Maria – Kritik

Mit Maria vollendet Pablo Larraín nach Jakie und Spencer seine Trilogie über ikonische Frauenfiguren mit Glamour-Faktor. Maria Callas, gespielt vom kongenial gehetzten Superstar Angelina Jolie, bleibt darin ein Rätsel. Nur ihre Stimme ist herzzerreißend.

Ein Film über Maria Callas, das muss natürlich große Oper sein. Pablo Larraín beginnt mit einem Paukenschlag. Wir schauen ins Wohnzimmer eines mondänen Apartments mit Kristallllüstern, alten Gemälden und schweren Vorhängen, während durchs Fenster warmes Herbstlicht fällt. Hinter dem Samtsofa ragen blasse Frauenbeine hervor: Die Diva ist nach einem Herzinfarkt tot zusammengebrochen.

Als die Totenbahre hereingetragen wird, setzt schwermütige Musik ein. Schnitt. In schwarzweißer Großaufnahme singt Maria Callas das herzzerreißende „Ave Maria“ aus Verdis Otello. In Wahrheit sehen wir Angelina Jolie mit dramatisch schwarz umrandeten Augen, auftoupiertem Haar und expressiven Händen, wie sie ihre Lippen zu Callas’ unvergleichlicher Stimme formt. Das macht sie so gut, dass man in diesem Moment tatsächlich die legendäre Opernsängerin vor sich glaubt. Es folgen kurze Clips aus Callas’ öffentlichem Leben: glamouröse Auftritte, jubelnde Fans, drängelnde Reporter, schließlich ein loderndes Feuer im Garten, das die Diva mit ihren kostbaren Kleidern füttert.

Nach diesem dramatischen Prolog setzt die eigentliche Handlung ein: Eine Rückschau auf die letzten Tage von Maria Callas bis zu ihrem Tod am 16. September 1977 in Paris. Die weltberühmte Sopranistin ist 53 und schon seit Jahren nicht mehr aufgetreten. Zurückgezogen lebt sie in ihrer Wohnung in der Nähe des Eiffelturms, wo sie mit Tablettensucht und ihrer schwächelnden Stimme kämpft. Sie schläft bis mittags, wandelt im weißen Morgenrock durch die Räume, sitzt vorm Schminktisch, füttert ihre kläffenden Pudel und träumt von einer Rückkehr auf die Bühne.

Umsorgt wird Maria Callas von ihrem treuen Butler Feruccio (Pierfrancesco Favino) und der Köchin Bruna (Alba Rohrwacher), die zusehends um die Gesundheit ihrer Herrin fürchten. Dass etwas mit Marias Wahrnehmung nicht stimmt, wird klar, als sie erzählt, dass sie nachts Besuch von ihrer großen Liebe Aristoteles Onassis bekommt, der allerdings schon zwei Jahre tot ist. Oder wenn sie mit einem ominösen Reporter plaudert, der Mandrax heißt – wie die Aufputschpillen, von denen sie nicht lassen kann.

Mein Leben ist die Oper. Es gibt keine Vernunft in der Oper“

In Flashbacks sehen wir, wie Maria als junges Mädchen in Athen während des zweiten Weltkriegs für SS-Offiziere singt– und vielleicht auch mehr für sie tun muss –, alles arrangiert von ihrer ehrgeizigen Mutter. Später verlässt die Callas ihren Mann für eine leidenschaftliche Beziehung mit dem griechischen Reeder Onassis . Der heiratet schließlich aber Jaqueline Kennedy, über die Pedro Larraín ebenfalls schon einen Spielfilm drehte.

Jackie (2016) mit Nathalie Portman war der Auftakt seiner Trilogie über ikonische Frauenfiguren mit Glamour-Faktor. 2021 folgte Spencer über Lady Diana mit Kristin Stewart in der Hauptrolle. Und jetzt also “La Divina”. Wieder erzählt Larraín keine chronologische Lebensgeschichte, sondern legt den Fokus auf einen Schlüsselmoment. Bei Maria ist es der Verlust der Stimme, der für die Callas einer Auslöschung gleichkommt.

