Downsizing – Kritik

Klein, aber egal: Alexander Payne interessiert sich für die Prämisse seiner Schrumpf-Utopie Downsizing gar nicht so richtig. Umso besser für uns.

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Dem Aufeinanderprallen unterschiedlicher und miteinander unvereinbarer Größenordnungen scheint eine Komik innezuwohnen, die nicht auf irgendwelche gedanklichen Prozesse angewiesen ist, sondern die sich sofort in einem unfreiwilligen inneren Kichern bemerkbar macht, noch bevor man die wahrgenommene Situation bewusst erfasst und verstanden hat. Es ist eine Komik, die irgendeinem tief eingebrannten menschlichen Reflex zu entspringen scheint, und diesen Reflex macht sich Alexander Paynes Downsizing in seinen frühen Szenen ausgiebig zunutze. Eine kleine Holzschachtel wird auf die Bühne eines vollen Hörsaals getragen, und als sie geöffnet wird, erscheint in ihrem Inneren ein weltberühmter, nunmehr auf wenige Zentimeter Körpergröße zusammengeschrumpfter Wissenschaftler, mitsamt winzigem Rednerpult. Auf einem Klassentreffen wird ein miniaturisiertes Ehepaar in einem Plastikkästchen herumgetragen und von den übrigen, normalgroßen Anwesenden mit leicht eifersüchtiger Neugier empfangen. Später turnt dann der Ehemann auf einer umgefallenen Müslischachtel herum, während er mit einem alten Klassenkameraden in ernsthaftem Ton über Erfolge und Rückschläge ihres jeweiligen Lebensweges spricht. Dabei lässt der „Blick von oben“ auf die verkleinerten Figuren deren Kräfte und Fähigkeiten als völlig unangemessen für die Erfordernisse ihrer unmittelbaren Umwelt erscheinen und löst so jenen Eindruck der Überlegenheit aus, auf dem die komische Wirkung dieser Szenen beruht – den Eindruck, dass man diese kleinen Menschlein, mit all ihrer Ernsthaftigkeit und all ihrer unbeschwerten Freude, jederzeit mit dem kleinen Finger wegschnippen könnte.

Güter durch Bedürfnisse gleich Glück

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Die zumindest in Ansätzen satirische Wendung, die Payne diesem grundlegenden Motiv seines Filmes gibt, besteht nun darin, dass die Figuren in Downsizing die Verkleinerung nicht als etwas Grauenvolles und Furchterregendes, sondern als etwas zutiefst Erstrebenswertes erachten. Denn Glück bestimmt sich für die Menschen in Downsizing anhand eines simplen mathematischen Verhältnisses: Man kann es errechnen, indem man die Konsumgüter, die einem zur Verfügung stehen, durch die eigenen Bedürfnisse dividiert. Normalerweise lässt sich ein derart gefasstes Glück nur vergrößern, indem man die Anzahl der verfügbaren Güter erhöht (was meistens ökonomisch unmöglich ist) oder indem man die eigenen Bedürfnisse reduziert (was meistens psychologisch unmöglich ist). Das „Gesundschrumpfen“ des menschlichen Körpers wird in Paynes Film somit als Wunderlösung erfahren, vermittels derer die Bedürfnisse der Menschen zwar objektiv reduziert werden, dabei aber subjektiv vollkommen unangetastet bleiben – und die Menschen auf einen Schlag, bei gleichbleibendem Vermögen, in einen Zustand nie gekannten Überflusses eintreten können. Aus diesem Grund muss das Ehepaar Paul und Audrey Safranek (Matt Damon und Kristen Wiig) gar keinen existenzbedrohenden Schicksalsschlag erleiden – ein von der Bank zurückgewiesener Antrag auf eine Hypothek erscheint eher als zufälliger Anlass –, um zur Überzeugung zu gelangen, dass nur ein tiefer und unwiderruflicher Eingriff in die eigene biologische und materielle Basis sie aus ihrem Unglück befreien kann. Sie beschließen also, ihr bisheriges Leben mitsamt Freunden und Familie zurückzulassen, um als miniaturisierte Wesen in einer idyllischen Miniaturstadt namens Leisure Land zu leben, in der jedes Einfamilienhaus ein Palast ist und die Ersparnisse einer prekären Mittelstandsexistenz ausreichen, um nie wieder arbeiten zu müssen.

Vages Potential an Bedeutsamkeit

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Verwendet Downsizing zunächst fast seine gesamte Energie und Zeit darauf, das Schrumpfen des eigenen Körpers als vollkommen logische Handlung darzustellen, scheint der Film jegliches Interesse an dem Aufeinanderprallen der Größenordnungen zu verlieren, sobald Paul in seiner neuen Heimat angekommen ist. Für die allermeisten Entwicklungen und Situationen, die sich hier nun entspinnen, ist die Tatsache, dass die Figuren nur wenige Zentimeter groß sind, vollkommen unerheblich. Dies ist nun an sich noch kein Problem: Jeder Film hat das Recht, seine eigene Prämisse links liegen zu lassen und plötzlich anderen Fährten zu folgen oder neuen Motiven nachzuspüren. Doch der Umgang mit der eigenen Ausgangsidee ist in Downsizing leider charakteristisch für die Art und Weise, wie Payne auch mit visuellen Einfällen, mit Figuren und mit thematischen Konstellationen umgeht: Er reißt sie kurz an, stellt sie in den Raum und entledigt sich ihrer dann möglichst schnell wieder, manchmal sang- und klanglos, manchmal mit einem kurzen, bemühten Gag. Die inneren Widersprüche eines Wohlstands durch Schrumpfung bleiben unerforscht; die Tatsache, dass es in Leisure Land auch ein verelendetes Armenviertel gibt, inszeniert Payne zwar als großen Moment der Desillusionierung, welche Illusion es aber genau ist, die hier angeblich zusammenbricht, wird nie herausgearbeitet; und Christoph Waltz wird in einer ausufernden Partyszene mit seinem breiten, irgendwie europäischen (später als serbisch benannten) Akzent als Repräsentant eines globalisierten Hedonismus eingeführt, steht dann aber bald nur mehr in jeder Szene mit einem unschlüssigen Grinsen im Bildhintergrund.

Gutartige Langeweile

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So entwickeln die einzelnen Einfälle in Downsizing bestenfalls ein vages Potenzial an Bedeutsamkeit. Immer wieder denkt man sich: Ja, das könnte vielleicht ganz interessant sein. Aber da wendet der Film seine Aufmerksamkeit schon der nächsten Figur oder der nächsten dramaturgischen Volte zu, und das auf eine manchmal fast zwanghafte Art und Weise. Doch obwohl die strukturlose Aneinanderreihung von Szenen und die blinde Anhäufung von Figuren irgendwann ins Gleichförmige kippt, ist es doch eine offene und dadurch gutartige Langeweile, die von Downsizing ausgeht. Denn der Film macht zwar nicht wirklich etwas aus seinen Ideen und Figuren, er hinterfragt sie nicht, er verwickelt sie nicht in produktive Widersprüche – aber er zwängt sie eben auch nicht in eine starre thematische Struktur oder unterwirft sie einem eindeutigen narrativen oder argumentativen Zweck. Auch wenn er sich mit den Fragen, die er aufwirft, nicht wirklich auseinandersetzt, erlaubt Paynes Film es einem immerhin, den Blick ungehindert schweifen zu lassen – und irgendetwas gibt es ja immer, an das man, wenn schon nicht sein Interesse, so zumindest seine Neugier heften kann.

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