Rebecca – Kritik
Der übermächtige Schatten der Vorgängerin: Mr. de Winters neue Ehefrau fühlt sich auf seinem Anwesen wie ein Fremdkörper. Im Remake von Hitchcocks erstem US-Film Rebecca setzt Ben Wheatley auf Nahbarkeit und klare Fronten.

In der neuen Verfilmung des Romans von Daphne du Maurier befindet sich hinter der Tür zum Schlafzimmer Rebeccas eine Spiegelinstallation. Wie ein Vorhang umschließt sie die Eintretenden und umringt sie unendlich mit ihren eigenen Spiegelbildern. Es ist ein klaustrophobischer Ort, in dem es nichts als die Reflexion des Selbst gibt. Auch auf die Hauptfigur, die neue Ehefrau von Maxim de Winter (Armie Hammer), dem Witwer von Rebecca, richten sich unzählige Augen, als sie die Räume ihrer Vorgängerin betreten möchte. Räume, die tabu scheinen und wie Heiligtümer instandgehalten werden. Und wie ein Schutzmechanismus wirkt diese Installation, wie für die neue Mrs. Winter (Lily James) erdacht, um ihre ohnehin schon überhandnehmenden Minderwertigkeitskomplexe zu Terror zu verdichten.
Überall prangt ein großes „R“

Die schüchterne junge Frau, die nie einen eigenen Namen erhalten wird, lernt in Monte Carlo Maxim de Winter kennen und lieben. Nach nur einer Woche heiraten die beiden. Auf Manderley, dem Herrschaftssitz der de Winters, angekommen, fremdelt sie aber mit der steifen, straff geregelten Umgebung. Von Maxim allein gelassen, streift sie als Fremdkörper umher und fühlt sich zunehmend isoliert. Vor allem liegt aber ein riesiger Schatten auf ihr: Die vor einem Jahr verunglückte Rebecca ist an allen Ecken des Anwesens zu spüren. Nur unter vorgehaltener Hand wird über sie gesprochen, aber Freunde, Verwandte und Bedienstete werden nicht müde, die umwerfende, unvergleichliche Frau zu erwähnen. Überall prangt ihr Name oder zumindest ein großes „R“. Für die ziemlich gewöhnliche neue Mrs. Winter nährt der ständige Vergleich die Frage, ob sie einem Mann von Adel genügen kann. Wodurch sie an der Möglichkeit des Fortbestands ihres kurzen Glückes (ver-)zweifelt.

Würde die unsichere Frau nicht vor dem brennenden Starren ihres Über-Ichs aus den Spiegeln zurückschrecken und den Blick erwidern, würde sie vielleicht erkennen, dass es ihre Augen sind, die sie quälen, dass sie die sie verfolgenden Gespenster selbst erst erschafft und ihnen Macht über sich gibt, dass Rebeccas Räume, deren Schönheit und Anmut sie bestaunt, nicht zufällig in ziemlich leblosen und kalten Farben gehalten sind.

Rebecca spürt diesem Einschließen in die eigenen Ängste nach, schiebt der Frau aber nicht die Schuld zu. Vielmehr geht es um die Dynamik, die sich am deutlichsten im Klassengefüge im riesigen Gebäudekomplex offenbart. Auf der einen Seite die weitläufigen, geschmacksicher ausgestatteten, aber leeren Räume der Herrschaft, auf der anderen Seite die engen, kargen und überrannten Gänge des Personals. Und zwischendrin eine Frau aus dem verarmten Bürgertum, die in Dienern nicht Unterstellte sieht. Die immer wieder die Grenzen zwischen den beiden Reichen überschreitet und als einfache Frau in den prunkvollen Hallen wie als Mrs. de Winter in der Küche fehl am Platz ist.
Eine der heiligsten Kühe der Filmgeschichte

In den Spiegeln und deren vervielfachenden Fähigkeiten veranschaulicht sich aber auch das größte Problem. Denn Rebecca schafft es zwar in seinen besten Momenten, impressionistisch und ungezwungen dahinzuschreiten, versteift sich aber zu sehr darauf, Dinge zu absoluter Klarheit zu multiplizieren. Handelt Maxim in Monte Carlo und während der Flitterwochen fast ausschließlich mit Zuneigung, dreht er seiner Frau in seinem Heim nur noch den Rücken zu, schließt Türen hinter sich oder starrt sie angewidert an. Mrs. Van Hooper (Ann Dowd), bei der die junge Frau in Monte Carlo Gesellschafterin ist, ist eine lediglich verabscheuungswürdige Figur, die schon vor Manderley die Komplexe ihrer Angestellten schürt. Mrs. Danvers (Kristin Scott Thomas), die Chefin des Personals in Manderley und Racheengel Rebeccas, bekommt gleich mehrere Gelegenheiten, ihre Intriganz zu unterstreichen. Und Mrs. de Winter zweifelt und leidet und martert sich selbst. Immer und immer wieder. Alleine, unter Beobachtung, während einer Feier. Im Schatten und im Licht. In Jetztzeit und in Montagen. Das Gleiche wird doppelt und dreifach unterstrichen. Nuancen und Zwischentöne werden völlig ausgelassen. Rebecca tritt auf der Stelle, orientierungslos und aufdringlich zugleich.

Als zweite Verfilmung des Romans handelt es sich bei Rebecca auch um das Remake des ersten in den USA realisierten Films von Alfred Hitchcock. Dieser zählt zwar nicht zu den populärsten und zentralsten Werken des Regisseurs – gerade auch weil er selbst große Probleme mit dem von Produzent David O. Selznick beeinflussten Endprodukt hatte –, und doch handelt es sich bei dem Werk um eine der heiligsten Kühe der bisherigen Filmgeschichte.
Eine Metameditation

War der alte Film an einem effizienten Fluss der Dinge und düsterer Romantik interessiert, an Manderley als feindlichem Wunderland, da ist der neue darauf aus, Ornamente in Herrenhaus, Landschaft und Vogelflugformationen ins Bild zu rücken, während er ansonsten überdeutlich und wenig gelenk erzählt. Die Differenz zwischen Laurence Oliviers und Armie Hammers Maxim de Winter steht exemplarisch für die Identitäten der beiden Filme. Die von Olivier interpretierte Figur ist ganz Aristokrat: sachlich, auf Form bedacht und sadistisch. Armie Hammers Version gleicht schon eher der Bürgerlichkeit seiner Frau und ist ungezwungen, nahbar und weit weniger charismatisch.

Wenn Rebecca in beiden Versionen als Justizthriller und Schulddrama endet, dann ist das bei Hitchcock ein Stimmungswechsel in zwar ambivalente, aber auch sehr gediegene Sphären, wo die Herrschenden ganz brüderlich zusammenhalten. 2020 gibt es Autohetzjagden, totgelatschte Spannungstropen und zwei sich offen entgegenstehende Fronten. Spätestens hier wird deutlich, dass Ben Wheatley, Regisseur der neuen Version, kaum eine Gelegenheit auslässt, um sich von Hitchcocks Film zu unterscheiden. Vielleicht wird die neue Version aber ein wenig spannender, wenn man sie wie eine Metameditation darüber betrachtet, dass ein Film, der von einer Frau handelt, die von einem übermächtigen Vorbild verfolgt wird, von einem übermächtigen Vorbild verfolgt wird.
Den Film gibt es bei Netflix.
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