La Belle Saison - Eine Sommerliebe – Kritik

Das Ende einer Jahreszeit – Catherine Corsini führt eine verbotene Liebe von der Stadt aufs Land.

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La belle saison – die schöne Jahreszeit, so heißt dieser Film im französischen Original. Schon der Titel verrät die gewisse Nostalgie, mit der Catherine Corsini auf das Frankreich der 1970er Jahre blickt. Es beginnt in Paris, wo im Nachbeben des Mai ’68 eine neue Welle des Feminismus aufkommt. Frauengruppen treffen sich in Hörsälen der Pariser Universitäten. Der Rauch zahlloser Zigaretten wabert gemächlich durch das sonst wilde Durcheinander eines dieser Treffen. Parolen fliegen durch den Raum, Applaus und Zustimmung hallen nach, bis sich der Lärm zu einem gemeinsam angestimmten Lied steigert. Kämpferisch und doch heiter wirkt der noch ausschließlich analoge Aktivismus dieser Frauen: Flugblätter für die Massen, Wurfgeschosse für Abtreibungsgegner und einen Tritt in den Arsch für Sexisten und Homophobe.

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Delphine (Izïa Higelin), die noch vor kurzem auf dem Hof ihres Vaters in Limousin die Felder bestellen musste, findet sich plötzlich inmitten dieser Gruppe wieder. Zwar mag sie noch nicht in den Gesang einstimmen, doch eingeschüchtert ist sie nicht. Ihr Augenmerk fällt auf Carole (Cécile De France), ihre blonden Locken, ihr Lächeln und die Vitalität, mit der sie die Gruppe führt. Sie begehrt Carole. Das Paris der Siebziger wird in La Belle Saison zum Ort, an dem die Möglichkeit einer Beziehung zwischen zwei Frauen greifbar scheint. Losgelöst von den Zwängen und Werten ihres Heimatdorfs, geht Delphine mit ihrer Sexualität in die Offensive. Das Landei verführt die Pariserin. Delphines Wohnung wird zum Liebesnest, in dem das Paar zwischen Bettgeflüster und sexueller Leidenschaft ganz aufgeht.

Das Korsett der Provinz

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Corsinis verbotene Liebe zwischen zwei Frauen kommt mit weniger ungezügelter Leidenschaft daher als die Liebe zwischen zwei noch heranwachsenden Frauen, die Abdellatif Kechiche in Blau ist eine warme Farbe (La vie d’Adèle, 2013) zeigt. La Belle Saison schnürt, ähnlich wie Todd Haynes’ Carol (2015), ein enges Korsett der traditionellen Werte, das das Liebesverhältnis zu ersticken droht. Doch wo Carol als Geschichte, zwischen einer traditionellen Ehe und einer nicht geduldeten Affäre, ausschließlich im New Yorker Bürgertum angelegt ist, verlegt Corsini ihre Geschichte von der Metropole bald in Delphines Heimatprovinz Limousin. Hier räkelt sich das Liebespaar nackt, in goldenes Licht getaucht, auf den Hochlandwiesen Limousins. Dass diese Sorglosigkeit die Saison nicht überdauern wird, deutet La Belle Saison jedoch bereits bei Caroles Ankunft in der Provinz an: Die Flugblätter, die sie aus Paris mitbringt, fliegen schon am Bahnhof davon. Das moderne Weltbild der Frauen stößt auf eine eng verflochtene und mit traditionellen Werten durchzogenen Gemeinschaft auf dem Lande. Delphines Mutter Monique (Noémie Lvovsky), deren erzkonservatives Weltbild nicht weiter von Feminismus und gleichgeschlechtlicher Liebe entfernt sein könnte, der Hofnachbar Antoine (Kévin Azaïs), der gleichzeitig Delphines Sandkastenfreund und angedachter Ehemann ist, und Caroles weltoffener Ex-Freund Manuel (Benjamin Bellecour) bilden das Gegengewicht zur schwärmerischen Liebesbeziehung der Protagonisten. Corsini gibt diesen Nebenfiguren genug Raum, um die Kontraste der sehr einfach angelegten Geschichte zu einem komplexen Gesamtbild auszufüllen. Einzig Delphines Vater, der durch einen Schlaganfall pflegebedürftig ist, wird aus der moralischen Verantwortung genommen.

Das Ende einer Jahreszeit

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Der Zustand ihres Vaters bleibt nicht der einzige Schicksalsschlag für die Protagonistin, deren Emanzipationsversuch bald an Grenzen stößt. Delphine arbeitet hart, um den Hof ihres Vaters am Leben zu halten, während Carole, die ihrer Mutter zunächst als Arbeitskollegin aus Paris vorgestellt wird, sich von der Touristin zur gut gelaunten Arbeitskraft wandelt, die den Geist der Pariser Frauen in die Provinz zu bringen versucht. Alsbald nimmt Delphine, gestärkt von diesem neuen Rückhalt, in Vertretung ihres Vaters an den Sitzungen der Landwirtschaftsgenossenschaft der Region teil. Die Männerrunde will die Mitbestimmung einer Frau nicht akzeptieren. Doch schon nach dem zweiten dieser Treffen sitzt Delphine auf dem gemeinsam durch die Genossenschaft erworbenen Mähdrescher. Umringt von alten Männern thront sie – als einzige Frau, die einen Hof führt – auf der neuen Maschine.

Corsini findet in der Provinz oft die Bilder, die La Belle Saison davor bewahren, mit moralisierenden Monologen gegen alte Wertvorstellungen anzurennen. Die scheinbare Unmöglichkeit, diese zu überwinden klingt in diesen Bildern nach und gibt Corsinis Version der französischen Landschaft einen nostalgischen Anstrich. Delphine weiß, dass sie selbst als Erbin keinen Hof ohne einen Mann an ihrer Seite führen kann. Nach dem Ende ihrer kurzen Saison als freie Frau in Paris, beginnt auch die zweite Säule ihrer sozialen Identität zu bröckeln: das Leben und die Arbeit auf dem Hof ihres Vaters. Die schönste Jahreszeit vergeht, und mit ihrem unweigerlichen Ende kommt die Nostalgie schließlich in ihrer stärksten Form wieder: als Erinnerung an eine Zeit, die wir wieder herbeisehnen – als der Schmerz einer alten Wunde.


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