Leidenschaftliche Blümchen – Kritik
Neu auf DVD: Fünf Internatsschülerinnen gründen zur Entdeckung ihrer Sexualität ein Unternehmen. Leidenschaftliche Blümchen liefert verlässlich entsprechende Schauwerte, interessiert sich aber vor allem für die Unsicherheiten und Ängste der Jugend.

Die erste Einstellung zeigt die Brust einer jungen Frau in Großaufnahme. Langsam fährt die Kamera nach hinten und weitet den Blick auf die Szenerie, in der sich diese befindet. Eine Internatsschülerin sitzt mit nackten Oberkörper vor zwei Freundinnen und einem Poster, das Marlon Brando in Der Wilde (The Wild One, 1953) zeigt. Ihr Arm ist ausgestreckt, und sie wartet darauf, dass dieser endlich einschläft. Sie möchte sich vorstellen, dass es nicht ihre taube Hand ist, die ihre Brust berühren wird, sondern Brandos. Bevor es aber dazu kommen kann, betritt ein Lehrkörper den Schlafsaal, das Mädchen bedeckt sich mit dem Poster, und ihr BH wird von den anderen so gehalten, als würde Brando diesen als Brille tragen. In wenigen Minuten steckt André Farwagis Leidenschaftliche Blümchen damit effizient ab, was den gesamten Film ausmacht.
Männlicher Blick auf Minderjährige

Erzählt wird, klar, von fünf Freundinnen (u.a. Nastassja Kinski als Deborah), die ihre Sexualität entdecken wollen. Im Mädcheninternat finden sich dazu aber nicht viele Möglichkeiten. Das Jungeninternat liegt zwar gleich nebenan, doch scheint es unendlich weit weg. Ein verhindertes Rendezvous, durch das Deborah umsonst eine Nacht im Freien wartet, zeigt zudem auf, mit wie viel Verletzlichkeit die Liebe verbunden ist. Also soll alles auf ein sicheres Fundament ohne große Gefühle gestellt werden. Die Mädchen starten ein Unternehmen, das den Jungs den Anblick und das Berühren ihrer nackten Körper verkaufen soll. Die Jungs reagieren mit der Gründung eines Clubs zum Vorantreiben der Bekanntschaft mit den Mädchen auf eben dieser ökonomischen Grundlage.

Wie sehr dieses Kennenlernen der Geschlechter vom sogenannten männlichen Blick aus gedacht ist, zeigt bereits die entblößte Brust zu Beginn. Und so ziehen sich die jungen Frauen oft aus, um Leidenschaftliche Blümchen die entsprechenden Schauwerte zu verschaffen. Dieser bittere Beigeschmack wird noch dadurch verstärkt, dass vier der fünf Hauptdarstellerin zur Veröffentlichung des Films minderjährig waren. Kinski war 17, Carolin Ohrner 16, Marion Kracht 15 und Fabiana Udenio, zwanzig Jahre später Alotta Fagina in Austin Powers – Das Schärfste, was Ihre Majestät zu bieten hat (Austin Powers: International Man of Mystery, 1997), gerade mal 13.
Übersetzung in Klamauk

Aber die von den Mädchen auch als solche bezeichnete Prostitution, die sie betreiben, wenn sie sich Geld für die jungen Männer ausziehen, entspricht nie der buchstäblichen Bedeutung ihres Geschäftsangebots. Vielmehr hat Leidenschaftliche Blümchen Jugendliche im Blick, die nach einem möglichst schmerzfreien Vorwand suchen, um sich zu treffen. Die nach einem Narrativ suchen, das es aussehen lässt, als wären sie erfahren und hätten die Kontrolle. Die Treffen laufen dann auch nicht auf Sex und eine routinierte Kaufabwicklung hinaus, sondern auf Ahnungslose, die verschämt aufeinandertreffen und nicht viel miteinander anfangen können. Über die Brüste hinaus fokussiert Leidenschaftliche Blümchen eben auch die Unsicherheit der Jugend und die durchdringende Angst, dass andere erkennen könnten, wie ahnungslos man ist. Hinzu kommt der massive Einsatz von weichgezeichneten Bildern. Dergestalt stecken dann je nach Perspektive die nicht gerade unschuldigen Intentionen der Filmemacher oder die verklärte Suche nach einer Unschuld der Jugend in den Bildern.

