The Creator – Kritik
Ex-Soldat sucht Superwaffe und Familie: Gareth Edwards Sci-Fi-Epos The Creator kennt nur zwei mögliche Umgänge mit Künstlicher Intelligenz – komplette Auslöschung oder vollständige Akzeptanz.

Wie Menschen sehen die Künstlichen Intelligenzen in Gareth Edwards Sci-Fi-Epos The Creator aus. Wie Menschen mit einem Loch quer durch den Kopf statt Ohren zwar, aber doch wie Menschen. Und sie sehen nicht nur so aus, sie verhalten sich auch wie wir, oder tun zumindest so: trauern, lachen, schimpfen, Tote begraben. Wie diese Künstlichen Intelligenzen auf den Planeten gekommen sind, wird zu Beginn in einer kurzen Montagesequenz abgehandelt. Edwards zeigt die Vorgeschichte seines Films in verwaschenen Fernsehnachrichtenaufnahmen, die jahrzehntealt aussehen, aber bereits Zukunftsbilder zeigen – zumindest für uns fleischliche Erdbewohner*innen im Jahre 2023. The Creator spielt dann in den 2070ern, gefühlt übermorgen.
Westlicher Imperialismus gegen östlichen Einklang

Die Gestrigkeit der Bilder setzt von Anfang an den Ton: dass es vom Menschen fast ununterscheidbare KIs gibt, ist in diesen neuen 70ern Schnee von gestern, und eigentlich ist es auch schon heute logische und unaufhaltsame Entwicklung, suggeriert der Film: „You can’t beat AI. It’s evolution.” So geht es in den folgenden zweieinhalb Stunden nicht um die Frage, ob, sondern wie KI, also um den Umgang mit ihr, wofür der Film zwei Optionen anbietet: In der westlichen Creator-Welt sind die Robotermenschen seit einem KI-ausgelösten Nuklearwaffenunfall verboten, die USA haben es sich obendrein zum Ziel gemacht, alle KIs weltweit militärisch auszulöschen. Diese werden sowieso nur noch in Ostasien hergestellt und laufen auch nur noch dort in Harmonie mit Mensch, Tier und Blume umher. Westlicher Skeptizismus/Imperialismus steht asiatischer Technikversessenheit gepaart mit buddhistisch angehauchter Einklangslehre gegenüber.

Zwischen den Fronten befindet sich Protagonist Joshua (John David Washington), ein amerikanischer Ex-Soldat, der vor allem persönliche Motive verfolgt. Bei einer Undercover-Mission hat er durch einen US-Luftangriff Frau und Kind verloren – das denkt er zumindest, bis ihn Jahre später Armee-Vorgesetzte aufsuchen und ihm offenbaren, dass zumindest seine Frau doch noch lebt. Grund genug für Joshua, ins Kriegsgebiet zurückzukehren, um den „Creator“ der KI, der eine Superwaffe entwickelt haben soll, aufzuspüren. Doch eigentlich ist sein Ziel die Wiederherstellung des eigenen Familienglücks, das in kitschig-paradiesischen Rückblenden gezeigt wird: schwangere Frau in weißem Kleid, Sandstrand, alles war schön und nichts tat weh.
Barbarische Krieger, niedliche Roboter

So nachvollziehbar die Konzentration auf das Persönliche einer Hauptfigur dramaturgisch sein mag, sie untergräbt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem KI-Thema. Natürlich wünscht man Joshua sein Familienglück, das er in der erwähnten Superwaffe zu finden scheint – diese tritt nämlich in Gestalt eines extrasüßen Kindes auf, als Substitut für Joshuas gestohlene Vaterschaft. Spätestens hier positioniert sich der Film: Ob ein Schauspieler eine humane oder robotische Figur verkörpert, spielt höchstens im Hinterkopf eine Rolle – die dargestellten Emotionen wirken gleich. Mehr noch: Die menschlichen US-Milizen werden vermehrt als barbarische Krieger porträtiert, die nicht davor zurückschrecken, einem Artgenossen das Gesicht abzuschneiden. Die wenigen personalisierten Roboter hingegen sind freundlich bis niedlich und sagen Sätze wie „We only want to live in peace“ (ausgenommen sind hier die Polizei-KIs, die Stormtrooper-ähnlich maskiert auftreten und zuhauf zu Elektromüll geballert werden, ohne mit der Wimper zu zucken).
Die präsentierten Optionen sind also eng gefasst: entweder ein westlicher Bekehrungsfeldzug, der auf der ganzen Welt herumbombt, um noch den letzten Roboter „abzuschalten“, wie es heißt, oder eben die volle Befürwortung der KI als neue Evolutionsstufe – dazwischen scheint nichts möglich, narrativ und bildlich disqualifiziert der Film erstere Möglichkeit sowieso als hirnrissig und brutal.
KI-Kind als einzige Hoffnung

