The Ugly Stepsister – Kritik
In The Ugly Stepsister entwirft Regie-Debütantin Emilie Blichfeldt eine großartige Body-Horror-Variante von Aschenputtel – und rückt dabei tradierten Schönheitsidealen mit dem Hackebeil zu Leibe.

Hexen und Wölfe fressen Kinder, Tauben hacken Mädchen die Augen aus, einem Jungen werden beide Daumen amputiert: Märchen sind wahrlich kein Kinderkram. Und das nicht nur, weil sie ihre Lektionen mit massiver Einschüchterung und Gewaltandrohung untermauern, sondern auch weil sie insbesondere Mädchen beibringen, dass ihr Wert ganz entscheidend von ihrem Äußeren abhängt: ohne Schönheit kein Prinz.
Regisseurin Emilie Blichfeldt kombiniert diese beiden Dimensionen des Märchens in ihrem Langfilm-Debüt The Ugly Stepsister (Den stygge stesøsteren) und macht aus der toxischen Mixtur ein ebenso blutiges wie saukomisches Midnight Movie. Erzählt wird die klassische Aschenputtel-Geschichte, wobei der Film konsequent die Perspektive der Stiefschwester einnimmt. Zusammen mit ihrer verwitweten Mutter Rebekka (Ane Dahl Torp) kommt Elvira (Lea Myren) irgendwann im 17. Jahrhundert an einen europäischen Hof, wo die Mutter neu heiratet. Elvira ist nicht unbedingt hässlich, aber sie ist Süßspeisen durchaus zugeneigt, was sich in Pausbäckchen und ein paar Speckröllchen äußert. Außerdem trägt sie eine Zahnspange, die beim ersten flüchtigen Blick vermuten lässt, sie sei komplett zahnlos.
Ihre Gegenspielerin ist die gütige, engelsblonde, tausendmal schönere Agnes (Thea Sofie Loch Næss), die von Elviras Mutter zur Magd degradiert wird, kaum dass die Maden damit begonnen haben, Agnes’ Vater zu verspeisen. Und dann ist da natürlich noch Prinz Julian (Isac Calmroth), der dringend eine Frau sucht und deshalb einen Ball veranstaltet, zu dem nur die schönsten Jungfrauen eingeladen sind.
Szenen-Applaus für deftige Effekte

Der Film verfolgt die Vorbereitungen Elviras auf den Ball und interessiert sich dabei vor allem für die Frage, wie weit manche Frauen bereit sind zu gehen, um gesellschaftlichen Schönheitsstandards zu entsprechen. Das reicht in Elviras Fall von einer Nasen-OP über eine unkonventionelle Methode, künstliche Wimpern am Auge zu befestigen, bis hin zu einer sehr drastischen Abnehm-Methode.
Die deftigen gross-out-Sequenzen, die diese Verwandlungen plastisch darstellen, wurden bei der besuchten Berlinale-Vorführung durchgehend mit Szenen-Applaus und lautem Gejohle bedacht – außerhalb des Festival-Kontextes dürfte es durchaus auch ZuschauerInnen geben, die angesichts dieser Bilder die Flucht aus dem Kinosaal antreten. Zu den herrlich übertriebenen Splatter-Szenen gesellen sich ein paar beinahe pornografische Einstellungen sowie Weichzeichner-Passagen, die Elviras Tagträume über das künftige Leben mit Prinz Julian visualisieren und die in starkem Kontrast zur brutalen Realität stehen.
Die Kraft des körperlichen Ekels

Bei all dem bleibt Emilie Blichfeldt sehr nah an der literarischen Vorlage, die nicht die Grimm’sche Version von Aschenputtel ist, sondern jene von Charles Perrault. An ein paar Stellen wäre es vielleicht besser gewesen, sich erzählerisch etwas vom Original zu entfernen, um die monierten Schönheitsideale noch konsequenter zu zertrümmern und den blöden Prinzen ein für alle Mal von seinem Gaul zu stoßen. Doch die Treue zum Text ist letztlich ein elementarer Bestandteil von Blichfeldts Konzept. Das zeigt sich auch am enormen Aufwand, den das Filmteam offensichtlich in puncto Kostüme und Ausstattung betrieben hat. Dass der Film dennoch kein schwerfälliges period piece wird, liegt zum Teil an ironischen Brechungen wie dem extradiegetischen Einsatz elektronischer Musik und dem großzügig eingestreuten schwarzen Humor – vor allem aber an den nicht-digitalen Body-Horror-Effekten unter Einsatz von Haken, Beilen und einem tierischen Hilfsmittel, das The Ugly Stepsister spätestens im Finale endgültig potenziellen Kultcharakter verleiht.
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