Ein Gauner & Gentleman – Kritik
VoD: Ein Thriller im Retro-Lounge-Modus: David Lowery stellt Robert Redford für dessen vielleicht letzten Auftritt das geeignete Vehikel zur Verfügung. Ein Gauner und ein Gentleman zieht seine Kraft aus dem Vergangenen, blickt aber verträumt nach vorn.

Der ewige Jazz, das ständige Gedudel im Hintergrund, klar ist gleich: Um echte Spannung geht’s hier kaum. Ganz entspannt betritt Robert Redford als Forrest Tucker eine Kleinstadt-Bank nach der anderen, deutet den Besitz einer Waffe höchstens mal kurz an, bleibt charmant und cool, bekommt, was er will, geht wieder, löst sich in Luft auf, während im Hintergrund die Sirenen heulen. Das geht so lange gut, wie Tucker unter dem Radar bleibt und Ein Gauner und Gentleman (The Old Man & the Gun) ohne Gegenspieler zurechtkommt.
Sprung aus dem Fenster

Redfords angeblich letzte Performance ist die altersweise Darstellung einer alles andere als altersmüden Figur. Denn Tucker, den es wirklich gab, denkt Anfang der 1980er Jahre, in denen der Film spielt, auch mit weit über sechzig nicht ans Aufhören. Gemeinsam mit zwei ebenfalls recht rüstigen Komplizen raubt er nicht aus Gier, sondern zum Spaß. „It’s not about making a living but about living”, sagt er einmal. Als er bei einer Autopanne die verwitwete Jewel (Sissy Spacek) kennenlernt, verliebt er sich eher nebenbei, man hat ja alle Zeit der Welt. Jewel denkt schon ans Ende, redet von sich fortwährend schließenden Türen. „Wenn sich eine Tür schließt, springe ich durchs Fenster“, entgegnet Tucker.
Wandelnde Midlife-Crisis jagt Senioren

Dann wacht aber doch noch ein Gegenspieler auf: John Hunt (Casey Affleck) ist langsam genervt von den unauffälligen Verbrechen der sogenannten Over-the-Hill-Gang und nimmt sich der Sache an, während die Kollegen über ihn und seine Seniorenjagd nur feixen. Gerade vierzig geworden, ist es um Hunt in Sachen Lebenslust deutlich schlechter bestellt als um Tucker, als wandelnde Midlife-Crisis schleppt er sich zur Arbeit und wieder nach Hause. Der Tod hängt eher über dem Jäger als dem Gejagten, selbst wenn dieser doppelt so alt ist. Hunt und Tucker werden sich, wie in jedem guten Verfolgungsfilm, einmal ganz nah sein, auf dem Klo eines Diners, aber selbst hier liegt alles auf dem Tisch, ist nichts gespannt.

David Lowery ist ja ohnehin ein Meister der Subtraktion. Dem Couple-on-the-Run-Film nahm er in Ain’t Them Bodies Saints[LINK] den Run und verdammte seine Protagonisten zum Warten, dem Geisterfilm nahm er in Ghost Story die visuellen Effekte im Tausch mit einem Laken, in Ein Gauner und Gentleman nun nimmt er dem Thriller den Thrill. So sehr sich diese Filme in Rhythmus und Tonalität auch unterscheiden mögen, sind sie doch alle auf ihre Art und im besten Sinne müde Filme, Filme, in denen alles schon passiert zu sein scheint und wir mit den Konsequenzen leben dürfen. Konsequent also auch, dass Tuckers unzählige Ausbrüche aus dem Gefängnis, für die er berühmt geworden ist, erst in einer sehr späten Szene per Montage nachgeliefert werden.
Rumhängen und Zurückblicken

Wie jedes Genre ist der Bankräuberfilm tausendmal durchexerziert, ebenso oft dekonstruiert worden, mit ähnlich bitterem Ernst. Hier geht’s darum nicht. Ein Gauner und Gentleman zeichnet ein verschmitzt abwinkender Umgang mit generischen Motiven aus, unernst, aber auch unironisch, playing it cool. Ein Film wie eine gemütliche Lounge, in der man ein bisschen abhängen und sich erinnern kann. Denn ein wenig Hommage ist natürlich auch dabei, dafür sorgt schon der Cast – neben Redford und Spacek spielen auch Tom Waits und Danny Glover mit. Und auch die tollen 16mm-Bilder tragen dazu bei, dass man nicht wehmütig, aber doch nostalgisch an Grobkörniges zurückdenkt, an chillige Thrills früherer Zeiten, an Bankräuberei und Verfolgungsjagden mit Autos, die es nicht mehr gibt. Und in Sissy Spaceks schüchtern lächelndem Gesicht kann keine Falte der Welt die naive Neugier Hollys aus Badlands tilgen.
Sollte es das für Robert Redford wirklich gewesen sein, ist das ein würdiger, weil ultimativ bescheidener Abgang voller jugendlichem Elan. Seine Figur dagegen hat noch einiges vor, erstellt sogar umfangreiche To-Do-Listen. „Dann sollten Sie sich aber mal beeilen“, sagt Jewel, und Tucker fragt ernsthaft verblüfft: „Wieso?“
Der Film steht bis 26.9.2025 in der ARD-Mediathek.
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