Stripped to Kill – Kritik
Ein Serienkiller, der einen experimentellen Tanzfilm stört: Katt Sheas jetzt auf Blu-Ray erhältlicher Low-Budget-Reißer Stripped to Kill (1987) beruft sich auf eine geschlechtliche Arbeitsteilung, erzählt dabei aber wunderbar unordentlich von der Unordnung, die ihr zugrunde liegt.

Der erste Eindruck legt nahe, dass Sex und Gewalt die Reize sein werden, derer sich das Regiedebüt von Katt Shea bedienen wird. Der Titel des Films Stripped to Kill (1987) trägt die Marker bereits im Namen, die von Postern und Trailer noch mal unterstrichen werden. Und auch der Plot macht mit: Polizistin Cody Sheenan (Kay Lenz) ermittelt undercover in einem Stripteaseclub, nachdem eine dort arbeitende Tänzerin brutal ermordet wurde. Bis zu dem Zeitpunkt, wenn sie den Serienmörder des Films stellt, wird dieser drei Morde begangen haben, von denen zwei explizit zu sehen waren. Zum gleichen Zeitpunkt liegt die Anzahl der ausführlich präsentierten Auftritte in besagtem Club allerdings bereits im zweistelligen Bereich. Der Psychokillerplot ist nämlich nicht der Mittelpunkt, sondern der Angreifer, der einen fast schon experimentellen Tanzfilm zunehmend kapert.
Anthologie der Möglichkeiten erotischen Tanzens

Für die erste knappe Stunde des Films ist dieser von Frauen bestimmt, die auf einer Bühne tanzen, und von Männern, die drumherum sitzen. Der Dualismus der Geschlechter, der den gesamten Film durchzieht, steckt in diesem Bild. Einmal sind da Frauen, die sich selbst inszenieren. Mal stehen ihre Körper und/oder deren Beherrschung (Flickflacks werden geschlagen, an Stangen hängend der Schwerkraft getrotzt usw.) im Mittelpunkt, mal die Fähigkeit, mit einfachen Requisiten und Bewegungen die Fantasie anzuregen, mal die einfallsreichen Bühnenarrangements, wenn plötzlich Arme aus einer schwarzen Wand mit leuchtendweißem Spinnennetz kommen und nach der Tänzerin greifen. Hier und da werden Miniaturen aus dem Alltag des Lebens der Damen eingeflochten, aber diese bleiben nur Randbemerkungen in einer knappen Anthologie der Möglichkeiten erotischen Tanzens.

Auf der anderen Seite der Geschlechtergrenze geht es deutlich trostloser zu. Sheas Film schrammt schon fast an die dystopischen Qualitäten von Café Flesh (1982), diesem Porno, der den Erlösungsversprechen, die sein Genre eine Zeit lang begleiteten, einen galligen Spiegel vorhielt. In der nahen Zukunft habe dort die meisten Menschen zwar noch einen herkömmlichen Sexualtrieb, doch Sex selber verursacht ihnen Übelkeit. So begeben sie sich in ins „Café Flesh“, schauen anderen dabei zu, wie sie das ausleben, was sie selber nicht können, und quälen sich damit. Auch in Stripped to Kill befinden sich die Zuschauer in Greifnähe zur Befriedigung ihrer Begierden und doch sind sie von einer unsichtbaren Mauer von ihr entfernt. Versuchen sie die Mauer zu durchbrechen, indem sie sich den Tänzerinnen nähern, werden sie, wie es im Englischen so schön heißt, zu Creeps. Akzeptieren sie die Trennung, dann verbleiben sie als impotente Trauerklöße. Der wie in einer griechischen Tragödie eingesetzte Soundtrack, der während der Tanzeinlagen das Geschehen als Chor kommentiert, spricht vom Bierbauchpublikum, vor das diese Frauen ihre Perlen werfen.
Befreiung vom Untergebuttertwerden

Diesen von Frauen bestimmten Teil des Films steht ein männlich konnotierter entgegen. Auf narrativer Ebene erzählt die Mördersuche von einer Frau, die etwas mehr Selbstbestimmung erlangt. In den Lumpen einer Obdachlosen wird Detective Sheenan eingeführt. Diese Kleider sind zwar die Verkleidung eines Undercovereinsatzes, aber doch sehr treffend. Denn vornehmlich wird Sheenan gegenüber der penetranten Besserwisserei eines Kollegen gezeigt, dem sie kaum etwas entgegensetzt. Greg Evigan spielt diesen aufschneiderischen Detective Heineman ganz offensiv als Mickey Rourke-Stand-in, der mit seinem zuckersüßen Lächeln seine Machospielchen als Geschenk an die Frauen verstanden wissen möchte. Der Weg von der äußeren wie inneren Verwahrlosung zu einem selbstbewussten Stripauftritt, der ihre individuellen Schwächen gekonnt inkorporiert, ist für Sheenan auch die Befreiung vom Untergebuttertwerden.

Am Ende trifft sie auf einen misogynen Täter, der neben seiner männlichen Identität auch als Frau auftritt. Es ist ein Umstand, der auch so gelesen werden kann, dass der Mann die Frauen aus seiner Welt entfernt und dann noch ihre Position einnimmt. Es wirkt wie das finale Statement des Mansplainings, das Stripped to Kill durchzieht. In ihm materialisiert sich das Narrativ, das – wie eigentlich alle Männer in diesem Film – am Rand sitzt, darauf wartet, gewaltsam in eine weibliche Welt eindringen zu können und dieser seinen Willen aufzudrängen.
Verunordentlichte Männerphantasien

Dort also ein Tanzfilm, der gar nicht daran interessiert ist, etwas zu erzählen, hier der Thriller, der in seinem Drang, genau dies zu tun, die Tanzeinlagen irgendwann ganz verdrängt. Hier Frauen, die narrativ weggeschoben werden, dort eine Frau, die sich vom Einfluss eines Mannes lösen muss. Hier ein versumpfender Film, der nicht zufällig an einem Ort spielt, der „Rock Bottom“ heißt – was offensichtlich Tiefpunkt bedeutet, aber auch als knackiger Arsch interpretiert werden kann. Da wo Showgirls (1995) seinen Glanz in scharfe Klingen verwandelt, herrscht hier erdiges, schlammiges Gewährenlassen. Und dort eben ein etwas schäbigerer Vorläufer von Miss Undercover (2000), in dem eine Frau lernt, zu sich selbst zu stehen.

Diese Dualität scheint fast schon lehrbuchhaft aus Klaus Theweleits Männerphantasien entnommen, wo die psychologische Gleichsetzung von Männlichkeit mit phallischen und klaren Strukturen und von Weiblichkeit mit Emotionen, Sümpfen und Wasser dargestellt wird. Das Schöne von Stripped to Kill ist nun eben, dass er nicht in dieser Dualität aufgeht, sondern mit ihr spielt, dass diese beiden Welten inszenatorisch und dramaturgisch aufeinanderprallen dürfen. In einem seiner genialsten Einfälle schneidet der Film von Sheenan und Heineman, die sich küssend auf dem Boden wälzen und der Konvention entsprechend zueinander gefunden haben, zu einem gefrusteten Morgen nach einer Nacht, die doch nicht die himmlische Vereinigung brachte. Die Liebe scheint sich nicht einfach verwirklicht zu haben, es bleibt kompliziert. Und so übernimmt das Narrativ den Film, das Verwaschene, Schleppende, Unebene und Unklare wird er damit aber nicht los. Und damit schafft es dieser unterbudgetierte Reißer, verspielt und unordentlich von Vielfalt und Unordnung zu erzählen.
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