The Dead Don't Die – Kritik
In seiner angeborenen Reaktionsträgheit gleicht Jim Jarmuschs The Dead Don’t Die seinen Zombies – und ist immer dann am besten, wenn er am schematischsten ist.

Die Gemächlichkeit, mit der sich die Untoten im klassischen Zombiefilm durch die Welt der Lebendigen schieben, ist in einem undefinierten Bereich zwischen kinetischer Bewegung und Stillstand angesiedelt. Sie ist weder Ruhe und Ewigkeit noch dramatische Veränderung und lebendig fortschreitende Zeit – eine Dynamik also, die den inneren Rhythmen des Erzählkinos zuwiderläuft. Der Reiz von Zombiefilmen besteht oft darin, auf welche Art diese Spannung zwischen Medium und Sujet aufgelöst wird – was seit den 2000er Jahren oft dadurch geschah, dass der Rhythmus der Zombies jenem des Films einfach angeglichen wurde, in Form der „manischen“ Untoten in Filmen wie etwa in World War Z (2013).
Teilnahmslose Schludrigkeit
The Dead Don’t Die wählt nun genau den entgegengesetzten Weg: Jim Jarmuschs Cannes-Eröffnungs-Film ist vom ersten Moment an getragen von einer ausgestellten Behäbigkeit und einer wie angeborenen Reaktionsträgheit – er folgt bereits einem zombiehaften Takt, lange bevor der erste Untote auf den Straßen der ruhigen Kleinstadt Centerville zu sehen ist.

Diese Mattheit, die jede Art der Dramatik von vornherein aushebelt, ist besonders zu Beginn ganz wirkungsvoll. Da streift der Film ziellos durch das Twin-Peaks-artige Städtchen, folgt den beiden Polizisten Ronnie (Adam Driver) und Cliff (Bill Murray) auf einem Routineeinsatz, begegnet allerlei Menschen, deren genau Verbindung in der Schwebe bleibt – und alles ist geprägt von einer unaufgeregten Friedlichkeit, die unmittelbar gespenstisch wirkt. Doch bald mehren sich die apokalyptischen Vorzeichen: Berichte über eine durch menschliche Hand verursachte Verschiebung der Erdachse verbreiten sich, die Tage werden unerklärlich länger, und als großes Crescendo steigen schließlich die Toten aus ihren Gräbern, um ein paar Bissen Lebendfleisch zu konsumieren.

Aber je reicher der Film an äußeren Ereignissen wird, desto mehr erscheint sein vermeintlich gelassener, bewusst undramatischer Rhythmus als teilnahmslose Schludrigkeit. The Dead Don’t Die ist voll mit halben Ideen und mit Situationen, die kurz angerissen und dann fallen gelassen werden, noch bevor sie irgendeine Wirkung erzielt haben. Man muss es schon unmittelbar amüsant finden, wenn Iggy Pop als Zombie auftaucht oder wenn Adam Driver in einem grellroten Smart Cabrio angedüst kommt – denn mehr als das Auftauchen und das Andüsen gibt es in dem Film nicht. Man kann das Lakonie nennen oder Verweigerungstaktik, aber selbst die Verweigerung wäre ja noch eine Geste, und für bewusste Gesten scheint Jarmuschs Film keine Geduld oder keine Energie zu haben.
Schützende Hände der Gesetzmäßigkeit

The Dead Don’t Die vertraut allzu sehr auf seinen vermeintlichen Charme – dabei ergeben sich die paar gelungenen Pointen des Films allein aus der Tatsache, dass Komik oft ein rein mechanisches Unterfangen ist: Wenn mehrere Figuren unabhängig voneinander genau dieselben Sätze von sich geben, wenn eine Figur auf mehrere gänzlich unähnliche Situationen mit genau demselben Ausspruch reagiert (ein tief empfundenes „Igitt!“), dann wirkt das ganz unmittelbar und unweigerlich komisch – und man befindet sich in den schützenden Händen einer unpersönlichen Gesetzmäßigkeit. The Dead Don’t Die ist somit am besten, wenn er am schematischsten ist. Sein Drang nach Individualität dagegen läuft beständig ins Leere, oder eher: ihm geht schon nach wenigen Metern die Luft aus. Lediglich Tilda Swinton und Tom Waits bringen in kleinen Nebenrollen genug eigene Persönlichkeit mit (oder erinnern zumindest ausreichend prägnant an frühere Rollen und Auftritte), um die grob skizzierten Figuren und Situationen mit etwas Eigenleben zu füllen.

Wohl um sich den Anschein einer Struktur zu geben, flüchtet sich Jarmuschs Film schließlich in eine Reihe ermüdender Meta-Anspielungen („Woher weißt du das?“ – „Ich habe das Drehbuch gelesen.“) – und vor allem in eine Sozialkritik, die zwar durchaus ernst gemeint scheint, die aber allein dadurch wie eine Parodie wirkt, dass sie um ein paar Jahre oder Jahrzehnte aus der Zeit gefallen ist. So trägt etwa der örtliche Rassist ein rotes Käppchen, dessen Schriftzug schon nicht mehr „Make America Great Again“, sondern „Keep America White Again“ ist. Natürlich ist es kein Fehler, drastisch zu sein oder die Dinge beim Namen zu nennen – aber hier denkt der Film, seine satirische Arbeit sei durch das bloße Zeigen der Kappe schon getan, dabei würde sie damit eigentlich gerade erst anfangen.
Wer sehnt sich schon nach einem Game Boy?

Auch dass Zombies ein Spiegelbild unserer gedankenlosen Konsumgesellschaft sind, gehört fast so fest zum Genre wie der Umstand, dass sie nur durch einen Kopfschuss zu töten sind. Folglich werden sie in The Dead Don’t Die getrieben von dem Verlangen nach jenen Dingen, die sie schon zu Lebzeiten begehrt haben: nach Kaffee, nach ihren Smartphones, nach Antidepressiva. Aber über den Hinweis auf diese Parallele zwischen Lebenden und Untoten hinaus weiß Jarmuschs Film mit dieser Idee kaum etwas anzufangen – und so lässt er sie auch schnell wieder fallen, sobald er die Zombies wieder als völlig willenlose Fressmaschinen braucht. „Wir alle sehnen uns nach dem nächsten Game Boy“, wird an einer Stelle mit großer Emphase geraunt, obwohl sich schon seit mindestens zehn Jahren kein Konsument, der etwas auf sich hält, nach einem Game Boy gesehnt hat. In Momenten wie diesen erscheint das zombieartige Wesen von Jarmuschs Film nicht als eine Erweiterung der eigenen Möglichkeiten in der Konfrontation mit etwas durch und durch Fremdem, sondern nur als ein Klammern an vergangene Zeiten. Der Film befindet sich in einer Welt, die nicht mehr die seine ist – und weiß damit nicht anders umzugehen, als planlos vor sich her zu stapfen.
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