung, wenn beispielsweise Dora nach Lektüre des geklauten Romans gerührt erklärt, endlich das wahre Ich ihres Mannes entdeckt zu haben. Aber diese Fragen nach dem Verhältnis von Realität und Fiktion, nach Autor und Werk stellt man sich doch eher selbst, als dass der Film sie wirklich aufwirft oder gar filmisch radikalisiert. Die erwähnte Szene ist nicht viel mehr als ein zentraler Plot Point, der Cory zur Veröffentlichung des Plagiats zwingt. Je länger man über Der Dieb der Worte nachdenkt, desto eher hat man das Gefühl, seine Mehrebenen-Struktur ist weniger Ausdruck einer gewieften Komplexität als vielmehr Verschleierungstaktik eines Films, der nicht viel zu sagen hat und ständig hintergründiger tut, als er eigentlich ist.

Man hat schon deshalb im Kinosaal recht viel Zeit, über die vermeintliche Hintergründigkeit nachzudenken, weil auch die Intensität des Gelebten, für die der Autor des Originalromans steht, in Der Dieb der Worte zu keinem Moment spürbar wird. Man merkt dem Film mit seiner sterilen Inszenierung vielmehr zu jeder Zeit die fehlende Erfahrung und Inspiration zweier Regisseure an, dessen bekanntester Credit bislang die „Story“ von Tron: Legacy (2010) war und die mit ihrer ersten eigenen Visualisierung dem Handlungsinhalt nichts hinzufügen können. Das überträgt sich auch auf die Schauspieler. So erschöpft sich Bradley Coopers Darstellung eines gequälten Schriftstellers in mehr oder wenigen gequälten Blicken. Auch an dem moralischen Dilemma, in das sich Rory manövriert, scheint die Regisseure eher die abstrakte Idee zu interessieren als die Möglichkeit, es filmisch erfahrbar zu machen. Und die penetrante Filmmusik von Marcelo Zarvos tötet jeden Anflug von Emotion sofort mit einem 08/15-Score aus Geige und Piano ab, der dem Film zu keiner Zeit den so dringend benötigten Rhythmus verleihen kann.

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Der Legende nach hat Ernest Hemingway die Manuskripte der Jahre vor 1922 in einer alten Aktentasche verloren. Die Tatsache, dass Jeremy Irons’ Figur keinen Namen hat, sondern nur als „der alte Mann“ auftritt, ist ein letztes ärgerliches Beispiel für die Mechanismen dieses Films, der mit Streber-Gestus und bedeutungsschwerer musikalischer Untermalung große Fragen und die Erinnerung an bekannte Schriftsteller beschwört, um zu verschleiern, dass er inhaltlich eher Plattitüden von sich gibt und sich formal in Biederkeit erschöpft. Der Dieb der Worte nimmt eine Hemingway-Legende, verschachtelt sie in mehreren Ebenen und tut so, als ginge es hier um Literatur und als gäbe es ein Geheimnis zu lösen. Anders als ihre Hauptfigur haben Klugman und Sternthal vielleicht nichts geklaut, ihr Film fühlt sich trotzdem an wie das kühl abgefilmte Produkt einer Schreibblockade.

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Kommentare


Don Donaldo

Ähm...war das nicht der Zweite Weltkrieg, 1945 und so?


Till

Oh, ja, natürlich. Da hat sich beim Schreiben das Hemingway-Motiv irgendwie eingebrannt und verselbständigt. Käme auch vom Alter der Figuren ja gar nicht hin. Also: 40er statt 20er, Zweiter statt Erster. Aber der Film selbst interessiert sich da auch nicht so richtig für.


Alvin

Ich fühlte mich nicht in der Versuchung den "Hauptplot" als Wahrheit oder Fiktion zu entschlüsseln. Dementsprechend kann ich die Kritik nicht nachvollziehen: "Aber diese Fragen nach dem Verhältnis von Realität und Fiktion, nach Autor und Werk stellt man sich doch eher selbst, als dass der Film sie wirklich aufwirft oder gar filmisch radikalisiert". Eben, ich bezweifle, dass die Regisseure dies versucht hätten. Ich finde, dass die Kritik hier falsch aufbaut, indem die persönlichen Erwartungen als Maßstab gesetzt werden, und dabei die Gegebenheiten des Films außer Acht gelassen werden. Meines Erachtens behandelt der Film die Frage nach der emotionalen Konsequenz fehlerhafter Entscheidungen, also mehr Berührungspunkte mit der psychologischen Ebene als mit der philosophischen Ebene. Sehenswert ist der Film, aufgrund der schauspielerischen Leistungen.






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