Emanuelle Around the World – Kritik
Geschmackvolle Dekors und sleazige Entgleisungen, erotische Tagträume und Albträume von Sex und Gewalt: Emanuelle Around the World mit Laura Gemser schwankt zwischen Lust- und Realitätsprinzip.

In keinem anderen der fünf Emanuelle-Filme, die Joe D’Amato binnen drei Jahren mit Laura Gemser drehte, ist die sinnesfreudige Investigativ- und Fotojournalistin derart auf dem Sprung wie hier. Zwar wechselt sie auch sonst so regelmäßig die Orte wie ihre luftigen, gern aus farbenfrohen Seidenstoffen bestehenden Garderoben, aber bei Emanuelle Around the World (1977) ist das Weltumspannende wirklich Programm: Von den im Sommerlicht funkelnden Straßenzügen San Franciscos und New Yorks verschlägt es Emanuelle zunächst zu einem opulenten indischen Palast, dann zum touristischen Hotspot des Trevi-Brunnens in Rom. Die Schauplätze bleiben jedoch nicht so anmutig und weitläufig, und so kommen die Halbwelten von Hongkong und Macao, ja sogar die Haremsgemäuer eines aus der Zeit gefallenen Teherans hinzu. Wenn sie zuletzt mit ihrem Lover vor der New Yorker Skyline den Hudson River entlang schippert, hat sich der Kreis nach neunzig, keineswegs bloß unbeschwerten Minuten geschlossen.
Die Lust, dabei zu sein

Emanuelle ist nicht nur ihrem Reisepass, sondern auch ihrem Wesen nach Kosmopolitin. Zumindest seit die Kamera von Aristide Massaccesi, das heißt von Joe D’Amato selbst, nicht mehr von ihr weicht: In Bitto Albertinis holpriger Initialzündung der Reihe, Emanuelle nera (Italien/Spanien 1975), begab sich die niederländisch-indonesisch-stämmige Gemser noch auf eine exotisierte Identitätssuche nach ihren „afrikanischen Wurzeln“ (was bereits auf erotische Abenteuer und ethnografische Snippets hinauslief). Bei D’Amato weist die schöne Emanuelle eigentlich kaum noch eine Herkunft, Geschichte oder greifbare Psychologie auf, ist vielmehr ein weltenthobenes Ideal. Sie ist eine alle – Männer wie Frauen, Jünglinge wie UN-Diplomaten – für sich einnehmende Liebesgöttin, die, indem sie ihren superschlanken Körper so unvermittelt wie regelmäßig unter der Dusche, beim Umkleiden oder beim Sex präsentiert, nach eigenem Dafürhalten die freie Liebe zelebriert. Das kommt nie lasziv daher, dafür stets grazil. Wenn Gemser ihr einnehmendes Lächeln aufsetzt, bilden die strahlend weißen Zähne einen markanten Kontrast zu ihrem bräunlichen, von einem schwarzen Mittelscheitel gerahmten Gesicht, in dem nun die hohen Wangenknochen deutlich hervortreten.

Der Ruf der Auflagen steigernden Skandalreporterin eilt ihr allerorts voraus. Und das liegt vor allem an Emanuelles schlichtweg waghalsiger Recherchemethode: Sie muss die Sensationen selbst sehen, manchmal auch am eigenen Leib erspüren, erst dann kann sie angemessen darüber berichten. Es bereitet ihr auch schlicht Lust, dabei zu sein. Denn sie ist schon auch eine Voyeurin, hat schnell ihre kleine Gadget-Kamera – neben dem altbewährten Armband und Amulett sogar einen präparierten Plüschteddy (Emanuelle and the Last Cannibals, 1977) – griffbereit. Ihr heimliches Knipsen ähnelt durchaus den verstohlenen, vergleichsweise schnell aneinandergereihten Blicken, die uns die Kamera gleich in der Eröffnungssequenz auf die kopulierenden Körper Emanuelles und des von ihr aufgegabelten Truckers gewährt.
„Let’s take a picture of love“

Im Kontrast zur ostentativen Lebensfreude, die der Main-Theme-Refrain von Emanuelle Around the World versprüht, kommen Emanuelle im Laufe der Filmreihe auch diverse Bestialitäten vor die Linse. So geben Guck- und Schlüssellöcher, offen stehende Fenster und Türen den Blick für den Todeskampf sich duellierender Raubtiere (Emanuelle in Bangkok, 1976), tatsächliche Sodomie (Emanuelle in America, 1977) oder eine obszöne Sexsklavinnen-Auktion (Emanuelle and the White Slave Trade, 1978) frei. Das bietet schon einige Mondo-Vibes, hat also mit jenen Filmkompilationen zu tun, die uns ab den 1960ern Reißerisches aus aller Welt mit pseudodokumentarischen und -aufklärerischen Ambitionen präsentieren. Auch in Emanuelle Around the World ist von lieblich erotischen Tagträumen bis hin zu sex- und gewaltdurchsetzten Albträumen kaum etwas ausgespart. Bei einem enthemmten, stets den Publikumstrigger im Auge habenden Genrefilmer wie Joe D’Amato bedeutet das: Man sieht sogar mehr, als man es naiv bei einem uneingeschränkt kommerziellen Film erwartet hätte.

