Don't worry, weglaufen geht nicht – Kritik
Eine Sauftour mit Jack Black ist selten eine gute Idee: In seinem Remix-Biopic Don’t Worry, He Won’t Get Far on Foot schickt Gus Van Sant den querschnittsgelähmten Cartoonisten John Callahan zu den Anonymen Alkoholikern.

Vielleicht nimmt Gus Van Sant einfach das „Auto“ in Autobiografie sehr ernst, oder eben das „memoir“ der Memoiren. Dann ergäbe es durchaus Sinn, dass Joaquin Phoenix eine beeindruckende Biopic-Zeitspanne ganz ungeschminkt überbrückt, dass er nicht nur den später im Rollstuhl sitzenden John Callahan spielt, der mit dem Alkoholismus kämpft, sondern auch schon den 21-jährigen, der einen schweren Autounfall hat. Schließlich ist das Erinnern stets ein gegenwärtiger Prozess; ein Zurück ins alte Ich, das ein Zurück in einen junggeschminkten Joaquin Phoenix oder gar einen anderen Schauspieler implizieren würde, das gibt es eben nicht. Es würde auch passen zu den mitunter requisitenhaften Besetzungen von Nebenrollen in Don’t Worry, He Won’t Get Far on Foot: So aus der Erinnerung heraus sähe der Typ, der damals besoffen am Steuer saß, um John durch die Partynächte von L.A. zu transportieren, vielleicht tatsächlich aus wie Jack Black, und manchmal spielt einem die Erinnerung Streiche, und dann würde im schlimmsten Moment des Lebens, kurz nach der Diagnose der lebenslangen Querschnittslähmung, vielleicht tatsächlich Rooney Mara ins Krankenhaus schweben und sagen, dass man gut aussieht.
Phoenix aus der Flasche
Oder es ist eben dieser Alkohol: Der Film verschwimmt zu einem Biopic-Fusel, in dem alles irgendwie egal ist, die Chronologie, das richtige Alter, der Realismus. John ist harter Trinker, seit er 13 ist, und für Don’t Worry He Won’t Get Far on Foot ist der Kampf mit dem Alkohol eine Art zerdehnter Showdown. Johns Waffen (der Alkohol braucht bekanntlich keine) sind seine Freunde von den Anonymen Alkoholikern, denen er irgendwann beitritt, eine Van-Sant’sche Gemeinschaft mit Behinderten, einem schwulen, schwarzen Street Poet, einer verunsicherten männlichen Hete, die kurz ihr misogynes Unbewusstes ausbrechen lässt, einem Deutschen namens Hans (Udo Kier!), und dann spielen auch noch Beth Ditto und Kim Gordon mit Punk-Direktheit respektive Altersweisheit die Frauen in der Gruppe. Der Anti-Guru dieser unharmonischen, aber eben doch verschworenen Community ist Donnie (erst kaum wiederzuerkennen, dann immer toller: Jonah Hill), der für John ein wichtiger Mentor wird, ihm Kraft und Tipps und Bücher gibt und tragischerweise irgendwann AIDS hat.
Es darf gezeichnet werden

Vielleicht aber ist die Freiheit in der Figurenein- und ausführung, der Verzicht auf eine klare Verort- und Verzeitlichung auch eine Hommage an Callahans Metier, den Cartoon. Erst nach gut einer Stunde Laufzeit kommt der Moment, in dem der Protagonist zu Stift und Papier greift und das Biopic zum Künstler-Biopic wird. Mit aufgrund seiner motorischen Einschränkungen eher breiter Feder kritzelt John ein paar Figuren aufs Blatt, versieht das Werk mit einem Dialog und testet die Gags bald bei Freunden und Fremden, dem lokalem folgt bald der überregionale Erfolg. Gegen Ende von Don’t Worry He Won’t Get Far on Foot (der Titel ist einer Cartoon-Bildunterschrift entlehnt) scheint Van Sant – auch unter Mithilfe einiger Animation gewordener Cartoons – dann sogar tatsächlich noch auf die zentrale Rolle der Karikatur in unserer heutigen Diskurslandschaft hinauszuwollen: Ein Lesbenwitz wird erst homosexuellenfeindlich, dann feministisch gedeutet, und man hofft, der Film wolle hier eher für engagierte Humordiskussionen eintreten als schlicht Callahans incorrectness feiern.
Der Ernst bei der Sache
Vieles bleibt aber eher uneindeutig. Don’t Worry ist eine Art Biopic-Remix, der alle Affekte mitnehmen will, auch wenn sie einander mitunter unterlaufen; ein Remix, in dem einige Elemente großen Spaß machen, ein Film aber auch, der in der Art, wie er uns von einem Element zum anderen führt, ein bisschen nervt und ein bisschen langweilig ist. Nach seinem Eso-Kitsch The Sea of Trees ist Van Sant zumindest wieder in einem Territorium gelandet, das ihm mehr liegt, allerdings scheint er doch ein wenig neue Ernsthaftigkeit von seinem Ausflug in japanische Wälder mitgenommen zu haben. Es ist nicht der Ernst des engagierten Pathos, der in seinen Filmen dann ja doch immer ganz schön funktioniert hat, sondern ein aufdringlich leiser und deshalb schwerer ernst zu nehmender Ernst, der uns etwas von Vergebung, von innerer Stärke, von der Suche nach der unbekannten Mutter, vielleicht auch von der therapeutischen Kraft der Kunst erzählen will. Und letztlich fängt dieser Ernst all die schönen Linien, die diesen Film durchziehen, dann doch wieder ein anstatt sie weiterziehen zu lassen. Zuletzt ist es ein Ernst, den wohl kaum jemand so verkörpert wie Joaquin Phoenix, ohne den auch dieser Film vielleicht ein besserer gewesen wäre.
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