On the Rocks – Kritik

Laura (Rasheda Jones), mit Crackern, Kaviar und Vater (Bill Murray) bewaffnet, spioniert ihrem untreuen Ehemann hinterher und versucht ihren verschiedenen Rollen gerecht zu werden. Sinnbildlich knallt dafür in Sofia Coppolas On the Rocks ein Staubsaugerroboter immer wieder gegen die Wand.

Wer bei On The Rocks an Whisky mit Eiswürfeln denkt, liegt bei Coppolas siebtem Spielfilm nicht vollkommen falsch. Auch diese Szenen gibt es, die einen unweigerlich an Lost in Translation (2003) zurückdenken lassen. Auch 17 Jahre später ist Bill Murray wieder mit an Bord und einem guten Tropfen nicht abgeneigt. Aber: On The Rocks bedeutet umgangssprachlich auch so viel wie „in die Brüche gehen“ – und das trifft Coppolas neuen Film durchaus im Kern.

Laura (Rashida Jones) und Dean (Marlon Wayans) sind ein junges Paar, verheiratet, zwei Töchter, Großstadtleben in New York City. Während Dean auf seiner beruflichen Erfolgswelle reitet, regelt Laura den Haushalt, kümmert sich um die Kinder und versucht, ganz nebenbei, ein Buch zu schreiben. Dass hier die Rollen ganz schön ungleich verteilt sind, ist nicht zu übersehen. Als sich dann noch ein paar Ungereimtheiten in Deans Verhalten abzeichnen, schöpft Laura Verdacht, dass er eine Affäre haben könnte. Doch statt der direkten Konfrontation sucht sie lieber den Rat ihres Vaters Felix (Bill Murray). Prompt steht Daddy Cool auf der Matte, und ein rasantes Detektivspiel nimmt Fahrt auf, um Deans vermeintliche Untreue zu beweisen.

Es geht um Arterhaltung“

Da sitzen sie also zu zweit im knallroten Alfa-Romeo-Oldtimer, Vater und Tochter, mit Kaviar, Crackern und einem Fernglas bewaffnet, und starren aufs nächtliche New York. Dass dieses Observations-Spielchen jedoch mehr nach dem Gusto von Felix ist und weniger der Moral von Laura entspricht, ist offensichtlich. „Könntest du bitte etwas weniger begeistert sein? Es geht hier schließlich um mein Leben, das gerade zu zerbrechen droht“, muss ihn Laura an den Ernst der Lage erinnern, als Felix immer neue, hanebüchene Pläne schmiedet, wie sie Dean nachstellen könnten. Während die Situationen, in denen Vater und Tochter versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen, immer schräger werden, kontrastiert Coppola in den beiden Figuren gesellschaftliche Konventionen und Geschlechterklischees. Mann und Frau, aktiv versus passiv. „Kann ein Mann jemals mit einer Frau zufrieden sein?“, fragt Laura. „Es geht um die Arterhaltung“, sagt Felix. „Es muss sehr schön sein, du zu sein“, entgegnet ihm Laura sarkastisch.

Mit dem konsequenten Fokus auf ihre zumeist weiblichen Hauptfiguren geht es Coppola um deren Emanzipation – im Kino, in der Gesellschaft, in der Familie, in Partnerschaften – und nicht zuletzt auch in Beziehung zu sich selbst. Die Regisseurin erzählt stets von Figuren, die in einem Konflikt mit ihrem Inneren und dem Äußeren stehen und dabei existenzielle Kämpfe austragen. Auch die Motive von Laura, sich auf die Beweisjagd nach der Untreue ihres Ehemanns einzulassen, sind von emotionaler Ernsthaftigkeit getrieben: Es geht um Eifersucht, Attraktivität, Erwachsenwerden und Erwachsensein, um Bestätigung und Selbstzweifel, Verlust- und Versagensängste – und um die Frage nach Selbstbestimmung, in einer Zeit, in der für Frauen theoretisch alles möglich ist, praktisch jedoch nicht – selbst im wohlsituierten Großstadtleben New Yorks.

Jedoch inszeniert Coppola diesen Plot nicht als Trauerspiel, sondern vermischt auch in On The Rocks Elemente des Dramas mit solchen der Komödie. Dieser dramaturgische Mittelweg erlaubt es ihr, die Dinge auf die Spitze zu treiben; in jedem Witz steckt auch immer eine Erkenntnis. Allerdings lehrt sie uns mit On The Rocks nicht unbedingt viel Neues. Eher scheint sie uns daran erinnern zu wollen, dass man mit etwas Drive den Herausforderungen des Lebens besser begegnet. Dass wir selbst die Veränderung seien, nach der wir uns sehnen: „Take my advice, make your mistakes“, wie die Band Phoenix als freundschaftlichen Zuspruch im Abspann verkündet.

Eine Serie weiblicher Porträts

Laura wird in On the Rocks zu einer Art Projektionsfläche der modernen Frau: Mutter, selbstständige Autorin, Großstädterin, Ehefrau. Die Schwierigkeit, zwischen all diesen Rollen zu manövrieren, bringt sie in einem Satz auf den Punkt: „Ich bin diejenige, die immer planen muss.“ Coppola zeichnet hier einmal mehr eine Figur, die verloren ist, die nur noch im Laufrad der Gesellschaft funktioniert. Ein Sinnbild hierfür ist der Staubsaugerroboter, der neben der erschöpften Laura ins Schlafzimmer fährt, seine Richtung verliert und unermüdlich gegen die immer gleiche Stelle an der Wand knallt. Diesen emotionalen Zustand, der einen zerfressen kann, zeigt Coppola in ihrem melancholisch eindringlichen Stil und Filmbildern von fast malerischer Qualität: Laura alleine auf dem Bett, alleine auf ihrem Schreibtischstuhl im Büro, auf einem Sofa könnte ein Motiv für eine Serie weiblicher Porträts sein. Es sind diese Momentaufnahmen, die eine große Leere und Einsamkeit transportieren. Lauras Emanzipation zurück zu sich selbst wird dabei in leisen Tönen erzählt. Während Felix immerzu eine Melodie pfeift, bekommt Laura keinen Ton heraus. Peu à peu lernt sie jedoch, in Begleitung ihres Vaters, selbst zu pfeifen. Und findet so ihre Stimme.

Den Film kann man auf Apple TV+ streamen.

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