Leidenschaftliche Blümchen geht es durch die Konzentration auf die jugendliche Unschuld auch nicht um Sex, sondern um das Nichtzustandekommen desselben. Lehrer tauchen auf, Boote kentern, Personen verwechseln sich im Dunkeln: Die Peinlichkeit des Scheiterns übersetzt der Film durchgängig in Klamauk. Er kippt zwar nie vollständig in die Gefilde von Sexklamotten wie den Lederhosenfilmen, der Einfluss ist aber durchgängig spürbar. Wenn Hula-Hoop-Reifen, das laszive Kreisen von Hüften und der zur Zeit der Handlung noch nicht in den Mainstream vorgedrungene Rock’n’Roll zu Fitness-Trends erklärt werden, der von ahnungslosen Lehrern aufgegriffen wird, dann sind auch die Paukerfilme nicht weit weg.
Eis ohne Stil

Die offensichtlichste Referenz des Films kam aber tatsächlich erst eine Woche später als Leidenschaftliche Blümchen in die bundesdeutschen Kinos. Gerade wenn die Jungen sich auf höchst peinliche Weise vor der Nähe zu den Mädchen und ihrer Wunscherfüllung drücken, dann findet sich Eis am Stiel (Eskimo Limon, 1978) gleich um die Ecke. Aber auch weil es hier einen feisten Jungen (Stefano D’Amato) gibt, der aus heutiger Sicht wie ein Klon von Zachi Noys Figur wirkt. Nur fühlt sich Farwagis Film nie so frisch und direkt in seinem Zugang zu den Jugendlichen an, eher wie einer der uninspirierteren Nachklappe der Reihe.

Vielleicht ist es deshalb auch nicht unbedingt nur Effizienz, die in den ersten Minuten herrscht, sondern zeigt sich hier bereits die Limitierung des Films. Das immergleiche Muster führt von euphorischen Jugendlichen mit überspannten Ideen zu deren krachendem Scheitern – in Form von zunehmend ausgelaugten Gags. Dabei schafft es Leidenschaftliche Blümchen aber auch nicht, sich in infernalische Höhen zu erheben, die Filme wie Eis am Stiel 4 – Hasenjagd (Sapiches, 1982) mit einer eigenen Form von Würde ausstattet. Wenn sie nämlich zur wahnwitzigen Groteske geworden sind. Stattdessen bietet die erste Szene gleich den Höhepunkt des Films, dem danach erfolglos hinterhergerannt wird.
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Kommentare
Tom Pisa
Kann mir jemand aus der Critic-Redaktion erklären, warum hier immer wieder grenzdebile pädophil nah inszenierte Soft Pornos aus dem vergangenen Jahrtausend besprochen werden ?
Ist das jetzt ein cinephiles Genre, das Aufmerksamkeit verdient ? Mit Bitte um Aufklärung .
Michael
Hi Tom, die Vorlieben unserer Autoren sind sehr unterschiedlich und einige interessieren sich für Exploitation- und Sexfilme. Manchmal entstehen Texte aus Neugier auf einen unbekannten Film, der sich (wie scheinbar in diesem Fall) auch als nicht so gelungen erweisen kann. Wir hatten aber zum Beispiel vor ein paar Jahren ein Special zu Laura Gemser mit teilweise sehr schönen und interessanten Erotikfilmen. Vielleicht vermitteln die Texte ja, was man daran schätzen kann: https://www.critic.de/tag/laura-gemser-zum-70/
2 Kommentare