Magic Mike's Last Dance – Kritik

Feuchtfröhlicher Trockensex: Mithilfe des Strippers Magic Mike verwandelt eine Frau ein ehrbares Theater in einen Sündenpfuhl. Steven Soderberghs Film handelt vom Aufschrecken biederer Leute, wehrt sich aber lange selbst gegen zu viel Körperliches.

Zum großen Finale umkreisen, umschlingen und begehren zwei Körper einander auf einer Bühne. Ihre Gesichter gehen immer wieder auf Tuchfühlung mit den Schritten und dem Arsch des anderen. Und nicht zuletzt stoßen ihre Hüften immer wieder aufeinander zu oder reiben aneinander. Doch trotz fallender Hüllen bleiben beide immer noch durch Unterwäsche bedeckt. Die Stoßbewegungen enden vor einem zu intensiven Kontakt. Formvollendet wird eben vorgeführt, worum es bei einem Magic Mike-Film ankommt: dry humping. Nur liegt die ironische wie hochsinnliche Note dieses finalen Tanzes darin, dass es dabei auf die beiden herabregnet. Dass dieser performative Trockensex eben endlos feucht ist.

Saubere, körperlose Melancholie

Relativ spät löst Magic Mike – The Last Dance (Magic Mike’s Last Dance) damit ein, was er einem zuvor ein wenig vorenthielt. Mehr als es ihm guttut, klammert der dritte Film um den Stripper Mike Lane (Channing Tatum) die Freude an nackten, athletischen Männerkörpern in atemberaubenden Bewegungen und aberwitzigen Situationen mit mehr als dankbaren Frauen zugunsten des Geschichtenerzählens aus. Durchaus werden einem Schauwerte und fantasievolle, animalische und überdrehte Tanz- und „Tanz“-Szenen geboten. Aber die Schicksale von im Leben gestrandeten Protagonisten, die Liebesgeschichte im Korsett eines herkömmlichen Tanzfilmplots, das sentimentale Durchsetzen von Freiheit gegen Repression, die saubere, körperlose Melancholie und Euphorie interessieren Regisseur Steven Soderbergh sichtlich zu sehr, als dass er die Tänze gänzlich in den Mittelpunkt stellen könnte.

Erzählt wird von einer exzentrischen Frau (Salma Hayek Pinault als Maxandra Mendoza), die sich mitten in einer Scheidung befindet. Um ihren Mann eins auszuwischen, engagiert sie Mike. Der soll aus dem ehrbaren Theater des Gatten einen Sündenpfuhl machen. Ein Jane-Austen-artiges Beziehungsdrama soll zum Schrecken der Snobs vor Ort in eine kunstvoll choreografierte Stripshow umschlagen. Dafür müssen Beamte der Baubehörde von ihren Beklemmungen befreit werden, die Protagonisten mit sich ins Reine kommen, und es braucht selbstredend nur ein, zwei vom Körper gerissene Kleidungsstücke, um einen Saal voller biederer Leute in ein Mittneunziger-Take-That-Konzert zu verwandeln.

Wunderbar selbstbewusster Kitsch

Dass Steven Soderbergh seinen Film auf Klischees und genretypischen Bausteinen aufbaut, ist dabei ziemlich angenehm. Im Gegensatz zum ersten Magic Mike (2012) sperrt er die Ansätze eines ernsthaften, moralischen Dramas komplett aus. Stattdessen bekommen wir einen luftigen Tanz mit der Hoffnung, die eigene Verklemmtheit zu besiegen und mit sich eins zu werden, sich etwas Zärtlichkeit und Selbstliebe zu gönnen. Es ist Kitsch, aber wunderbar selbstbewusster.

Als Kameramann versteht es Soderbergh, dem Film eine Farbdramaturgie aus Kälte und Glühen mitzugeben, die einen schmerzlich daran erinnert, wie langweilig Color Grading so viele Filme aussehen lässt. Sein Schnitt ist flüssig, pointiert und leichtfüßig. Seine Schauspieler füllen ihre Figuren mit Leben. Und so weiter und so fort. Das Problem ist, wie wohltemperiert das alles ist. Wie bieder und routiniert dieser gekonnte Film ist, der vom Aufschrecken biederer Leute handelt. Der eben viel feuchtfröhliches dry humping bietet, sich mit all seinem Können aber dagegen wehrt, das Körperliche übernehmen zu lassen.

Es fällt schwer, dafür nicht die Schuld bei Soderbergh zu suchen. Gerade weil er sich von 2013 bis 2016 in zwischenzeitlichem Ruhestand befand und sich aufs Malen konzentrieren wollte. Tatsächlich arbeitete er aber einfach weiter wie bisher und führte bei Filmen lediglich nicht mehr selbst Regie. Beim zweiten Film um Mike Lane, Magic Mike XXL (2015), war er dementsprechend auch „nur“ der Kameramann, Cutter und Executive Producer. Da er an den zentralen Stellen beteiligt war, ist schwer zu sagen, wie viel Einfluss und Kontrolle er ausübte. Und doch ist gerade der Film, bei dem er nominell nicht Regie führte, derjenige, bei dem das Lustprinzip völlig übernehmen durfte.

Ins Herz der Enthemmung

Magic Mike XXL war dergestalt nicht weniger als das Apocalypse Now des Male-Entertainer-Road-Movies, den es statt ins Herz der Finsternis ins Herz der Enthemmung zog. Blue Collar Worker eines wenig prestigeträchtigen Unterhaltungssegments reden dort am Lagerfeuer über ihre Träume. Davon, was sie eigentlich machen wollen. Doch sie fahren von Florida in den Nachbarstaat Georgia, nur um in immer entrücktere Parallelwelten vorzudringen. Wobei sie immer wieder ihre Ehre darin finden, dass sie es sind, die sich im Gegensatz zu Ehemännern wirklich um Frauen kümmern – wenn sie aus der Hüfte ihrer Luxuskörper Wasser oder Sahne aus Flaschen und Dosen auf kreischende, endlich von Hemmungen befreite Damen spritzen. Das trug optisch sichtlich die Handschrift eines Soderbergh im vollen Saft seines Könnens, aber es fehlte eben der Hang, den unteren Teil des Körpers mit edleren Gefühlen aufzuwerten.

Magic Mike – The Last Dance bietet nun wieder die klarere Erzählung, arbeitet seine Motive und Emotionen besser heraus, ist weniger grenzwertig und ein wirklich schöner Film, aber dafür auch normaler und sittsamer. Gerade nachdem die Reihe dermaßen ins Jenseitige abgedriftet war, wirkt dieser Film wie ein Rückschritt. Das, was er noch aus der Hüfte zu schießen hat, wirkt dann ein wenig verloren.

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