Die toten Frauen – Kritik
Netflix: Man liebt das böse Leben und singt davon: Die mexikanische Miniserie Die toten Frauen ist eine Rotlichtmoritat mit resigniertem Humor und tiefem Grauen, schön gefilmtem Sex und krasser Niedertracht.

Die Miniserie Die toten Frauen / Las Muertas (Luis Estrada, 2025), basierend auf einem Roman von Jorge Ibargüengoitia, ist ein schwarzhumoriger, dunkelpoetischer Mix aus Rotlichtfilm und Melodram und erzählt wild ausgeschmückt eine wahre, in den frühen Sixties von der mexikanischen Regenbogenpresse kolportierte Story. Sie erinnert darin ein bisschen an Fatih Akins Der goldene Handschuh. Aber Die toten Frauen sind weniger rockig. Eher melodiös und theatralisch. Schön gefilmter Sex verschmilzt mit urig eingefleischter, niedriger Gesinnung.
Zwei Schwestern betreiben ein Bordell in der Provinz, wo regelmäßig Mädchen verschwinden. Wie und warum ist unklar; jeder sagt was anderes, die Umstände sind absurd. Man lebt wie eine Kellerassel unter einer Steinplatte, wo lange niemand drunter guckt. Dort wächst die Düsternis − und eskaliert. Moral und Mitmenschlichkeit sind irgendwann kein Thema mehr.
„Was kann ich für mein leidenschaftliches Temperament?“

Lupe (Edwarda Gurrola), die ältere der Schwestern, ist eine faszinierend verschlagene, von Gier besessene rustikale Geschäftsfrau mit lebhaft funkelndem Altmännergesicht. Die jüngere, Serafina (Paulina Gaitan), ist ein glühend eifersüchtiges Mädchen, von dem eine verwirrend verzückte, wohlige Süße ausgeht, als würde sie ihr böses Leben lieben und davon singen. Wenn sie durch die Straßen geht, sehen alle, alle Männer haargenau so aus wie ihr verhasster Ex. Sie fühlt sich verfolgt. Da muss sie einfach handeln. „Was kann ich für mein leidenschaftliches Temperament?“, wird sie sich später, immer noch dämonisch rachsüchtig, verteidigen.
Nicht ohne Kalkül geht sie ein auf die galanten und demütigen Avancen des ansonsten groben und ausgekochten Dorf-Capitán Bedoya (Joaquin Cosio, Narcos: Mexico, El Infierno). Der Mann mit dem eindrucksvoll bulligen Kopf ist, außer an Serafina, praktisch nur an den Provisionen und Bestechungsgeldern interessiert, die er von allen Seiten kassiert.
Verschwitzte Nylonstrümpfe

Es entsteht ein Netzwerk von Helfern und Helfershelferinnen. Anhängliche Verwandte und die verschiedensten Zugelaufenen arbeiten für die Schwestern als Männer fürs Grobe und Mädchen für alles. Sie gehorchen ihnen aus Dankbarkeit, gedankenloser Gewohnheit, altvertrauter Hilfsbereitschaft, unterwürfiger Ängstlichkeit. Besonders faszinierend: der/die eigentlich gütige, aber haarsträubend unkritische, abergläubische Ladyboy La Calavera (Maurizio Isaac), der als gefügiger Kalfaktor und katastrophal untalentierte Wunderheilerin im Bordell ihr Dasein fristet.
Auch die Serie hatte viele Helfer; zahllose Spezialisten für Drehorte, Licht, Musik und Bauten leisteten ganze Arbeit. Die Ausstattung ist erlesen: malerisch halbverfallene Locations, liebevoll gammelige Einrichtung, ein Übermaß staubiger Uralt-Kakteen. Alles hat einen übertriebenen, wie rauchgeschwängerten Sepia-Look, beschwört den Duft von verschwitzten Nylonstrümpfen herauf und klingt schön – besonders, wenn die herzzerreißenden Straßensänger mehrstimmig „Perfidia“ performen. Die toten Frauen gibt den Figuren, nur leise satirisch, die dramatische Größe, die sie, wie jeder eigentlich, verdienen. Bildkomposition und Licht setzen sie in guter Kaurismäki-Manier pathetisch-seelenvoll in Szene wie in alten Hollywoodfilmen, und alle spielen voller Leidenschaft, Gestaltungsspaß und Farbe. Man möchte das immer wieder gucken. 5/5
Neue Kritiken
Dracula - Die Auferstehung
Frankenstein
Danke für nichts
After the Hunt
Trailer zu „Die toten Frauen“

Trailer ansehen (1)
Bilder




zur Galerie (8 Bilder)
Neue Trailer
Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.








