Jagdsaison – Kritik

Rosalie Thomass trampelt als zynisch gewordene Pippi Langstrumpf durch einen Film, der sein komödiantisches Glück in Peinlichkeitserfahrungen sucht. Jagdsaison ist vorhersehbar, ausgelutscht, klischeebeladen – und ziemlich schön.

Bei Jagdsaison handelt es sich um das Remake des dänischen Films Jagtsæson von 2019, der sich selbst schon im Fahrwasser von Filmen wie Brautalarm (Bridesmaids, 2011) oder Girls Trip (2017) befindet, die wiederum eine Variation der entsprechenden Filme mit Männern sind, in die zwischenzeitlich auch mal zeitreisende Whirlpools eingebunden werden (Hot Tub – Der Whirlpool … ist ’ne verdammte Zeitmaschine! / Hot Tube Time Machine, 2010), damit es frisch wirkt. Drei Freundinnen machen also einen gemeinsamen Trip. Dinge, die unter die Gürtellinie gehen, werden geschehen. Es wird sich richtig die Meinung gesagt, und am Ende sind die Wogen geglättet und die angestauten Spannungen aus der Welt. Von ein paar energetischen Montagen abgesehen, versucht man nicht, sich inszenatorisch aus dem Fenster zu lehnen. Anders als in den in der Hinsicht fast schon avantgardistischen Filmen Til Schweigers wird einfach das Geschehende gefilmt und montiert.

Seitenhiebe gegens Altbackene und Hippe

Jagsaison erfindet das Rad beileibe nicht neu, beruft sich zudem auf simple Schwarzweiß-Gegensätze, um seine Spannungen zu erzeugen. Eva (Rosalie Thomass) reist also mit ihrer besten Freundin Marlene (Marie Burchard) und mit Bella (Almila Bagriacik), der neuen Frau ihres Ex und Vaters des gemeinsamen Kinds Olivia, in ein Luxusressort. Dort strebt Marlene während einer Jagdgesellschaft aus Ehefrust eine Affäre mit einem Bekannten an. Sie ist in diesem Aufbau der Zankapfel zwischen zwei rivalisierenden Frauen, die um Olivias Zuneigung streiten und einander ständig ihre Macht demonstrieren wollen. Hier die nicht erwachsen werden wollende Eva, die von ihrer ganzen Lebenssituation frustriert ist – und zudem aggressiv, impulsiv, chaotisch, deutsch, kleinbürgerlich und von gestern. Dort die passiv-aggressive, souveräne, hippe, reiche Influencerin mit Migrationshintergrund Bella, deren Muttersprache scheinbar Internet-Denglisch ist.

Abgerundet wird die bekannte Formel mit ein paar Seitenhieben gegen das Altbackene – nicht gestutztes Schamhaar beispielsweise –, gegen die Schrullen der alteingesessenen Reichen (und ihre Psychohunde), vor allem aber gegen das Hippe: Das esoterische Harmoniegeschwafel eines Saunaaufgießers wird zum Beispiel gegen ein peitschendes Handtuch ausgewechselt, sobald jemand nicht entzückt lauscht; Menstruationsbecher werden im Wasserkocher gereinigt, was zu interessanten Geschmackserlebnissen führt. Und überhaupt sucht der Film sein komödiantisches Glück eigentlich nur über Peinlichkeitserfahrungen.

Nuancierte Abstufung des Frusts

Kurz: Jagdsaison ist vorhersehbar, ausgelutscht, klischeebeladen – und ziemlich schön. Weil er unprätentiös gar nicht den Anschein erweckt, irgendwie originell zu sein. Seinen Stiefel spielt er aber nicht einfach herunter. Konzentriert sich vielmehr ganz auf die Frauen und lässt die Männer in ihrem Leben Nebenschauplatz sein, behält also einen angenehmen Fokus. Die zwangsläufige Liebesgeschichte für Eva wird nicht ausformuliert, sondern fließt nur als Potenzial mit. Ein Potenzial, das wiederum eine Oase der Stille in einem Film aus Hektik und Gequassel ist – Eva trifft im Ressort auf Kindergeburtstagsclown Jan (Golo Euler), der sich mitten im Affekttohuwabohu mit ihr über Distanz zurückgenommen und reflektiert per Zeichensprache unterhält, womit sie und der Film für kurze Momente geerdet werden.

Mehr noch liegt die Qualität von Jagdsaison in dem guten Cast begründet, allen voran an der am Drehbuch beteiligten Rosalie Thomass. Die spielt ihre Eva als zynisch gewordene Pippi Langstrumpf, die in ausgesucht bunten Kleidern durch den Film trampelt, sich von ihrem Bauchgefühl leiten lässt – und sich durch eine nuancierte Abstufung ihres Frusts auszeichnet. Was sicherlich leicht zu übersehen ist, denn ihre Ausbrüche sind grell und auch ein wenig frustrierend, weil sie mit der Brechstange daherkommen.

Keine Besserung nötig

In einem Elterngespräch aus der Hölle etwa – in dem Eva mit ihrem Ex förmlich mit der Lehrerin in einer Einstellung gefangen sind, während Bella und die Tochter in einer anderen von ihr getrennt bleiben – fängt sie einen Kleinkrieg mit dem Mann neben ihr an, statt der Lehrerin zuzuhören. Ein andermal schmeißt sie die aufgebauten Pyramiden im Gang eines Spielzeuggeschäfts um, weil sie es nicht schafft, sich dahinter ruhig vor ihrer plötzlich aufgetauchten „Konkurrenzfamilie“ zu verstecken. Und als ihre Mitstreiterinnen sie damit necken, dass sich ohne Bleaching ihre Jahresringe an ihrem Anus ablesen ließen, will sie diesen mit ihrem Handy fotografieren, startet aber aus Versehen einen Videoanruf mit dem gerade erst kennengelernten Jan und mit ihrem Chef.

Aber diese Ausbrüche sind eben nur die Endstufe einer allgegenwärtigen Wut. Wenn Eva auf Kindergeburtstagen in einer Mischung aus Genuss und Verzweiflung Girlanden herunterreißt oder wenn es sichtlich in ihr brodelt, weil sich eine Kofferraumtür zu langsam schließt, dann schafft sie mit feiner Klinge zu vermitteln, wie tief in ihr der Unmut sitzt. Und das Beste an Jagdsaison ist, dass diese Eva nicht gebessert werden soll. Dass sie akzeptiert wird, wie sie ist. Sicherlich gibt es große Momente der Einsicht, aber grundlegend wird ihre Persönlichkeit nicht infrage gestellt, und überhaupt wartet auch nach den Versöhnungen hinter der nächsten Ecke der nächste Ausbruch. Diese Gelassenheit in Verbindung mit der Spiellust der Darsteller machen noch die gröbsten Momente in Jagdsaison liebenswert.

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