Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste – Kritik
Machtspiel vor prunkvollen Kulissen: In ihrem Biopic konzentriert sich Margarethe von Trotta ganz auf Ingeborg Bachmanns Beziehung zu Max Frisch und die Verarbeitung ihres Scheiterns bei einer Reise in die Wüste. Und macht es sich dabei ziemlich einfach.

Nach Hannah Arendt und Rosa Luxemburg, denen sie sich in ihren letzten Filmen widmete, hat sich Margarethe von Trotta mit Ingeborg Bachmann nun das Biopic einer Figur vorgenommen, deren mentale Gesundheit bereits zu Lebzeiten genauestens beobachtet wurde – und nicht zuletzt als Interpretationshilfe für ihre Kunst herhielt, vor allem seit der Publikationen zahlreicher Briefwechsel, die Bachmanns fragile psychische Lage nochmals deutlich machten und sie in der Rezeption zu einer fast mythischen Gestalt erhoben.
Anstatt zu versuchen, Bachmanns Leben mitsamt ihres tragischen Tods in Gänze abzubilden, wirft von Trotta das Spotlight auf zwei Abschnitte dieses Lebens: ihre viel besprochene Beziehung zum Schweizer Autor Max Frisch (Ronald Zehrfeld) einerseits, und Bachmanns Reflektion des Auseinanderbrechens jener Liebschaft bei einer späteren, titelgebenden, Reise in die ägyptische Wüste andererseits.
Deutschsprachige Literaturstars mit Hollywood-Glamour

Mit dem Kennenlernen des zukünftigen Paares im Pariser Glitz und Glamour des Jahres 1958 führt von Trotta in die Handlung ein und situiert ihren Film somit an einem Punkt in Bachmanns Karriere, an dem ihre Schreibblockade jegliche lyrische Publikationen unmöglich gemacht hat – was auch die verschwindend geringe Präsenz von Bachmanns Kunst im Laufe von Reise in die Wüste erklärt. Zwar finden sich gelegentlich und beinahe stichprobenhaft die bekanntesten von Bachmanns Zitaten in Dialogfetzen wieder, doch darüber hinaus umschifft von Trotta die Literatur und konzentriert sich ganz auf die desaströse Beziehung zu Max Frisch.
Dieses Kennenlernen funktioniert hier fast wie in einer romantischen Komödie. Frisch ist bereits seit Monaten großer Bachmann-Fan, vor der funkelnden Stadtkulisse wird zur Seine spaziert, wo das Rezitieren französischer Lyrik nicht fehlen darf. Solche Hochglanz-Bilder finden sich im Laufe des Films immer wieder und suggerieren eine Welt, in der deutschsprachige Literaturstars den frühen Hollywood-Glamour mimten, durchaus gemäß der historisch nachgewiesenen Vorliebe des Paares für prachtvolle Räumlichkeiten und teure materielle Güter.
Brüllereien in der Beziehung und auf der Bühne

Vor diesen prunkvollen Kulissen inszeniert von Trotta das sich nun entladende Machtspiel der Giganten. Denn auch die schönste Kulisse kann nicht verstecken, was bei dem glamourösen Paar direkt unter der fragilen Oberfläche brodelt und sich in Windeseile zu einer Abhängigkeit par excellence entwickelt. Frischs Faszination für Bachmanns Scharfsinnigkeit und Unabhängigkeit stirbt mit Beginn der aufkeimenden Partnerschaft einen schnellen Tod, nun soll seine „Principessa“ domestiziert werden und bestenfalls auch jeglichen Kontakt zum anderen Geschlecht einstellen. Und Bachmann kämpft zurück mit allem, was sie hat – viel ist das zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr.
Vicky Krieps spielt Ingeborg Bachmann mal zärtlich, zumeist jedoch sichtlich geschwächt, sie bewegt sich wie ein verwundetes Tier durch die Brüllereien mit Frisch und über die deutschen Literaturbühnen. Weil sie jegliche lesbaren Emotionen verweigert, wirkt Krieps in ihrem Spiel durchweg limitiert, und so bleibt das Innenleben der Figur Bachmann bis auf wenige Ausnahmen verschlossen, kann nur durch Nebenfiguren eingeordnet werden, die zunehmend besorgt um die mentale Lage der Dichterin werden.
Das Genie und der Choleriker

Hilfestellung bei der Einordnung von Frischs psychischer wie physischer häuslicher Gewalt als Klimax von Bachmanns Elend gibt von Trotta durch ihren zweiten Handlungsstrang, den sie periodisch einfließen lässt. Auf das streitende Paar im römischen Luxusapartment folgt Bachmann in der Wüste, Jahre später, beim verzweifelten Versuch, die Beziehung zu verarbeiten. Der Kontrast zwischen den beiden Ebenen illustriert Bachmanns Scheitern, mit dem Geschehenen ihren Frieden zu machen, und lässt keine Unsicherheiten in der Interpretation jeglicher Bachmann-Frisch-Interaktionen zu. Max Frisch ist der besitzergreifende Choleriker und Ingeborg Bachmann das geplagte und zarte Genie, das von der Beziehung zersetzt wird.
Was von Trotta in der Inszenierung ihrer beiden Protagonist*innen dabei jedoch außen vor lässt: dass Ingeborg Bachmann die Beziehung zu Max Frisch bereits zu Lebzeiten äußert differenziert betrachtete und ihren Ex-Partner keineswegs als plumpes Monster sah, sondern die gegenseitige Dysfunktionalität stets anerkannte. Eine solche Interpretation bieten Ronald Zehrfeld und Vicky Krieps in ihrem Spiel nicht an und können die Figuren somit kaum von einer gewissen Oberflächlichkeit befreien. Die mythische Gestalt Bachmann bleibt auch nach von Trottas Biopic bestehen.
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