Metropolitan – Kritik

MUBI: Coming of Age, Taking the Cab. Von einem, der nicht auszog, die Urban Haute Bourgeoisie kennenzulernen, und trotzdem nicht umhinkam. Über Whit Stillmans Debütfilm Metropolitan.

Ein bisschen ist es am Ende wirklich so, als hätte man gerade einen irgendwie großen Roman gelesen. Das liegt auch am Schlussbild, nach einem wunderbar augenzwinkernden Showdown mit einem tollen Bösewicht namens Rick Van Sloneker. Ganz woanders, weg aus Manhattan, irgendwo am Meer. Die Übriggebliebenen: Tom, Audrey, Charlie. Das Bild friert ein. We’ve come a long way (in just a couple of days).

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Dass Tom (Edward Clements) überhaupt bereit ist, einen dreistelligen Betrag zu zahlen, um mit dem Taxi aus New York heraus ans Meer zu fahren, das hätte sich der notorische Cab-Verweigerer noch ein paar Tage zuvor nicht träumen lassen. Aber inzwischen ist (oder wohl eher: war) er Teil des Sally Fowler Rat Packs, eines der liebenswertesten Besserwisser-Upper-Class-Freundeskreise, die die Welt je gesehen hat. Und er hat erkannt, dass er Audrey Rouget (Carolyn Farina) mag und dass man manchmal ein Taxi braucht.

Ein Fourierist auf Abwegen

In der ersten Szene von Whit Stillmans Debütfilm Metropolitan hat Tom ohnehin kaum eine Wahl: Nick (Chris Eigeman) bedeutet ihm barsch, mit seiner Crew ins Taxi einzusteigen, weil er denkt, sie hätten es Tom vor der Nase weggeschnappt. Das Kino schreibt doch die schönsten Zufälle. Oder kein Zufall? Von einer „escort shortage“ ist schließlich bald immer wieder die Rede, was dort, wo Tom gerade hineingerät, etwa so viel bedeutet wie akuter Männermangel.

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Wo Tom dann so hineingerät, das ist die soziale Welt der jungen New Yorker Oberschicht, in der junge Damen in Begleitung auf Debütantinnenbälle gehen (und deshalb Escorts brauchen) und die Charlie (Taylor Nichols) später UHB taufen wird: Urban Haute Bourgeoisie. Klingt nicht nach dem Traumumfeld eines bekennenden Fourieristen. „You look down on people who take cabs“, hält Nick Tom eine etwas andere Art von Standesdünkel vor. Wo Tom da so hineingeraten ist, dämmert ihm langsam, ist vor allem eine reichlich selbstreflexive Version der Urban Haute Bourgeoisie.

„You don’t have to read books to have an opinion.“

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Mittlerweile hat Stillman eine veritable Jane-Austen-Verfilmung hingelegt, schon sein Debütfilm ist ein Werk in ihrem Geiste. Vor allem Audrey ist ein Fan. Als Tom – der aus Prinzip keine Romane liest, sondern nur Literaturkritik, weil er dann zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt – über die Merkwürdigkeit von Austens Zeit referiert, gibt sie zurück: „Hast du dich schon mal gefragt, ob unsere Zeit aus ihren Augen nicht noch viel merkwürdiger erscheinen dürfte?“

Ist Metropolitan also genau das? Ein Blick auf Manhattan aus der Perspektive des 19. Jahrhunderts? Aber Stillman mimt nicht den Besucher von einem fernen Planeten. Er beobachtet die UHB nie distanziert, sondern stets involviert. Lässt sie höchstens an ihren eigenen Ansprüchen scheitern, niemals an den Vorgaben des Films. Und ständig darüber quatschen, in diesen grandios geschriebenen, und zwar wirklich geschriebenen Dialogen. Die Figuren also immer souverän, nie neurotisch. Haben Meinungen, keine Eigenschaften.

I would prefer not to play ...

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Das Spiel mit quasi-aristokratischen Konventionen: Debütantinnen, Escorts, Bälle. Es gibt ein Kino, das diese Konventionen im Namen von Eigentlichkeit anprangert und sich anschickt, seine Figuren daraus zu befreien. Darum geht’s hier freilich nicht. Der Imperativ der Aufrichtigkeit kann ebenso viel Schaden anrichten. Das ahnt Audrey schon, als das alberne Partyspiel gerade erst vorbereitet wird, das ihr kurzzeitig das Herz brechen wird. Der Verlierer muss eine Frage schonungslos ehrlich beantworten, und dann wird Tom nach seinen romantic interests gefragt, und er redet nur über seine Ex und erwähnt nicht diejenige, mit der er über Jane Austen diskutiert. Wären sie mal beim Bridgespiel geblieben, diesem Bourgeoisie-Klischee. „That’s why I play it. I don’t enjoy it a bit“, sagt Nick.

Doomed to Failure

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Es ist Charlies große These, dass die Urban Haute Bourgeoisie zum Scheitern verdammt ist. Ein random guy in einer Bar widerspricht vehement, als die traurigen Reste des Sally Fowler Rat Packs noch einen trinken gehen wollen. Gescheitert sei er ja selbst, aber „doomed to failure“? Nun wirklich nicht. Es gebe ja Leute, die’s schaffen. Ganz schön depressing. Und dann steht auch noch Fred (Bryan Leder), der die ganze Zeit eher so dabei war und eher wenig gesagt hat, vom Tisch auf und verlässt mit einem geradezu heroischen Abtritt die Szene. Es ist wohl tatsächlich vorbei.

Aber was war das nun? Nur ein paar Tage in den Weihnachtsferien, ein bisschen Erwachsenwerden, neue Freunde, die sich schon bald wieder in die Nacht verabschieden, von Sally Fowlers Sofa der ewigen After-Parties verschwinden, und am Ende sind nur noch die Ratten übrig, während andere aus der alten Clique auf einmal Dates haben und ihr Leben leben. „What’s a date? Sounds like something from the fifties“, sagt Charlie, und klingt dabei wirklich ein bisschen wie jemand aus dem frühen 19. Jahrhundert, der über die Zukunft nur verwundert mit dem Kopf schütteln kann.

Den Film kann man sich bei MUBI ansehen.

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