Freier Fall – Kritik

Ein gestandener Polizist entdeckt seine homosexuelle Seite. Ein Schema nimmt seinen Lauf.

Freier Fall 01

Der das diesjährige Programm der Perspektive Deutsches Kino auf der Berlinale eröffnende Film Freier Fall (2012) von Stephan Lacant präsentiert sich arg homogen und düster. Dunkle Settings – der Wald, der Club, dazu Szenen in kaum ausgeleuchteten Arbeits-­‐ und Wohnräumen – und immer wieder unheilschwangere Musik: Hier passiert, was nicht passieren darf, daran lässt die Inszenierung von Beginn an keinen Zweifel. Die Handlung hat Vorrang, ihre Koordinaten sind schnell abgesteckt: Irgendwo im Südwesten Deutschlands soll für den jungen Polizisten Marc (Hanno Koffler) das junge Familienglück in der idyllischen Vorstadt beginnen, die Eltern sponsern ein Häuschen gleich neben dem ihren, mit seiner schwangeren Freundin Bettina (Katharina Schüttler) zieht der muskelbepackte Schweiger dort ein. Doch eine Konfrontation und der anschließende Versöhnungsjoint mit dem herausfordernd attraktiven Kay (Max Riemelt) bei einer Fortbildungsübung auf der Polizeischule markieren den Beginn einer leidenschaftlichen Affäre. Diese bringt vieles ins Wanken: die Beziehung zu Frau, Kind und Eltern, Marcs sexuelles Selbstverständnis – leider nur den Film selbst nicht.

Freier Fall 02

Wenn nach einer doch arg konstruierten ersten halben Stunde das dramaturgische Feld bedeutungsschwer bestellt ist, ahnt man schon, dass hier kein Konflikt überraschend an der falschen Kreuzung abbiegen wird. Und wenn dann auch im weiteren Verlauf von Freier Fall keine der Figuren eine auch nur irgendwie geartete individuelle Kontur abseits ihres (Nichts-­)Tuns erfährt, wird alles zum abgekarteten Spiel, inklusive Klischee-­Kabinett: der gehemmte Schwule, gefangen in einem heterodominierten Mikrokosmos mit ignorant-­prüder Mutter („So haben wir dich nicht erzogen“), naiv-­passiver Ehefrau und dem homophoben Machoarbeitskollegen als Antagonisten. Diese etablierten Stereotypen werden im Verlauf gleichermaßen stringent auf dem Plot-­Brett hin und her geschoben, was die meiste Zeit doch recht langweilt. Freier Fall geht nie intuitiv vor, interessiert sich wenig für die psychologischen und sozialbiografischen Nuancen seiner Charaktere – Max Riemelts Rolle bleibt beinahe völlig außen vor – und buchstabiert seine Schablonen einfach ständig in Aktionsbilder aus. Eine etwaig schillernde Mehrdeutigkeit bleibt so auch der Form verwehrt: Groß-­ und Nahaufnahmen bestimmen das Bild, gewagt wird auf Ebene der Montage oder Bildästhetik kaum etwas. Der Film zwängt sich so selbst in ein biederes Korsett, aus dem auch seine Protagonisten nie so richtig ausbrechen können.

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Kommentare


Martin Schneider

Absoluter Hammer Film. Sehr sehenswert und absolut realistisch...schreibt ein Mensch der sich sowohl beruflich wie auch privat mit diesem großartigen Film identifizieren kann . .dickes Lob an alle beteiligten Darsteller ..ganz großes Deutsches Kino...Weiter so:-))


Arno Abendschön

Exakt auch mein Eindruck. Dass der untermittelmäßige Film hierzulande so viel Furore gemacht hat, stellt der aktuellen deutschen Filmkultur wie auch den Zuschauern ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Sieht man keine vergleichbaren Filme aus Nord- oder Südamerika oder aus Asien? Und sieht den enormen Unterschied nicht?






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