Rosen blühen auf dem Heidegrab – Kritik

Neu auf DVD: Wind überm Moor, Schatten auf Mauern, überall emotionale Kälte und Irrsinn. Die Geistergeschichte Rosen blühen auf dem Heidegrab (1952) räumt auf mit Heimatfilm-Klischees und wirft einen Blick auf ein dunkles Deutschland, in dem etwas grundlegend nicht stimmt.

Nachts sind sie alle verbunden: die Liebenden im Moor oder auf dem Jahrmarkt, die Leute, die sich an der Straßenecke unterhalten, die Psychopathen, die anderen die Reifen aufstechen und ihrem (potenziellen) Vergewaltigungsopfer überall hin folgen. In Wolken entweicht ihr Atem nach Ende des Tages gut sichtbar Mund und Nase. Augenfällig ist es kalt und klamm. Die Menschen tragen so auch ihren Teil zu den allgegenwärtigen nächtlichen Nebelschwaden bei. Und wenn wir kurz etwas romantisch sein wollen, sind es aber auch Leben und Seele, die langsam und unbemerkt aus den Körpern gesogen werden.

Nach keinen fünf Schnitten ein Triebtäter

Dem Ruf nach entwerfen Heimatfilme harmonische Parallelwelten, in die sich vor der Realität flüchten lässt. Rosen blühen auf dem Heidegrab (1952) räumt sehr schnell mit solchen (ohnehin zu oft zu kurz greifenden) Klischees auf. Die Namen des Vorspanns stehen über der Heide im Himmel. Auf ebendieser erscheinen kurz darauf Arbeiter, eine Radfahrerin, und nach keinen fünf Schnitten sind wir bei einem Triebtäter (Hermann Schomberg als Dietrich Eschmann) angekommen, der sich aus den Büschen am Wegesrand schält. Er wird die Radfahrerin (Ruth Niehaus als Dorothee Aden) anhalten, sie bedrängen und sie gegen ihren Willen an sich pressen. Nur die Gegenwart einer Passantin wird Dorothee vor den Pranken und dem massigen Körper retten, denen sie physisch nichts entgegensetzen kann. Dass dies kein gutes Ende nehmen wird, ist von Anbeginn offensichtlich.

Dorothee liebt den Architekten Ludwig (Armin Dahlen), und der Film wird sie in einigen glücklichen Momenten begleiten. Aber diese bilden lediglich das Zentrum einer Belagerung. Bauer Eschmann verzehrt sich nach Dorothee. Immer wieder wird er ihr auflauern, sie verfolgen, sie an sich reißen, sie anflehen, seinem Willen nachzugeben. In seinen Augen völliges Unverständnis, warum er nicht bekommt, was er möchte. Seine letzte Zügelung ertränkt er im Alkohol. Er ist eine tollwütige Naturgewalt, die alle terrorisiert, so wie das alles übertönende Gebell seines Hundes, als Ludwig ihn zur Rede stellt und es zu Schlägerei kommt.

Zugleich Gletscher und Vulkan

Eschmann wird Dorothee aber nicht nur leibhaftig überallhin verfolgen. Wenn sie sich mit Ludwig trifft, wird sie ihn immer wieder vorm inneren Auge sehen. Durch Überblendungen und Match Cuts wird er eins mit den Büschen, dem Wasser und einer Theateraufführung. Er wird Sinnbild eines Deutschlands, das bei Erscheinen des Films 1952 wohl so einige dunkle Echos beim Blick in die Natur und auf das eigene Kulturgut finden konnte. Sinnbild dafür, dass etwas grundlegend nicht stimmt.

Dorothees Eltern sind auf Eschmanns Seite, da sie auf dessen opulenten Hof schielen und ihre Tochter an ihn verheiraten wollen. Sein Wahnsinn ist ein offenes Geheimnis, mit dem sich in gänzlicher Abwesenheit der Staatsmacht arrangiert wird. Mit seiner Magd Fiete (Gisela von Collande) verbindet Eschmann eine Amour fou – sie liebt ihn, obwohl sie ihn und seine Verachtung hassen müsste, und er hasst sie, weil er ihren Körper und ihre Wärme braucht, solange er nicht das Objekt seiner Begierde hat. Überall findet sich emotionale Kälte und Irrsinn. Und immer wieder wird es Dorothee zu einem Stein ziehen, der an eine gewisse Wilhelmina erinnert, die ihren Vergewaltiger während des Dreißigjährigen Krieges ins Moor und in den Tod führte. In der entsprechenden Rückblende wird auch sie von Ruth Niehaus gespielt. Zweifel werden nie aufkommen: Am Ende von Dorothees Pfad durch diese Welt, die zugleich einem Gletscher und einem Vulkan gleicht, wartet die Wiederholung der Geschichte.

Ein Schnaps, um den Schrecken nicht ins Auge zu blicken

Rosen blühen auf dem Heidegrab erzählt dies nicht als Melodrama oder naturalistisches Sittenbild, sondern als Geistergeschichte, als Gothic Horror. Unnatürliche Lichter strahlen aus den Wäldern – Regisseur Hans H. König wird es in Jägerblut (1957) wiederverwenden, die Heimat besitzt bei ihm nicht nur hier etwas Außerirdisches. Der Wind weht vielsagend durch das Moor und seine Sträucher. Lange Schatten streichen über Mauern. Die Blicke gehen immer wieder ins Leere. Die Schauspieler laufen hölzern, wie hypnotisiert durch eine bedrängende Leere. Und selbst scheinbare handwerkliche Unsauberkeiten kommen der bedrückenden Stimmung zugute. Wenn die Kamera einmal an Dorothees Mutter (Hilde Körber) heranfährt, dann verursacht sie einen geradezu schicksalsträchtigen Schatten auf ihr. Ruth Niehaus wird einmal jemanden neben der Kamera fokussieren. Alle, die sich gerade mit ihr im Raum befinden, sind aber im Bild zu sehen. Eine bedrohliche Präsenz scheint allgegenwärtig – selbst wenn Eschmann und seine Abbilder abwesend sind. Ein Wirt und ein Handelsvertreter werden punktuell für witzige Zwischentöne sorgen. Um die Gespenster in den Ecken zu vertreiben, wie ein Schnaps, wenn den Schrecken wieder nicht ins Auge geblickt werden kann.

Heimatfilme haben oft etwas von Western: der Jäger als Sheriffersatz, die Weite der Natur. Hier gibt es weder Jäger noch Weite, Klaustrophobie beherrscht den Film. Das Ergebnis ist dann vielleicht nicht sehr subtil, aber auf eine morbide Weise wunderschön. Wildrosen auf einem Grabstein als Frucht von Suizidgedanken, Atemwolken als Zeichen, dass den Figuren, wie gehabt, scheinbar das Leben entweicht.

Rosen blühen auf dem Heidegrab ist aber nicht nur ein dunkelromantisches Meisterwerk, sondern auch die Befreiung von dessen zeitgenössischen Implikationen. Die Heide, die Heimat, das Land scheinen zwar verloren, aber die Stadt, die größtenteils eine irreale Rückenprojektion während einer Autofahrt bleibt, bringt mit Ludwig den Retter und mit seiner funktionalen Architektur den Hoffnungsschimmer einer Zukunft. Eine Zukunft, in der es keine Reichswasserleichen mehr geben muss.

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