The Boss of It All – Kritik

VoD: In seinem neuen Film spielt Lars von Trier mit dem Genre der Komödie.

The Boss of It All

Auf den ersten Blick vermag sich sein neues Werk inhaltlich nicht recht in sein Œuvre einzureihen. Bisher beschäftigte sich der dänische Regisseur meist mit sozialkritischen Stoffen und brach mit etlichen filmischen Konventionen. Gemeinsam mit vier anderen dänischen Filmemachern unterzeichnete von Trier das Manifest Dogma 95 und distanzierte sich damit entschieden von einem gesellschaftlich entfremdeten Effekt-Kino. Seine Filme bringen den Zuschauer in moralische Konflikte, führen ihm sein eigenes Gesellschaftsbild vor Augen und zwingen zu einer Auseinandersetzung.

Doch gleich zu Beginn von The Boss of It All verbittet sich der Regisseur derartige Vorgänge. „This film won’t be worth one moment of reflection“, lässt er uns aus dem Off wissen. „It’s a comedy, and harmless as such. No preaching or swaying of opinion. Just a cozy time.“ Kein typischer von-Trier-Film also, sondern eine belanglose Komödie? Das könnte man meinen und in gewisser Weise hätte man sogar Recht. Der Film erzählt eine schwarzhumorige Geschichte und lässt seine Figuren dabei als groteske Karikaturen des Büroalltags erscheinen.

The Boss of It All

Seit Jahren gaukelt IT-Unternehmer Ravn (Peter Gantzler) seinen Mitarbeitern die Existenz eines ihm übergeordneten Chefs, dem „Boss of it all“ vor, den er für alle unbequemen Unternehmensentscheidungen verantwortlich macht. Als Ravn die Firma an einen isländischen Investor (Friðrik Þór Friðriksson) verkaufen will, besteht dieser darauf, dass der „Boss of it all“ den Vertrag persönlich unterschreibt. Deshalb engagiert Ravn den arbeitslosen Schauspieler Kristoffer (Jens Albinus), der für die Isländer den großen Boss spielen soll. Kristoffer sieht sich allerdings eher als Bühnenkünstler, denn als Instrument des Unternehmers und gefährdet damit das ganze Projekt.

In seiner äußeren Form steht The Boss of It All in der Tradition der minimalistischen Filme Lars von Triers. Die hart gezeichneten Bilder der Handkamera wirken vollkommen ungefiltert, beinahe asketisch. Auch die Inszenierung beschränkt sich auf das Wesentliche. Wie in einem Kammerspiel lässt von Trier seine Protagonisten fast ausschließlich vor der gleichen Kulisse, dem Inneren eines langweiligen Bürogebäudes, auftreten. Wie bereits in Dogville (2003) und Manderlay (2005) reflektiert der Off-Kommentar die Erzählung und schafft dadurch immer wieder Distanz zum Geschehen. In The Boss of It All kommentiert von Trier jedoch nicht nur den Plot, sondern spricht auch formale Merkmale und die Deutung des Films an. Dadurch wirkt er auch über die inhaltliche Ebene hinaus wie ein auktorialer Erzähler.

The Boss of It All

Von Beginn an ist man geneigt, in der Erzählung zumindest eine kleine Kapitalismus- oder Globalisierungskritik auszumachen: Kaltblütiger Unternehmer verkauft seine Firma inklusive Mitarbeitern an noch kaltblütigere Investment-Heuschrecke und betrügt dabei beide mit einem falschen Firmenchef. Doch diese Deutung prallt sowohl an den durchweg sympathischen Figuren als auch an der absurden Geschichte ab. Selbst Unternehmer Ravn, der seine Mitarbeiter aus rein persönlichen Bereicherungsmotiven und nicht aufgrund systemischer Zwänge hinters Licht führen will, kann einem, wie von Trier ihn zeichnet, höchstens leidtun. Auch er eignet sich nicht als Projektionsfläche für antikapitalistische Ressentiments. Alle Charaktere sind so gnadenlos überzeichnet, dass dem trierschen Ensemble zum Schluss kein Funken Ernsthaftigkeit mehr abzugewinnen ist. Moralische Konflikte werden höchstens angedeutet aber nicht ausführlich verhandelt.

The Boss of It All

So entsteht der Eindruck, als habe Lars von Trier mal eben eine Büro-Posse à la The Office (seit 2001) aus dem Ärmel geschüttelt und in einer kleinen Fingerübung mit dem für ihn neuen Genre experimentiert. Tatsächlich funktioniert The Boss of It All vortrefflich als schwarze Komödie. Doch weckt eben diese leichtfüßige Form, gepaart mit der ständigen expliziten Distanzierung des Regisseurs von jedwedem tieferen Sinn seines Films großes Misstrauen. Gerade indem Lars von Trier eine Reflexion des Stoffes eingangs so explizit nihiliert, zwingt er den Zuschauer förmlich zu einer Auseinandersetzung. Von Trier konfrontiert ihn mit seinen eigenen Erwartungen und deutet, damit er diese bis zum Schluss aufrecht erhält, gerade ausreichend Anknüpfungspunkte an. Am Ende bietet er jedoch keine Ebene für eine schlüssige Reflexion, sondern führt die Erzählung vollkommen ad absurdum. Würde von Trier nicht nur aus dem Off zu hören sein, könnte man wahrscheinlich sein Schmunzeln sehen.

Der Film steht bis 31.12.2023 in der Arte-Mediathek.

Neue Kritiken

Trailer zu „The Boss of It All“


Trailer ansehen (1)

Neue Trailer

alle neuen Trailer

Kommentare

Es gibt bisher noch keine Kommentare.






Kommentare der Nutzer geben nur deren Meinung wieder. Durch das Schreiben eines Kommentars stimmen sie unseren Regeln zu.