Im Rosengarten – Kritik

Frostige Landschaften, migrantische Lebenswelten. Angesiedelt im winterlichen Süddeutschland erzählt das Road Movie Im Rosengarten eine betont menschliche Geschichte um Fragen nach Heimat, Herkunft und Identität.

Während er eigentlich in Berlin auf der Bühne stehen sollte, erhält der körperlich und seelisch angeschlagene Rap-Star Yak (Kostja Ullmann) die Nachricht, dass sein Vater (Husam Chadat) in einem Kölner Krankenhaus im künstlichen Koma liegt. Das kommt für Yak unerwartet, denn sein Vater ist vor dreißig Jahren wieder nach Syrien zurückgekehrt und hat ihn und seine inzwischen verstorbene Mutter (Petra Schmidt-Schaller) zurückgelassen. Mit einem alten Ford Taunus macht sich Yak auf den Weg nach Köln. Im Krankenhaus trifft er auf seine ihm unbekannte 16-jährige Halbschwester Latifa (Safinaz Sattar), die zusammen mit dem Vater aus Syrien gekommen ist. Yak möchte sich zunächst nicht um sie kümmern, sondern schnellstmöglich nach Berlin zurückkehren. Seine erfolglosen Versuche, sie irgendwo unterzubekommen führen die beiden auf eine Reise durch das schnee- und eisbedeckte Dezember-Deutschland, Yak zur Auseinandersetzung mit seiner eigenen und der Familiengeschichte und schließlich zu einer sanften Annäherung.

Sich dick und rund fressen

Regisseur und Drehbuchautor Leis Bagdach ist mit seinem Spielfilmdebüt ein durchaus klassisches, aber dennoch überraschendes, atmosphärisch dichtes und nie kitschiges Roadmovie gelungen. Wie es das Genre will, verbindet er die äußere mit der inneren Reise. Der Film fügt verschiedene Stationen aneinander und formt eine konstante Bewegung, die jedoch auf keinen klaren Punkt zusteuert. Von Köln aus geht es in die Eifel, schließlich zu verschiedenen Orten im Schwarzwald. Auf dieser Fahrt begegnen wir skurrilen bis gebrochenen Charakteren: Etwa Yaks Jugendfreund Art (Tom Lass), einem gescheiterten Schriftsteller, der seinen „magischen“ silbernen Füller im Gemüsegarten vergraben hat und nun beschließt, „sich dick und rund zu fressen“, Yaks Großeltern (Ursula Werner / Artus M. Matthiessen), in deren tristem Bauernhaus die alte BRD noch sehr präsent ist, und schließlich Yaks frühere Liebe Fee (Verena Altenberger), die in einem schicken Hotel ihre Hochzeit feiert, aber nicht recht glücklich wirkt. All diesen Figuren wohnt etwas Schwermütiges und Schwerfälliges inne, alle sind seelisch und körperlich gezeichnet von einer auf unterschiedliche Weisen schmerzvollen Vergangenheit. Das passt zur frostigen Winterlandschaft.

Kostja Ullman legt Yak, durchaus überzeugend, auf ähnliche Weise an. Insbesondere seine Inszenierung zu Beginn, inklusive Zusammenbruch auf der Bühne, lässt an die jüngst vielbeachtete Haftbefehl-Doku denken. Auch Yak bezeichnet sich als „Wrack“ (wenn auch noch nicht im gleichen Stadium wie Haftbefehl), hat sich von Familie und Freunden abgekapselt, und ist damit konfrontiert, dass gerade das Wrack-Image sein Erfolgsgarant ist.

