Die Verlegerin – Kritik

Eine Sternstunde des Journalismus als seelischer Überlebenskampf: Steven Spielberg kämpft in Die Verlegerin mit der tiefen Verunsicherung des journalistischen Standes – und ruft aus lauter Verzweiflung am Ende nach den Founding Fathers.

Ein Satz ist es ganz besonders, den Katharine „Kay“ Graham (Meryl Streep), Herausgeberin und Mehrheitseigentümerin der Washington Post, die titelgebende Verlegerin also, penibel einüben muss, bevor sie vor einem Gremium aus Investoren für den Aktiengang ihres Unternehmens werben will. Schleppend rollen die Worte aus ihrem Mund, kein einheitlicher Rhythmus verbindet die einzelnen Laute, und der offenkundige Mangel an Überzeugung löscht den Sinn des Gesagten fast zur Gänze aus. Irgendwann ist der Satz doch heraußen: „Qualität und Wirtschaftlichkeit gehen Hand in Hand.“ Aber dieser Probelauf ist dann doch zu wackelig, um wirklich Vertrauen zu erwecken. Graham notiert sich die Kernbotschaft („Qualität befeuert Wirtschaftlichkeit“) lieber nochmal auf ihrem Schreibblock, unterstreicht den Satz mehrere Male – und bringt ihn dann, trotz dieser umfassenden Vorbereitung, in der entscheidenden Sitzung doch nicht über die Lippen.

Journalismus: Unverzichtbar oder belanglos?

Steven Spielbergs Die Verlegerin nimmt seinen Ausgang somit von einer elementaren Verunsicherung – und diese Verunsicherung äußert sich nicht nur in der praktischen Frage, ob man mit gewissenhafter (und damit auch personal- und kapitalaufwändiger) journalistischer Arbeit tatsächlich Profite erwirtschaften kann, sondern vor allem in der grundlegenden Frage, ob es denn tatsächlich noch einen belastbaren Konsens darüber gibt, was den Wert journalistischer Arbeit überhaupt ausmacht. Denn auch wenn man sich mit großem rhetorischen Aufwand und mit ausführlichen Begründungen einreden mag, dass ein kritisch nachforschender und auf höchste Genauigkeit bedachter Journalismus innerhalb einer Gesellschaft eine absolut unverzichtbare Funktion ausfüllt: Wenn dieser Dienst von niemandem gewollt oder gebraucht, wenn er folglich auch nicht in nennenswertem Ausmaß in Anspruch genommen wird, dann ist er irgendwann kein Dienst mehr, sondern nur mehr ein vielleicht anständiger, aber letztlich belangloser Zeitvertreib. Die Krise des Journalismus ist in Die Verlegerin somit nicht nur gesellschaftlicher, sondern vor allem existenzieller Art. Katharine Graham, ihr Chefredakteur Ben Bradlee (Tom Hanks) und die übrigen Mitarbeiter der Washington Post müssen ihre journalistischen Grundsätze nicht nur gegen äußere Anfeindungen und gegen wachsenden politischen Druck verteidigen, sie müssen sich vor allem selbst beweisen, dass diese Grundsätze immer noch gültig sind – dass sie immer noch in der Lage sind, ihrem Handeln Wert zu verleihen.

Der Kampf gegen die eigene Entbehrlichkeit

Die Gelegenheit dazu scheint sich mit dem Auftauchen eines streng geheimen, internen Berichts des US-Verteidigungsministeriums zu bieten, aus dem hervorgeht, dass sämtliche amerikanische Regierungen seit den 1940ern die Weltöffentlichkeit systematisch über das amerikanische Engagement in Indochina belogen haben – und schließlich auch über den katastrophalen Verlauf des Vietnamkrieges. Die Veröffentlichung und journalistische Aufarbeitung dieser sogenannten „Pentagon Papers“ wäre ein unbestreitbarer Beleg für die Notwendigkeit einer unabhängigen und gewissenhaften Presse – zumal im Jahr 1971, in dem Die Verlegerin angesiedelt ist, immer noch amerikanische Soldaten und unzählige Vietnamesen den Kriegshandlungen zum Opfer fallen. Doch von dieser einmaligen Bewährungsprobe droht die Washington Post vollkommen ausgeschlossen zu sein: Die Pentagon Papers wurden (in ersten Auszügen) nicht ihr, sondern der New York Times zugespielt, der Belegschaft der Post bleibt also zunächst nichts anderes übrig als auf die erste Titelgeschichte des großen Konkurrenzblattes zu warten – und danach zu versuchen, durch eigene Recherchen doch noch etwas vom Glanz der sich abzeichnenden Sternstunde des Journalismus abzubekommen.