Marias Tablettensucht sowie ihren zunehmenden Realitätsverlust inszeniert Larraín zunächst nur in Andeutungen. Allmählich vermischt sich die vermeintliche Wirklichkeit immer mehr mit surrealen Episoden. Als die Diva mit dem imaginierten Reporter Mandrax (Kodi Smit-McPhee) durch Paris spaziert, verwandeln sich die Passanten am Trocadéro plötzlich in einen tanzenden Chor, oder ein Orchester spielt im Regen eine wehmütige Passage aus Puccinis Madame Butterfly, während 50 Geishas mit roten Schirmen und Laternen dazu summen.

Paris ist in diesen Szenen postkartenschön. Ebenso wie Angelina Jolie als Callas, die bei allem Leid immer perfekt gestylt wirkt: mal im lässigen 70s-Look mit schwarzem Hut, großer Sonnenbrille und Schlaghosen, mal kühle Grande Dame im Pelz. Die Kamera (Ed Lachman) ist oft ganz dicht dran an ihrem Gesicht. Und doch bleibt Maria ein Enigma, eine unnahbare Frau, die holzschnittartige Sätze sagt wie „Mein Leben ist die Oper. Es gibt keine Vernunft in der Oper“.

Auch die Handlung selbst bietet wenig Überraschungen. Marias Charakterzeichnung entspricht dem Klischee-Bild der unduldsamen, selbstbezogenen Operndiva, die keine Kritik verträgt und im eigenen Leid schwelgt. Teilweise ist zumindest die Opernmusik das pochende, glühende Herz des Films. Larraín weiß um die emotionale Kraft von Maria Callas’ Stimme und baut viele Originalaufnahmen in den Soundtrack ein. Wir hören ihre „süße Stimme“ („Qui la voce sua soave“) aus Bellinis I Puritani-Oper und ihre Signature-Arien aus Cherubinis Medea und Donizettis Anna Bolena. Und zum Schluss natürlich auch noch „Vissi d’arte“ aus Puccinis Tosca als ultimativen Schwanengesang einer todtraurigen Künstlerin vor dem Selbstmord.

Der Panzer wird nicht abgelegt. Interessant, aber nicht ergreifend.

Angelina Jolie, die ja keine klassische Sängerin ist, hat sich für die Rolle sicher gut vorbereitet, in Opern-Libretti vertieft, intensives Stimmtraining absolviert und auch die vielen Originalaufnahmen und Interviews der Callas studiert. Trotzdem bleibt ihre Interpretation maskenhaft. Sie imitiert die Gesten und den Sprachduktus der Opernsängerin, doch der Mensch dahinter wird niemals wirklich greifbar. Und wie glaubhaft ist es, dass eine Frau, die jahrelang hungert, Drogen schluckt und kurz vorm Herztod steht, in jeder Einstellung aussieht wie aus einem Fashion-Shoot für die Vogue?

Vielleicht liegt es am Drehbuch, vielleicht ist Jolie auch eine Fehlbesetzung. Die Rolle des angebeteten, unglücklichen, gehetzten Superstars dürfte sie spätestens seit ihrer bitteren Scheidung von Brad Pitt selbst nur zu gut kennen. Sie schwieg dazu wie eine Sphinx und trug in der Öffentlichkeit einen Panzer aus eiskalter Schönheit. Diesen Panzer scheint sie auch für Maria nicht abgelegt zu haben. So sehen wir eine makellose Angelina Jolie, die versucht, eine gebrochene Maria Callas zu spielen. Das ist interessant, ergreifend ist es aber nicht. Dafür muss man die Augen schließen und “La Divina” singen hören. Das geht allerdings auch ohne den Film.

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