In Innerlichkeit gefangen

Im Gegensatz zu Yak, dessen Vergangenheit sich im Verlauf des Films immer weiter zusammensetzt, bleibt Latifa eine Figur ohne Geschichte: Bis auf den grundlegenden, familiären Rahmen erfährt man wenig über sie. Latifa, subtil verkörpert von Safinaz Sattar, ist vor allem mit der Gegenwart und einer für sie unbestimmten Zukunft konfrontiert: Durch die Sorge um den Vater, die noch nicht gefestigte Beziehung zu ihrem Bruder und nicht zuletzt durch die Sprachbarriere ist sie, vor allem zu Beginn des Films, in ihrer Innerlichkeit gefangen. So wird sie zurpassiven, aber interessierten Beobachterin der fremden Welt um sie herum, etwa wenn sie Yak mit Blick auf den Schwarzwald fragt, wie viele Bäume dort stehenGleichwohl, oder gerade deshalb wird sie, was der Film bereits zu Beginn einführt und am Ende wieder aufgreift, zur stillen Chronistin ihrer Familiengeschichte. Latifa bringt damit auch einen wichtigen, migrantischen Blick auf vertraut erscheinende deutsche Gegenwarten in den Film.

Obwohl das Thema Migration stark im Vordergrund steht, gibt sich Im Rosengarten nicht als Diskursfilm mit unmittelbarem politischem Anliegen. Die migrantischen Lebenswelten, von denen er erzählt, haben viel mit Familie zu tun: Yak mit seiner Vergangenheit als Sohn einer deutschen Mutter und eines syrischen Vaters, Latifa als Halbwaise, deren Suche nach Orientierung im für sie neuen Land massiv von der Erinnerung an die Eltern geprägt ist; nicht zuletzt auch die Gemeinschaft aus syrischen Familien in einem Asylheim, das Yak und Latifa einen Zufluchtsort bietetDass der Film den Verlust und die Suche nach Heimat sowie den damit verbundenen Schmerz als anthropologische Konstante hervorhebt und, trotz des auf Deutschland beschränkten Settings, eine universell-menschliche Ebene abbildet, ist eine große Stärke. Die kann auch darüber hinweghelfen, dass die Figurendarstellung zumindest gelegentlich in die Nähe von Stereotypen gerät, etwa im Fall von Yaks Manager oder dem obligatorischen Nazi in der Dorfkneipe.

Traumartige Bilder, tröstende Musik

Zusätzlichen Reiz gewinnt der Film durch zahlreiche traumartig-surreale Einschübe, die immer mit der Vergangenheit und der Familie der beiden Hauptfiguren zu tun haben und den emotionalen Resonanzraum erweitern. Nicht zuletzt visuell beeindruckend ist eine Szene, in der der körperlich lädierte und in Schwarzwaldtracht gekleidete Yak in dunkelster Nacht auf einem schneebedeckten Feld auf vier, ein sehnsüchtiges Volkslied singende ältere Männer trifft, unter denen auch sein Vater ist. Die Dialoge sind durch eine performativ-andächtige Sprache gekennzeichnet, die oft nahe am Poetischen ist. Das wirkt aber nie hölzern, sondern schließt an eine dem Realen enthobene Künstlichkeit und wehmütige Kontemplation an, die auch in den Bildern liegt.

Nicht zuletzt ist Im Rosengarten ein Film der Musik. In ihr bündeln sich Fragen nach (kultureller) Identität, außerdem verkörpert sie wesentlich die sanfte, wehmütige, aber schließlich ins Positive gewendete, Grundhaltung des Films: Von Yaks groovigem HipHop über Mahler, Wagner und die Klänge der Kanun (orientalische Harfe) bis hin zu deutschen Volksliedern. Gerade Letztere tauchen immer wieder auf, eines von ihnen verleiht dem Film seinen Titel. Es ist das „fremde Lied“, welches der Vater Latifa zum Einschlafen vorgesungen hat und das die für den Film zentralen Motive von Abschied und Ankunft und dem was Dazwischen liegt, in sich trägt: „Ach Schatz, ach Schatz, geh nicht fort von hier, ach Schatz, ach Schatz, bleib doch bei mir. Im Rosengarten will ich auf dich warten […] im grünen Schnee, im weißen Klee“.

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