Die Verlegerin entwirft im Zuge der Darstellung dieser Recherchearbeiten allerlei Situationen und Szenen, die man aus anderen Journalismus-Dramen wie Die Unbestechlichen (All the President’s Men, 1976) oder Spotlight (2016) kennt: Hektische Krisenbesprechungen im offenen Redaktionsraum, geheime Treffen in abgelegenen Stadtvierteln oder heruntergekommenen Motels, hastig vollgetippte Schreibmaschinenseiten, die gerade noch rechtzeitig der Druckerei übergeben werden. Doch anders als in den oben genannten Filmen werden diese Szenen in Die Verlegerin nicht getragen von dem Reiz der Virtuosität, von der geordneten Dynamik einer mit großem Können verrichteten Arbeit. Sie sind vielmehr durchdrungen von einem Hauch der Verzweiflung, von dem panischen Drängen einer nicht ganz beherrschbaren Angst. In Wahrheit ist es ein Überlebenskampf, der hier dargestellt wird, und wie jeder derartige Kampf findet er notgedrungen auf einer individuellen, persönlichen Ebene statt. Die anhaltende Gültigkeit jener journalistischen Prinzipien, mit denen die handelnden Figuren in Spielbergs Film ihr professionelles Wesen untrennbar verwoben haben, muss von ihnen gleichsam am eigenen Leib erfahren werden – und dafür reicht die bloße Tatsache, dass die Pentagon Papers veröffentlicht werden, egal wie und egal durch wen, nicht aus. Die einsame Herausgeberin, der joviale Chefredakteur, der nervöse Außenreporter, sie alle kämpfen in Spielbergs Film vor allem darum, an dieser Veröffentlichung beteiligt zu sein – denn nur so können sie sich ihrer professionellen Würde unzweifelhaft vergewissern, nur so können sie das Gefühl zurückdrängen, entbehrlich zu sein.

Die besänftigende Wirkung einer naiven Staatsfrömmigkeit

Dieser elementaren Verunsicherung, als die sich die Krise des Journalismus auf individueller Ebene darstellt, gibt Spielberg ausreichend Raum, um sie in ihrer emotionalen Tragweite nachvollziehbar zu machen – und eben das verleiht seinem Film über weite Strecken eine faszinierende Instabilität. Doch irgendwann kann sich Die Verlegerin des inneren Verlangens nach Klarheit und nach einer direkten Lesbarkeit dann doch nicht mehr erwehren – und angesichts der Atmosphäre der Verunsicherung und des Zweifelns, die sich im Laufe seiner frühen Szenen entwickelt hat, kann er diesem Verlangen jetzt nur noch vermittels gestalterischer Gewaltakte nachgeben. Da müssen dann einzelne Figuren zu finsteren Bösewichten hochinszeniert werden, wie etwa Richard Nixon, der ab und zu als ominöser Schatten im Fenster des Weißen Hauses irgendwas Bösartiges ins Telefon knurren darf, oder ein Mitglied des Verlagsvorstands, in dessen Person sowohl politisches Duckmäusertum als auch unverhohlener Sexismus zu einer hassenswerten Erscheinung gebündelt werden. Da müssen dann mehrere Szenen durch den Einsatz aufwallender Musik krampfhaft mit Emphase aufgeladen werden, ohne dass die Grundlage dieser Emphase je deutlich herausgearbeitet worden wäre.

Und da müssen dann als buchstäblich letzte Instanz auch noch die founding fathers der USA angerufen werden, die „in ihrer unendlichen Weisheit“ (eine Floskel, die im Film selbst nicht vorkommt, aber den angeschlagenen Tonfall einfängt) der freien und kritischen Presse eine unverzichtbare Rolle in dem von ihnen entworfenen Staatsgefüge zugedacht haben. Dem drängenden Zweifel am inneren Wert und an der gesellschaftlichen Relevanz eines gewissenhaften Journalismus begegnet Die Verlegerin somit am Ende nur mit dem Verweis auf die besänftigende Wirkung einer treuherzigen Staatsfrömmigkeit – und das ist angesichts der schmerzhaften Wunde, die der Film zu Beginn aufgerissen hat, dann doch ein sehr mickriges Pflaster.

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