Metal Lords – Kritik
Netflix: Die besten Teeniekomödien handeln genauso von ihren Figuren wie von den Menschen, die sie schauen. Metal Lords wirft einen nuancierten Blick auf drei Highschool-Außenseiter, die auf eigene Faust eine Subkultur ergründen.

Kevin (Jeaden Martell) weiß nicht ganz, worauf er sich eingelassen hat, als er von seinem besten Freund Hunter (Adrian Greensmith) als Drummer für seine zweiköpfige Post-Death-Metal-Band „Skullfucker“ rekrutiert wird. Von Metal versteht er eigentlich nichts. „Vielleicht geht es um Macht, oder um Widerstand“, erzählt er im Voice-over, „oder um Jeans, Motorräder, Geschwindigkeit oder den Teufel.“
Zwischen Black Sabbath und Highschool Jocks

Kevin und Hunter sind Außenseiter aus dem Bilderbuch, den regelmäßigen Pausenrempler von breitschultrigen Football-Jocks inbegriffen. Hunter sucht seine Nische, indem er obsessiv Gitarre spielt, Plateaustiefel trägt und alle von sich stößt, die nicht die gesamte Diskografie von Judas Priest kennen. Kevin ist sich noch nicht so sicher, wer er ist. Eines Tages kündigt die Schule den diesjährigen „Battle of the Bands“ an. Ein dortiger Sieg wird für die beiden Nerds das Sprungbrett aus den Torturen des Schulalltags und geradewegs in den Metal-Olymp, da ist sich Hunter sicher. Ein Problem gibt es aber: Ihnen fehlt ein Bassist. Bald lernt Kevin die schöne Emily (Isis Hainsworth) kennen, eine Cellistin mit Wutproblemen aus der Parallelklasse. Neben dem harten Wettbewerb stellt nun die aufflammende Liebe zwischen Kevin und Emily die Band auf eine harte Probe.

Wer mit dem Genre der Teen-Buddy-Komödie vertraut ist, kann sich den Verlauf von Metal Lords ganz automatisch weiterspinnen. Der Film unter der Regie von Peter Sollett und aus der Feder von D. B. Weiss (bekannt für seine Arbeit an Game of Thrones, 2011–2019) bewegt sich zielsicher von einer Genre-Checkbox zur nächsten – fast stoisch in seiner Formtreue, von den leicht versauten, aber gut verdaulichen Gags bis zum Hauptcast, der eine Spur zu alt für die Rollen wirkt. Trotzdem spielt Metal Lords durch eine tolle Chemie zwischen den Schauspieler*innen und ein offenkundiges Verständnis des Autors für die Nuancen der Subkultur (Weiss schöpft aus seinen persönlichen Jugenderfahrungen in verschiedenen Highschool-Bands) oft genug die richtigen Riffs, um nicht sofort von der Bühne gebuht zu werden.

Am wohlsten fühlt sich die Komödie in der Netflix-Auswahlliste tatsächlich irgendwo zwischen Superbad (2007) und American Pie (1999f.) – nur mit deutlich abgeschliffenen Kanten. So wird etwa die ikonische schwarz-weiße Leichenbemalung des Black Metal, der in seiner Kulturgeschichte nicht unpolitisch war, zu schrulligem Nerd-Gedöns einer seichten Coming-of-Age-Geschichte umgedeutet. Zu einfach macht es sich das Drehbuch außerdem mit den chronischen Depressionen Emilys. Wir lernen sie kennen, als sie in einem pointierten Wutanfall ihren Musiklehrer zusammenfaltet und ihre Klarinette zum Wurfspeer umfunktioniert. Echte Konsequenzen hat ihre Affektstörung aber nur, wenn sie einen Lacher hier, ein bittersüßes Seufzen dort erzeugen soll. Im Umgang mit psychischen Krankheiten sind auch viele Mainstreamfilme mittlerweile etwas weiter.
Subkulturen im digitalen Zeitalter

Zum Glück schafft es die Komödie aber streckenweise, durch Kevin, Hunter und Emily einen nuancierten Blick auf das Selbstverständnis dreier Metal-Novizen zu werfen. Hat in School of Rock (2003) Jack Black seiner Schulklasse den Geist des Rock ’n’ Roll eingeflößt, indem er sie zu kleinen Jack Blacks umerzog, ergründen hier die Teenager den Heavy Metal auf eigene Faust, dafür aber durch die Filterblase des Internets. Dass in dieser Aneignung auch Widersprüche stecken, wird pointiert aufgegriffen. Hunter zum Beispiel stylt sich mit langen Haaren und Nietenwesten als Rebell – er schießt gegen seine Mitschüler, gegen den Lehrkörper, gegen die musikalische Mainstream-Sülze der konkurrierenden Ed-Sheeran-Coverband, und finanziert währenddessen das teure Drumset der Band, indem er die Kreditkarte seines reichen Vaters (Brett Gelman) benutzt. An anderer Stelle verpasst Hunter sich im Spiegel ein schwarzweißes Corpse-Make-up, während er dem Tutorial einer blumigen Make-up-Influencerin folgt. Hier und da finden sich kleine Seitenhiebe gegen die Kommodifizierung von Subkulturen, gegen den Konflikt zwischen Genre-Purismus und einer amorphen, alles absorbierenden Konsumkultur. Wirklich weit geht das nicht, aber vielleicht gerade weit genug, um lesbar zu sein und sich zugleich nicht als Algorithmusfutter des weltgrößten Streamingdienstes selbst infrage zu stellen.
Wohlfühlen im Gewohnten

Teeniefilme wie Metal Lords sind so etwas wie filmische Instant Ramen. Die handlichen Häppchen sind verpackt in farbenfrohe Plastikhüllen, der Geschmack ist verstärkt. Vielleicht spendet die glutamathaltige Suppe Wärme, vielleicht ruft sie auch Erinnerungen hervor. Die besten Teeniefilme handeln genauso von ihren Figuren wie von den Menschen, die sie schauen. Wer also in der Unterstufe alte Band-Shirts und H&M-Fedoras für ein modisches Statement hielt, wird sich unweigerlich in einem Hunter wiedererkennen, der seine Identität zwischen Metallica-Postern und Manowar-Memorabilien sucht.
Und darin ist Metal Lords letztlich erfolgreich. Dank eines durchweg tollen Casts können wir die Figuren als junge, nervöse Avatare unserer selbst begleiten, ihnen in konstruierten Momenten, die sich zwischen Austauschbarkeit und Allgemeingültigkeit bewegen, Trost und Mut zusprechen. Werden sie erfolgreich beim Wettbewerb teilnehmen? Natürlich! Werden Kevin und Hunter ihren Streit beilegen und wird ihre Freundschaft sich festigen? Ohne Zweifel! Das muss so sein, weil ihre Jugend eine revisionistische Projektionsfläche unser eigenen ist. Das obligatorische Finale: ein freundlicher, aber routinierter Stirnkuss, um die Unsicherheiten unserer vergangenen Jugend für einen Moment ruhen zu lassen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
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