The Mad Death – Kritik

Tollwutalarm: In The Mad Death (1983) werden Tierliebe und Polygamie zu Verbündeten des Virus. Die BBC-Miniserie ist ein schönes Beispiel dafür, was für verstörende Dystopien im britischen TV der 1980er zu sehen waren.

Schläfrig liegt der kleine Fuchs am Straßenrand, so süß und hilflos, dass man ihn am liebsten knuddeln möchte. Später klärt uns ein Wissenschaftler darüber auf, dass tollwütige Tiere nicht ständig aggressiv, sondern phasenweise auch erschöpft und teilnahmslos wirken. Auch ein adrett gekleideter Autofahrer (Ed Bishop) fällt auf die vermeintliche Zutraulichkeit herein und hält es für eine gute Idee, das Tier seiner Frau mitzubringen. Die hat zwar schon zwei Hunde am Hals, soll aber beschäftigt bleiben, um ihren Gatten nicht beim Fremdgehen zu ertappen.

Zwischen Waterboarding und psychedelischem Sextraum

Die Tollwut-Epidemie in der schottischen BBC-Miniserie The Mad Death (1983) entwickelt sich aus einem Liebesdreieck heraus. Nachdem sich das Virus bereits durch kaum merkliche Kratzer und Bisse vom wilden aufs domestizierte Tier übertragen hat, bringt es der untreue Ehemann schließlich auch noch unters Menschenvolk. Wenn sich seine Geliebte bei ihm ansteckt, nachdem sie ihm im Lusttaumel auf die Lippe gebissen hat, ist man sich aber ohnehin nicht mehr sicher, ob der Unterschied zwischen Zwei- und Vierbeinern so entscheidend ist.

Dass sich die Krankheit ausbreiten kann, hat mit der anfänglichen Verschwiegenheit von Patient null zu tun. Mit Kopfschmerzen und Atemnot wird er ins Krankenhaus eingeliefert, wo er von Wahnvorstellungen gemartert wird, die sich irgendwo zwischen Waterboarding und psychedelischem Sextraum bewegen. Die Szenen im Krankenhaus wirken nicht nur deshalb äußerst beunruhigend, weil wir sie überwiegend durch die Augen des Kranken sehen, sondern auch, weil die unsichtbare Gefahr von den Ärzten erst dann erkannt wird, als es schon zu spät ist. Der betrogenen Ehefrau bleibt letztlich nichts anderes mehr, als ihrem bleichen, schwer atmenden Mann durch ein Zelt aus Plastik beim Sterben zuzusehen.

Die Serie hat zu diesem Zeitpunkt bereits als Gegenstück ein zweites Liebesdreieck etabliert, das sich der Bekämpfung der Tollwut verschrieben hat. Es besteht aus dem hemdsärmeligen Veterinärmediziner Michael (Richard Heffer), der furchtlosen Ärztin Anne (Barbara Kellerman) sowie ihrem misstrauischen Mann Johnny (Richard Morant). Und auch hier offenbart sich, dass die Liebe zum Verbündeten des Virus wird. So wie die Krankheit sich überhaupt nur ausbreiten konnte, weil die menschliche Sehnsucht nichts von den Grenzen einer Paarbeziehung wissen will, wird auch der Kampf gegen sie immer wieder durch Eifersüchteleien sabotiert.

Tiere verzaubern und täuschen uns

Als noch verheerendere Art der Zuneigung erweist sich jedoch die menschliche Liebe zum Tier. Wegen einer französischen Katzenbesitzerin, die das Reiseverbot für Haustiere missachtet hat, ist das Virus überhaupt erst nach Schottland gekommen. Tiere verzaubern und täuschen uns, so wie auch der tollwütige Fuchs, der von der Abwesenheit des untreuen Mannes ablenken soll. Das scheint uns auch der Vorspann vermitteln zu wollen. Er zeigt die verzerrte Spiegelung eines Tiers, während eine Stimme zwischen dissonanten Synthesizer-Akkorden Zeilen aus dem anglikanischen Choral „All Things Bright and Beautiful“ flüstert. Tiere lassen sich eben leichter lieben, weil sie stumm und nicht so kompliziert sind. Bezeichnenderweise spitzt sich auch der Konkurrenzkampf zwischen Michael und Johnny nicht wegen Anne zu, sondern weil der eine aus Sicherheitsgründen das Lieblingspferd des anderen erschossen hat.

Ähnlich wie die ebenfalls von der BBC produzierte, unvollendet gebliebene Science-Fiction-Serie Die dreibeinigen Herrscher (The Tripods, 1984–85) ist auch The Mad Death ein schönes Beispiel dafür, was für verstörende Dystopien man mitunter im britischen Fernsehen der 1980er Jahre entdecken konnte. Schade, dass der von Robert Young inszenierte Dreiteiler nach seinem sehr dichten und konzentrierten Auftakt ein wenig ziellos zwischen den Genres und Erzähltönen herumkurvt. Allerdings sind es auch gerade die etwas wahnwitzigen Ausbrüche, die der Serie immer wieder neues Leben einhauchen. Da löst sich Young etwa vom trockenen Fernsehrealismus, um sich kurzerhand an einem Actionreißer zu versuchen, bei dem die Helden mit markigen Sprüchen einen Militärjeep durch ein Einkaufszentrum lenken und einem kleinen Jungen im letzten Augenblick das Leben retten.

Gothic-Horror-Reich degenerierter Tierliebe

Den sonderbarsten Ausreißer leistet sich The Mad Death aber im letzten Drittel. Während die Protagonisten mithilfe des Militärs in den Wäldern jeden Vierbeiner umnieten, der ihnen vor die Flinte kommt, widmet sich Young in einem schlossähnlichen Anwesen einem Gothic-Horror-Reich der degenerierten Tierliebe. Hier haust eine einsiedlerische alte Frau, die ein bisschen wie Donald Trump aussieht und sich stur weigert, ihre unzähligen Haustiere in Quarantäne zu geben. Wenn sie ihre vierbeinigen Freunde schließlich mit ziemlich rabiaten Methoden verteidigt und Anne wie im Märchen in ein Verließ sperrt, untermauert die Serie noch einmal, dass sich eine Epidemie wie diese am besten auf dem Nährboden menschlicher Schwächen ausbreiten kann.

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