Neben Emanuelle in America ist Emanuelle Around the World der Reihenbeitrag, in dem die härtesten Bandagen anlegt werden. Die weltumspannenden Freuden gehen fast bruchlos in Schrecken über. Sie werden einem en detail präsentiert, zugleich aber auch – und das findet sich so deutlich in keinem anderen Teil – angeprangert. Emanuelle ist diesmal, darauf machen uns Dialoge immer wieder aufmerksam, in kritischer Mission unterwegs. Der italienische Originaltitel fragt „Perché violenza alle donne?“, weshalb Gewalt gegen Frauen?, und der Film tut auf höchst ambivalente Weise so, als könne er hierauf Antworten geben.
Vom Tag- in den Albtraum

Dabei beginnt alles so unbeschwert. Ein indischer Sexguru (Exploitation-Liebling George Eastman mit Brownface) hat angeblich die Formel für den ultimativen Orgasmus gefunden. Emanuelle kriegt den Auftrag, sich das mal genauer anzuschauen. Die Kurse zum Erreichen des rein geistigen, auf unendlichem Hinauszögern basierenden Stadiums lässt sich der luxusgeile Guru von seiner westlichen Klientel mehr als gut bezahlen (im entsprechenden Orgien-Workshop gibt es den ersten Hardcore zu sehen). Doch der Sexinstrukteur hat die Rechnung nicht mit Emanuelle gemacht. Bei einer Privataudienz widerlegt sie glatt seine Theorie in der Praxis …

Zusehends aber fremdelt sie mit solcher Art Aufträgen, will etwas Substanzielles für die Welt leisten, auf die patriarchale Ordnung hinweisen. Ihre Reporterkollegin Cora Norman (Karin Schubert) berichtet ihr von einem mächtigen, global agierenden Sexsklaverei-Syndikat, das die beiden nun infiltrieren und so um die halbe Welt jetten. Was sich auf dem Papier wie eine straff erzählte Story anhören mag, ist eher ein bunter Strauß aus geschmackvollen Dekors, mit 70er-Groove unterlegten Stadtbegehungen, periodischen Entkleidungen und sleazigen Entgleisungen. D’Amato legt sowieso die Spannungskurve eher großzügig aus. Wie Gemser anmutig durch die Straßen schlendert und ohne Vorwarnung einem absurd deformierten Villian aus bloßem Schauwert-Kalkül heraus begegnet, treibt ihn viel stärker um. Und schließlich kommt auch – in einer Art genreimmanentem Überbietungsgestus? – eine durchaus glaubhaft inszenierte Vergewaltigung vor, bei der eine abgerichtete Schlange und ein Schäferhund zwei gefesselte Frauen quälen. Emanuelle, Cora und die anderen müssen viel durchmachen, selbst wenn sie denken, der Spuk hat ein Ende, kommt er nochmals um die Ecke. Doch sie gebieten dem Treiben des Verbrecherrings Einhalt. Er führt sie direkt zu den Schaltstellen der Macht, ist ein strukturelles Problem, das nun die notwendige Öffentlichkeit bekommt.
Zwei Seelen in einer Brust

Das Faszinierende ist, dass sich Emanuelle Around the World zu keinem Zeitpunkt zwischen seinem Lust- und Realitätsprinzip entscheiden kann. Ob er seinem exploitativen Reigen bloß fadenscheinig oder aus Überzeugung heraus eine Zeitkritik zur Seite stellt, lässt sich nicht so einfach beantworten. Es ist jedenfalls ein schöner Widerspruch, dass ein Film, der die Ausbeutung von Frauenkörpern als etwas Inhumanes benennt, immer dann Exploitation ist, wenn es darum geht, uns das auch sinnlich zu übermitteln. Im Mittelteil gibt es eine an sich nebensächliche Szene, die die unterschiedlichen Befindlichkeiten des Films – das Präsentieren und Referieren – eigenartig vermengt: Emanuelle telefoniert mit ihrem Verleger. Sie regt sich darüber auf, dass dieser für ihre ambitionierte Story nichts übrig hat. Vorab hatte sie bereits gegen die üblichen seicht-erotischen Reportagen Stellung bezogen. Während sie ihren Standpunkt darlegt, zoomt die Kamera langsam von ihrem aufgebrachten Gesichtszügen in den Raum zurück. Ihre weit geöffnete Bluse gibt, wie zufällig, eine ihrer wohlgeformten Brüste preis.
Hier geht es zu weiteren Texten unseres Laura-Gemser-Specials:
Die Nonne und das Biest (1977)
Velluto Nero (1976)
Sklavin für einen Sommer (1985)
Amore libero (1974)
Neue Kritiken

Kung Fu in Rome

Dangerous Animals

Versailles

Highest 2 Lowest
Trailer zu „Emanuelle Around the World“

Trailer ansehen (1)
Bilder




zur Galerie (22 Bilder)
Neue Trailer
Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.