Mascarpone 2: The Rainbow Cake – Kritik
So messy wie die Liebe: Alessandro Guidas Mascarpone 2 – The Rainbow Cake ist eine dezidiert schwule RomCom, die gerade deshalb funktioniert, weil sie ihren Vorgängerfilm nicht übertrifft.

Wieder steht im Mittelpunkt eine Süßspeise. Oder eher die Leerstelle, an der eine Süßspeise stehen sollte. Im ersten Teil von Alessandro Guidas Mascarpone (2021) befand sich der Mittdreißiger Antonio (Giancarlo Commare) im Kampf mit dem namensgebenden Doppelrahm-Frischkäse, der Hauptzutat der Tiramisu. Der Frischkäse gab ihm wiederum Erkenntnisse über die Liebe und seinen Traum vom Leben, eine Verknüpfung, die schlicht ausgedrückt ziemlich herzerwärmend war. Doch jetzt, drei Jahre später, hat der Frischkäse für den Konditor seinen Zauber verloren. Was er braucht, ist eine neue Inspiration, ein neues Dessert, doch stattdessen hängt er verbissen an der Vergangenheit. „Kann das zweite Mal so schön werden wie das erste?“, ist die leitende Frage in Mascarpone 2 – The Rainbow Cake (2024). Natürlich lässt sich diese Frage auch dem Film stellen. Der spricht deshalb nicht nur über Antonios Identität, sondern auch über seine eigene.
Schwules Genrekino

Mascarpone war ein süßes Stück Genrekino. In der RomCom wurde Antonio von seinem langjährigen Partner mit der plötzlichen Trennung konfrontiert und fand als Bäckereilehrling unter (und auf) dem attraktiven Bäckermeister Luca (Gianmarco Saurino) einen neuen Draht zu seiner Identität als moderner schwuler Mann. Der Film war auch dadurch erfolgreich, dass er bewährte Tropen aus der romantischen Komödie übernahm, doch der Beziehungskiste genug Fußraum für sexuelle Spielfreude und Selbstausdruck abseits der Heteronorm einräumte. Zugleich unterlag das Ganze einem doch eher konservativen Wertebild. So positionierte sich Mascarpone als ein einerseits konventioneller Genre-Beitrag, der nur aufgrund der Sexualität seiner Figuren andererseits eine Art Sub-Genre generierte: eine RomCom in schwul, und dadurch nicht zu verwechseln mit all den anderen RomComs. Der Pride-Zusatztitel der Fortsetzung reiht sich in diese Strategie ein.
Nach dem Tod ihres gemeinsamen Freundes Denis sind Antonio und Luca im ersten Teil getrennte Wege gegangen. Antonio hat sich mittlerweile als Konditor eine beachtliche Social-Media-Karriere aufgebaut, aber sein Wunsch nach Liebe und Nähe bleibt unerfüllt. Eines Abends kommt aber Luca, der mittlerweile mit seinem neuen Partner Tancredi (Andrea Fuorto) in einer queeren Wohngemeinschaft arbeitet, einfach so in Antonios Geschäft geschneit. Gepackt von Eifersucht und Ehrgeiz versucht Antonio, Luca wieder an sich zu binden und Tancredi ins Abseits zu befördern.
Zwanglosigkeit weicht Scham

Zuerst einmal ist es fast schade, dass Antonios Beziehung zum Backen zwangsweise zu einer Professionalisierung führen muss. Wenn er außerdem mit Luca über ihre intimen Erlebnisse mit dem verstorbenen Denis sprechen, steht dies nicht mehr im Zeichen der ehemaligen Zwanglosigkeit, sondern wird schamvoll als „dunkles Geheimnis“ der beiden behandelt. Monogamie und Enthaltsamkeit sind hier wieder die Norm, genauso wie ein fester Beruf die Konsequenz einer handwerklichen Leidenschaft ist.
Guidas Fortsetzung ist in mancher Hinsicht starrer als der Vorgänger, Konflikte wie Antonios eifersüchtige Intrigen sind recht konstruiert; den Figuren wird einerseits mehr Gehässigkeit und andererseits mehr Leichtgläubigkeit auf den Leib geschrieben, um der Eskalation zu dienen. Der Film bekommt dadurch den Anstrich einer Seifenoper.

Wenn Regisseur Guida neue Facetten der queeren Gemeinschaft darstellt, wie hier in Lucas’ Wohngemeinschaft, bedient er sich eher der üblichen Symbole, die Fernsehen und Werbung sich mittlerweile angeeignet haben. Regenbogenfahnen tapezieren die Wände, die Jugendlichen voguen gemeinsam im Vorgarten, die Eröffnung einer Bäckerei wird mit einer Drag Show begangen. Weiter in die Tiefe einer queeren Kultur geht der Film nicht und die Bewohner*innen bleiben größtenteils namenlos, während Ansätze der Darstellung einer tatsächlichen Community von einer verstärkten Gehässigkeit und Eifersucht der schwulen Figuren konterkariert werden.
Zucker und Butter
Und trotzdem ist dies eine gelungene Fortsetzung, nur eben auf eine andere Weise. Antonios emotionale Reise endet, indem er endlich ein eigenes Dessert kreieren muss, anstatt sich an seinen alten Tiramisu-Rezepten festzuhalten. Dass das große Meisterwerk, das er schließlich symbolreich aus alten Backüberresten herstellt, weder sonderlich raffiniert noch appetitlich aussieht, aber trotzdem von allen als Durchbruch gefeiert wird, lässt sich als eine Metapher für den Film selbst lesen. Das Autor*innen-Duo aus Guida und Gaia Marianna Musacchio erzählt ja selbst von der Unmöglichkeit, die Fortsetzung so gut wie das Original werden zu lassen. Jedoch muss man zuerst am Versuch scheitern, um zur Reife der Erkenntnis zu gelangen. Gerade dieses Dilemma behandeln die beiden mit einer sympathischen Dringlichkeit. Das giftig blaue Törtchen am Ende steht dadurch für Antonios Versuch, aus Altem etwas Neues zu schaffen – zusammengewürfelt, klebrig, doch geschaffen aus Leidenschaft. Die Backüberreste werden mit der Zeit alt und trocken, deswegen muss man mit Fett und Zucker dagegenhalten. So setzt sich auch die Ästhetik des Films zusammen.

Hier in der Fortsetzung sind die budgetären und handwerklichen Einschränkungen des Films noch offensichtlicher geworden, während der Maßstab gewachsen ist. Die Schauspielenden begehen und verlassen die Szenen oft etwas staksig und gezwungen. In sterilen Sets und etwas zu zaghafter Kameraführung werden die Milieus von Social-Media-Stardom und Römischen Brennpunkt-Stadtteilen mehr oder minder glaubwürdig behauptet. Die sperrige Künstlichkeit des Films gibt jedoch Raum für eine naive Ehrlichkeit. Zwischen intriganter Gehässigkeit und breitem Melodram ist Mascarpone 2 dann fast so messy, so auf der Suche nach den richtigen Worten, wie sich die Liebe manchmal anfühlt, und damit ein unerwarteter Vertreter von gelungenem, queerem Camp. Da wäre es beinahe kontraproduktiv gewesen, wenn die Fortsetzung das Original übertrumpft hätte.
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