Edwards Bilder rufen dabei immer wieder Vietnam-Assoziationen hervor: Der amerikanische Tod kommt von oben, bei den gezielten Bombardierungen weit weg von zuhause wird auf zivile Opfer keine Rücksicht genommen, asiatische Kinder und Künstliche Intelligenzen werden dann gleichermaßen beim Bibbern vorm nächsten Luftschlag gezeigt. Tatsächlich geht The Creator für eine US-Produktion ziemlich hart mit der eigenen Politik ins Gericht – auch die Scheinheiligkeit, die der Film der Army vorwirft, ist unübersehbar: Denn auch auf amerikanischer Seite wird massenhaft KI verwendet, hier kommen Roboter als Selbstmordattentäter zum Einsatz – die Militärtechnik dient nur dem Töten. So scheint es, als sei The Creator weniger ein Film über Künstliche Intelligenz als eine Kritik an außenpolitischen Militärinterventionen.

Bemerkenswert ist, dass sich The Creator schließlich vor allem zu Toleranz und Akzeptanz den KIs gegenüber auffordert. Da geht es am Ende, anders als bei Marvel, James Bond und Co. nicht etwa um das Fortbestehen der Menschheit, zu verhinderndes Szenario ist stattdessen die Auslöschung der Roboter im humanen Pelz. Fragen wie die, ob KI-Emotionen statt kalten Nullen und Einsen tatsächlich echt sein können, werden irgendwann links liegengelassen. Stattdessen kullert Superwaffen-Kind Alphie mit den großen Augen – wer da die Nase rümpft, ist offensichtlich ein Unmensch.
Endgültig problematisch wird diese Haltung in der Heiland-ähnlichen Darstellung ebenjener Alphie, die mehr Superheldin als Superwaffe ist – eines Tages wird sie qua Gedankenkraft die Technik der ganzen Welt kontrollieren können. Der Film befürwortet diese Machtbündelung in einer KI, Alphie muss um jeden Preis geschützt werden, sie ist die einzige Hoffnung, die US-Bombardierung und damit den Tod Tausender zu stoppen. Ein süßes KI-Kind oder Massenmord: Vieles an The Creator scheint die Zuschauenden zur KI-Akzeptanz drängen zu wollen.
Medley der letzten Sci-Fi-Highlights

Schon im Vorfeld wurde Edwards Film als Rückkehr zum originellen Sci-Fi-Werk gepriesen. Das ist insofern verständlich, als dass The Creator kein x-ter Franchise-Titel ist, und doch über bombastische Schauwerte und vor allem ein beeindruckendes Produktionsdesign verfügt. Allzu originell ist vieles dennoch nicht, über große Strecken wirkt der Film wie ein Medley erfolgreicher Science-Fiction Filme der letzten Jahrzehnte. Dass der amerikanische Held sich mit dem Feind verbündet, während seine Heim-Armee allzu unsensibel Mensch, Nichtmensch und Natur niedermäht, erinnert stark an Avatar (2009), die zerstörerische Luftwaffenstation ebenjener Armee samt narrativem Ziel ihrer Zerstörung ist eine Variante des Todessterns aus Star Wars, Hans Zimmer hanszimmert wie eh und je vor sich hin, und die Familien-Idyll-Bilder Joshuas lassen Inception (2010) noch einmal aufleben. Dass beim Creator dabei Künstliche Intelligenzen den Platz von Stormtroopern, Sith, Na’vi und Co. einnehmen, ist am Ende auch nicht so wichtig.
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Kommentare
Stefan
Ich teile alles in dieser Kritik. Der Film sieht toll aus, dafür, dass er vergleichsweise günstig war - was vermutlich auch daran lag, dass man auf die großen teuren Schauspieler verzichtet hat. Aber das Gesellschaftskonzept in Neu-Asien wird sehr einseitig beleuchtet - wie funktioniert Politik, werden Polizei-Roboter bezahlt? Und nach welchen Kriterien wurden die KI programmiert? Mir wird KI zu einseitig, fast schon plakativ positiv dargestellt.
Erzählerisch ist The Creator leider nicht sehr kreativ. Diese Geschichte wurde schon so oft erzählt. Da denke ich nicht nur an Avatar, sondern an Oblivion, an I, Robot, an District 9. Und die kamen alle ohne den Kitsch-Faktor aus, der sich in The Creator immer weiter steigert. Der Film bietet leider wenig, um KI-Skeptiker zu überzeugen, dass die Menschheit eben nicht durch eine KI vernichtet wird (Terminator rückt näher), sondern durch sich selbst.
Ich habe mich gut unterhalten gefühlt, der Film ist auch spannend. Er hat einen attraktiven Umgang mit althergebrachten Kino-Erzählstrategien, geht aber selten neue Wege - Freunde, die man aufsucht, dürfen nicht weiterleben, nachdem sie ihren Zweck erfüllt haben, das lässt mich mit den Augen rollen. Und der Tiefgang in Sachen KI hat mir gefehlt.
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