The Innocents – Kritik
Ein dunkler Spalt unterm Bett gebiert Ungeheuer. Der norwegische Horrorfilm The Innocents taucht in die Erfahrungswelt von Kindern in einer Hochhaussiedlung ein und findet das Schauerliche auf den kleinsten, taktilsten Ebenen.

Dass die Welt von Kindern schreckenerregend und ihr Verhalten grausam sein kann, wissen wir mindestens aus der Erinnerung. Eskil Vogt, der auch Co-Drehbuchautor für den paranormalen Thriller Thelma (2017) des Regisseurs Joachim Trier war, führt uns diese Erinnerung erneut anhand einer übernatürlichen Erzählung vor Augen. In einem norwegischen Hochsommer wird dabei aus dem dunklen Spalt unter dem Bett ein mörderisches Ungeheuer.
Morbide Neugierde

Ida (Rakel Lenora Fløttum) und Anna (Alva Brynsmo Ramstad) sind Schwestern, die mit ihren Eltern in eine Hochhaussiedlung umziehen. Während sie auf den ersten Blick nicht mehr als wenige Jahre und ein paar Zentimeter unterscheiden, sind sie doch ungleiche Geschwister: Ida ist schnell gelangweilt, verspielt, geht gerne auf Erkundungstouren, von denen sie per Anruf von ihrer Mutter zurückgepfiffen wird. Anna hat Autismus. Sie wiegt und schaukelt sich, wiederholt erratische Gesten in Spielen, die von außen nicht verstehbar sind – und spricht kein Wort.

Ida lernt in der Hochhaussiedlung den ernsten Ben (Sam Ashraf) und die fantasievolle Aisha (Mina Yasmin Bremseth Asheim) kennen. Beide haben überraschende Fähigkeiten: Ben kann Gegenstände bewegen, ohne sie zu berühren, Aisha kann die Gedanken der stummen Anna lesen und mit ihr sprechen. Während die Kinder sich und ihre Kräfte erkunden, schließlich auch Anna zu Übernatürlichem fähig ist, deutet sich bereits an, dass ihre neue Macht auch Verantwortung mit sich bringt. Die drei Mädchen haben Spiel im Sinn, Ben dagegen fühlt sich zu sehr von morbider Neugierde getrieben, um die Grenzen des Spielerischen zu respektieren. Von seiner Mutter vernachlässigt, scheint er einen starken Groll zu hegen, den er endlich an seiner Umwelt auslassen will.

The Innocents spielt sich immer wieder auf den kleinsten, taktilsten Ebenen ab. Das ist eine der Arten des Films, die Erfahrungswelt der Kinder bildhaft zu machen. Kleine Saugknöpfe an Autofenstern, das Kondensat von Atem an einer Fensterscheibe, Steinchen in einem Eimer – es sind solche unscheinbaren Mikrokosmen, mit denen sich die Kinder gedankenverloren beschäftigen, und die Kamera folgt ihnen dorthin. Es ist gleichzeitig die Welt von Anna, die dort Beruhigung findet von der hektischen Welt um sie herum.
Sobald die Ratio den Raum betritt, ist der Spuk vorbei

Wo Erwachsene präsent sind, da findet keine Magie statt. Telekinese, Telepathie und Visionen aber kommen immer dann in die filmische Welt, wenn die Kinder unter sich sind. Beides verhält sich wie Öl und Wasser, und auch auf diese Weise fühlt sich The Innocents an, als wäre man in der Welt eines Kindes – oder wenigstens in einer Welt des Sich-Vergessens. Sobald die Ratio den Raum betritt, ist der Spuk vorbei.

Die vier Kinder, die langsam in eine Welt des Kampfes eintauchen und sich entzweien, haben noch etwas gemeinsam: Schwierigkeiten mit ihren Eltern. Während Ida vor allem um Aufmerksamkeit ringt, die sie wegen ihrer pflegebedürftigen Schwester zu wenig bekommt, werden Aisha und Ben alleine von ihren Müttern erzogen. Ihre soziale Situation ist schwierig. Alle müssen im Laufe des Films einen eigenen Umgang mit ihren Konflikten finden. Der Weg von Ben wird dabei nach und nach gewaltsamer und feindseliger.

Eskil Vogts zweiter Spielfilm sendet dabei auf wesentlich geringeren Frequenzen als andere Filme, die von übersinnlichen Fähigkeiten handeln. Er ist nie so schriller Horror wie etwa Carrie (1976), nie so stürmisch und effektvoll wie etwa Chronicle (2012). Während diese Filme das Paranormale eher mit der wilden Adoleszenz verbinden, verbleibt The Innocents im Kleinsten, aber auch im Schauerlichsten. Er zeigt uns: Schon in der Fantasie von Kindern stecken Themen wie Tod und Gewalt. Dabei ruht alles auf den schauspielerischen Schultern der vier Kinder. Allen voran Alva Brynsmo Ramstad überzeugt mit ihrem feinsinnigen Porträt der in sich gekehrten Anna und schafft das beinahe ohne Worte. Alle vier aber sind es, die aus dem ruhigen, tiefen Film eine Perle machen.
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Kommentare
Andree
Musste mann den Katzen tot wirklich mit reinschneiden mir bricht es das Herz sowas zu sehen tieqwälerei geht mal gar nicht unglaublich das sowas gezeigt wird
1 Kommentar