Maria am Wasser – Kritik
Eine Geschichte Genesis – oder – ein Mann auf der Suche nach seinen Wurzeln. Doch auch Opferlämmer, Orgelpfeifen und Oratorien versprechen kein Heil.

Nach 20 Jahren kehrt Marcus Lenk (Alexander Beyer) in sein Heimatdorf zurück. Er gibt vor, die Orgel der dortigen Kirche „Maria am Wasser“ restaurieren zu wollen. Niemand erkennt ihn. Vor allem nicht seine Mutter Maria (Marie Gruber), die mit strenger Hand das Waisenhaus „Frohe Zukunft“ leitet. Die Dorfbewohner glauben oder wollen glauben, dass Marcus einst bei einem tragischen Unfall ertrunken ist. Ein mit Kindern beladener Panzer versank in der Elbe. Das ganze Dorf scheint unter einer Decke des Schweigens und der Schuld gefangen zu sein. Doch je weiter Marcus die Orgel Pfeife für Pfeife zusammensetzt, umso mehr bricht die kollektive Lüge der Bewohner auseinander.

Auch in Christian Schwochows Novemberkind sucht ein junger Mensch nach seinen Eltern. Ingas (Anna Maria Mühe) Leben gerät aus den Fugen, als sie erfährt, dass ihre Mutter sie als Baby zurück gelassen hat. Unverzüglich begibt sich Inga auf einen schmerzlichen Weg in die Vergangenheit. Gezeigt werden ihre nächtlichen Motorradfahrten bei eisiger Kälte, ihre Gänge durch die leeren Straßen anonymer Städte sowie ihr suchender Blick auf den Gleisen eines Güterbahnhofs.

Im Gegensatz zu dieser für den Zuschauer nachvollziehbaren Tour de Force bleiben Marcus’ Blicke leer, seine Handlungen unmotiviert. Die Gespräche mit seiner Mutter sind distanziert, die Begegnungen mit seinen potentiellen Vätern wirken in ihrer Kälte und Sperrigkeit skurril, fast schon grotesk. Sowohl in Novemberkind als auch in Maria am Wasser wird die Suche nach den eigenen Wurzeln mit einer Liebesgeschichte verwoben. Doch während in Novemberkind Ulrich Matthes als Robert nicht nur das Schauspiel der Mühe bereichert, sondern auch das Handeln Ingas bedingt, lässt sich Marcus’ Verbindung zu der gleichsam schönen und mysteriösen Alena (Annika Blendl) auf ein rein erotisch aufgeladenes Verhältnis herunter brechen.
Wendrichs erster Langfilm Maria am Wasser nimmt im Gegensatz zu Schwochows Regie-Debüt Novemberkind keine Fahrt auf. Ebenso wie die Waisenkinder 1983 samt Panzer in die Elbe gestürzt sind, fällt auch Wendrichs Geschichte förmlich ins Wasser.
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Kommentare
Monica
... Frau Roesler irrt: Action bsi zum Abwinken spielt anderswo: Dies war ein leiser!ästhetischer Film in entspannender Kulisse mit ansprechenden Akteuren - weder eine Überinterpretation noch Vergleich Novemberkind ist nötig: Einfach nur ein Gengreloser Film, den man immer sehen und hören! kann.
Chrissie
Maria am Wasser ist ein wunderbarer Film, der traurig, heiter, intelligent, spröde, poetisch und klug aufgebaut ist, der Grenzen auf der Landkarte und in den Köpfen seiner Bewohner und Besucher mit der Bilder-und Sprach- Landschaft verwebt.Feine Schauspieler, überzeugend und unprätentiös, mitreißend und distanzierend zugleich. Kein Kopfkino, kein Glamourkino, aber großes Kino für junge und alte, kluge Köpfe.
jury
Wenn man sich nicht entspannen kann, nicht die Zeit nehmen, um einen Film wirken zu lassen, ist man natürlich jenseits von James Bond auf einem Ufer der Unverständlichkeit angelangt.
Wie kann man da eine Kritik verfassen? Indem man den Film mit Symbolen überlädt, die möglicherweise niemals von niemandem intendiert waren.
"Maria am Wasser" ist zunächst mal nicht mehr und nicht weniger als eine Familiengründung nach einer schweren Zeit. Der Schritt von Verdrängung zur Hoffnung.
Es ist ein wunderschöner Film, er spendet Lab für die Seele und Genuss für Augen und Ohren.
Unter den rund 500 Filmen, die ich pro Jahr anschaue, gehört er sicher unter die ersten zehn.
Man
3 Kommentare