Hiroshima mon amour – Kritik

MUBI: Der stilistisch komplexe Film ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen Alain Resnais und der Schriftstellerin Marguerite Duras, die die literarische Vorlage lieferte.

Hiroshima, mon amour

Im Gegensatz zum Cahiers-Zirkel und seinem romantischen Autorenkonzept diente das Werk Alain Resnais’ nie autobiographischen Zwecken oder dem Ausdruck persönlicher Obsessionen. Seine Drehbücher sind nicht selbst verfasst, sondern stammen von anerkannten literarischen Autoren wie Alain Robbe-Grillet, Jean Cayrol oder – für seinen ersten Langfilm Hiroshima mon amour – Marguerite Duras. Tatsächlich setzt Resnais Duras’ Vorlage wortgetreu um. Der Film, der die kurze Liebesaffäre einer französischen Schauspielerin (Emmanuèle Riva) mit einem Japaner (Eiji Okada) in Hiroshima erzählt, vermengt auf komplexe Weise drei Raum-Zeit-Ebenen miteinander: Hiroshima im Jahre 1957 während der Begegnung der beiden Protagonisten, Hiroshima 1945 während der fatalen Zerstörung durch die Atombombe und schließlich die französische Kleinstadt Nevers zum Ende der deutschen Besatzung 1944. Wie lassen sich die großen menschlichen Katastrophen des 20. Jahrhunderts erzählen? Wie lässt sich Hiroshima, neben Auschwitz das Emblem der Undarstellbarkeit schlechthin, darstellen? Neben einigen kritischen und reflexiven Distanzierungsstrategien setzt der Film dabei insbesondere auf eine metaphorische Analogie zwischen den Tragödien, die mit den beiden Städten verbunden sind.

Nevers wird sich im Laufe des Films über die Bildspur, in immer längeren Einstellungen, und über die Tonspur, in der zunächst stockenden, dann immer fließender werdenden Erzählung der Französin, in Hiroshima „ausbreiten“. Die Affäre mit dem Japaner wird für die Französin zur Erinnerung und zum Wiedererleben einer früheren Liebesgeschichte mit einem deutschen Soldaten in Nevers. Der Deutsche wurde am Ende der Besatzung umgebracht, während die Französin mit geschorenem Haupt in einen Keller gesperrt wurde. Hiroshima mon amour gleicht einer psychoanalytischen Therapie, in der die traumatische Vergangenheit ins Gedächtnis der Französin zurückgerufen wird, um sie vergessen zu können. In ihrem Schuldgefühl, den deutschen Liebhaber überlebt zu haben, gleicht die Französin den Überlebenden Hiroshimas, die ihr japanischer Liebhaber verkörpert. Diese Gegenseitigkeit wird auch in den Namen „Nevers“ und „Hiroshima“ hergestellt, die sich die Liebenden geben, bevor sie auseinander gehen. Nevers bedeutet für die Französin das, was Hiroshima für die Menschheit bedeutet. Und so wie sich das unsagbare Trauma der Französin nur im psychoanalytischen Transfer ausdrücken lässt, lässt sich die undarstellbare Katastrophe von Hiroshima über die Metapher der individuellen Tragödie darstellen.

Den Film kann man bei MUBI streamen.

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