Max Manus – Kritik
Vom Sinn des Kämpfens: Mit dem Biopic um den norwegischen Widerstandskämpfer Max Manus demonstrieren Joachim Rønning und Espen Sandberg das Zerbrechen eines Helden am Mechanismus des Krieges.

Die Wiederentdeckung von nationalen Ikonen erfährt in letzter Zeit eine gewisse Vitalisierung. Nachvollziehbare Helden vor verifizierbar historischem Handlungshintergrund sind als Identifikationsträger im Unterhaltungskino gerade in hoch wertinstabilen Zeiten gefragter denn je. So liefert der Rückgriff auf Sujets des Zweiten Weltkriegs ein starkes Rezeptionspotential: Mit der Betrachtung historischer Figuren und ihres antizyklischen Kampfs gegen das systemische Böse lassen sich auch Fragen der moralisch-ethischen Verantwortung des Einzelnen aus zeitgenössischer Sicht stellen.
So näherte sich Marc Rothemund in Sophie Scholl – Die letzten Tage (2005) dem Widerstandsthema vor allem emotional und erteilte dem deutschen Bildungsbürgertum mit gefälliger ideologischer Geradlinigkeit Absolution für das Versagen während der Nazizeit. In Bryan Singers Verschwörungsthriller Operation Walküre (Valkyrie, 2008) um den Hitler-Attentäter Stauffenberg, war der Held ein genretypischer Tatmensch in einer recht wankelmütigen Verschwörertruppe. Die Ambivalenz der sekundären Handlungsträger, ihr Zaudern und Zweifeln brachten den Widerstand auf Augenhöhe mit dem zeitgenössischen Publikum. Dieser Ambivalenz zwischen Tat und ihrer moralischen Rechtfertigung ging zuletzt auch Ole Christian Madsens Widerstandsthriller Tage des Zorns (Flammen & Citronen, 2008) nach, in welchem zwei dänische Untergrundkämpfer reihenweise Kollaborateure exekutieren, jedoch an den ethischen Widersprüchen ihres Handelns zugrunde gehen.

Der ambivalente historische Held zeitgenössischer Prägung ist auch Gegenstand von Joachim Rønnings und Espen Sandbergs (Bandidas, 2006) groß angelegtem Biopic um den norwegischen Untergrundkämpfer Max Manus, das zeitgleich mit Madsens Film entstand.
Gelungen ist dabei ein Genrestück, das zwischen CGI-basiertem Actionspektakel und überzeugender Charakterzeichnung eine spannungsreiche Balance zu halten vermag. Das leider einzige Drehbuch des nur 28-jährig verstorbenen Autors Thomas Nordseth-Tiller fußt auf zwei autobiografischen Büchern Manus’ und nähert sich der Figur zunächst allein auf der Handlungsebene:
Max Manus (Aksel Hennie) ist ein Mann ohne besondere Eigenschaften. Sein Handeln ist gezeichnet vom grundfesten Glauben an die Richtigkeit seines Tuns. Ob als Freiwilliger im Sowjetisch-Finnischen Winterkrieg 1939 oder als jugendlicher Kämpfer im norwegischen Untergrund, der sich aus der Ohnmacht um die Kapitulation Norwegens im Juni 1940 recht spontan bildet.
Max’ Gruppe, mehr vom Abenteuergeist als von konspirativer Vorsicht geprägt, ist denn auch schnell aufgeflogen. „Was für ein Idiot versteckt schon Sprengstoff unter seinem Bett“, fragt sich berechtigt ein Gestapo-Mann, als Max in seiner Wohnung alsbald verhaftet wird. Um der Folter und somit der Preisgabe seiner Kameraden zu entgehen, hechtet er aus dem Fenster seiner Wohnung im dritten Stock. Vernehmungsunfähig und schwer verletzt landet er vorerst im streng bewachten Krankenhaus. Durch diese mehr irre denn überlegte Flucht wird Manus zur nationalen Legende.

Im Folgenden bleibt Max Manus weitgehend konventionell, folgt linear biografischen Stationen, wie der Flucht in den Untergrund, der militärischer Ausbildung in Schottland bei den Special Forces der Alliierten und Sabotageaktionen in der besetzten Heimat.
Dabei wird die Figur zunächst auf geradezu propagandistische Höhe gehoben – ein geradliniger, königstreuer, patriotischer Kämpfer. „Wer, zum Teufel, gibt schon das Trinken mitten im Krieg auf?“ – fragt sich berechtigt ein britischer Kommandeur, als Max die Einladung zum Brandy ablehnt. Doch diese Typisierung zum Saubermann ist dramaturgisches Mittel, um die notwendige Fallhöhe für einen allmählichen Perspektivwechsel zu schaffen.
Denn mit jeder Aktion steigert sich die Brutalität, mit der der Feind zurückschlägt. Dieser trägt in Gestalt des brutalen Gestapo-Chefs Siegfried Fehmer (Ken Duken; Zweiohrküken, 2009; Inglourious Basterds, 2009) ein skrupellos kalkulierendes und erschreckend jugendliches Antlitz: Fehmer betreibt die Ausrottung des Widerstandes mit der besessenen Passion eines Sportlers. Und je mehr Freunde und Kameraden fallen, desto enger wird der Fokus auf den zunehmend verbitterten Max..

Dessen innerer Konflikt fußt auf der Selbstbezichtigung, den Tod der Kameraden verschuldet zu haben und somit in der aufkommenden Erkenntnis, dass das Einstehen für Kampfesziele und Ideale nicht allein mit Selbstaufopferung bewerkstelligbar ist. Als Max im sicheren Schweden tatenlos zusehen muss, wie Fehmer die im Land verbliebenen Freunde und Helfer nahezu völlig vernichtet, bricht er auf, um auf eigene Faust Rettungs- und Sabotageaktionen zu starten. Antrieb ist nun Verzweiflung nach dem Motto: Lieber im Kampf sterben, als nichts tun. Kameramann Geir Hartly Andreassen visualisiert das Zerbrechen der rissigen Heldenfassade eindringlich, indem er unmerklich von eleganten Hochglanztableaus zur nervösen Handkamera wechselt.
Diese eigentliche Tragik treibt der Film auf die Spitze, als Max nach Kriegsende den inhaftierten Fehmer in der Zelle aufsucht. Fehmer – der Sportler – reicht Max die Hand, um dem Sieger den Respekt zu bezeugen. Manus nimmt an und degradiert sich somit zum bloßen systemischen Antagonisten. Das wirkt banal, manifestiert jedoch die Ambivalenz von Manus’ zerrüttetem Charakter und stellt mithin dessen eigene Positionierung in Frage: Der zur Selbstaufopferung bereite Kämpfer ist bloß ein glücklicher Überlebender im zynischen Mechanismus des Kriegsspiels. Das Bewusstsein, nichts anderes zu können, als zu kämpfen, führt folgerichtig mit Kriegsende auch zum Wegfall des Existenzzwecks und zur Identitätskrise.

Dass diese Wandlung glaubhaft gelingt, liegt vor allem an Hauptdarsteller Aksel Hennie, der seine ruhige Figur nur allmählich aus dem Handlungshintergrund treten lässt. Dabei öffnet sich die Figur nie vollständig, bleiben die Einblicke in die Innenwelt nur bruchstückhaft. Diese letztendlich verunsichernde Undurchsichtigkeit verstärkt die Ambivalenz des Protagonisten und zeichnet ihn weniger in heroischem Format denn als normalen Menschen.
Die relativierende Destruktion des Kämpfers durch den Mechanismus des Krieges vorzuführen ist denn auch die eigentliche Leistung von Max Manus.
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