Die Nonne und das Biest – Kritik
Eine Karriere im Umkreis des Bahnhofskinos: Anlässlich ihres 70. Geburtstags widmen wir Erotikstar Laura Gemser eine Textreihe. Zum Auftakt gibt es ein zwischen frivolem Lustspiel und psychologischem Drama changierendes Frauenduell.

Die Nonne und das Biest – der ausnahmsweise einmal schöne deutsche Verleihtitel ruft zunächst die Frage auf, welche der beiden Titelfiguren Laura Gemser wohl verkörpert. Wobei die Sache letztlich ziemlich eindeutig ist: Gemser hat zwar fast ihre gesamte Karriere im Umkreis des Bahnhofskinos zugebracht und dabei mit so ziemlich allen Untiefen menschlicher Niedertracht Bekanntschaft gemacht, aber ein Biest, also aus dem Inneren heraus böse und garstig, war sie auf der Leinwand nie. Der Schmutz kommt in den Filmen immer von außen, und er perlt stets rückstandslos an ihr ab. Eine Nonne mag auf den ersten Blick zwar ebenfalls nicht das nächstliegende Rollenfach sein für die ansonsten promiskuös durch die Betten dieser Welt gleitende Black Emanuelle, aber man kann sich mit dem Gedanken doch erstaunlich schnell anfreunden.
Wechsel des Aggregatzustands

Denn letztlich geht es in Gemser-Rollen immer um Oberflächen, um den dekorativen Aspekt des Daseins, und Gemser scheint geradezu geboren, ein weißes Nonnengewand zu tragen; perfekt akzentuiert es ihr dunkles, gleichmäßiges Gesicht ebenso wie ihre schlanke Figur. Auch die Unschuld bleibt freilich ein Oberflächeneffekt: Noch mehr ist Gemser dazu geboren, dieses Nonnengewand wieder auszuziehen – was sie als Schwester Emanuelle in Die Nonne und das Biest gleich mehrmals tut. Elegant und methodisch, Schicht für Schicht entledigt sie sich der Ordenstracht. Das wirkt weniger wie eine Enthüllung denn wie ein Wechsel von einem Aggregatzustand in einen anderen. Gemsers Nacktheit ist nicht obszön. Vielmehr ist diese Nacktheit, und diese Erkenntnis allein ist Rechtfertigung genug für den Film Die Nonne und das Biest, in gewisser Weise immer schon ein Nonnengewand.

Wenn Gemser also die Nonne ist, wer ist dann das Biest? Welliges blondes Haar, eisblaue Augen, freche Sommersprossen und ein maliziöses Lächeln: Das ist das Gesicht, mit dem sich Schwester Emanuelle gleich in der ersten Filmszene konfrontiert sieht und das sie den gesamten folgenden Film über heimsucht. Es gehört Monica (Mónica Zanchi), die von ihrem Vater zwecks Austreibung diverser Flausen in demselben Konvent untergebracht werden soll, in den sich auch Emanuelle zurückgezogen hat, um den Versuchungen des Starreporterinnenlebens zu entkommen.
Gangster auf Strohlager im Glockenturm

Monica freilich denkt nicht daran, klein beizugeben. Schon auf der Zugfahrt zum Kloster entschlüpft sie der religiösen Überwachung für eine kurze Fellatio im Nachbarabteil (“Ich war durstig”, meint sie hinterher und schmiegt sich zufrieden lächelnd in ihr Kissen). Im Ordensgefängnis angekommen, verliert sie erst recht keine Zeit. Insbesondere ihre Bettnachbarin Anna (Vinja Locatelli in ihrer einzigen Filmrolle, eine schöne, leicht verstockte Sternschnuppe des Kinos) ist Monica gegenüber komplett machtlos, in dem Moment, in dem sie ihre Streberbrille absetzt, hat sie praktisch schon ihre Jungfräulichkeit verloren. (Liest man ein wenig über Zanchi, hat man, nebenbei bemerkt, schnell den Eindruck, dass sie in Die Nonne und das Biest vor allem sich selbst spielt; die gebürtige Schweizerin war mit 15 Jahren von zuhause ausgerissen und hatte sich drei Jahre lang in Europa herumgetrieben; unter anderem hatte sie sich mehrfach wochenlang in Hotels eingemietet, mit der Behauptung, ihre Eltern würden bald nachkommen, nur um dann plötzlich über Nacht zu verschwinden.)

Nicht nur das überschaubare, teils auch klaustrophobische Kloster-Setting hebt Die Nonne und das Biest von anderen Black-Emanuelle-Filmen ab. Insbesondere ist der Film deutlich stärker als die übrigen weiblich dominiert. Abgesehen von einem tollpatschigen Nachtwächter als, wie im italienischen Genrekino nicht unüblich, dezidiert klamaukig angelegten comic relief gibt es nur eine einzige wichtige Männerfigur: Gabriele Tinti quartiert sich als rabiater Gangster René im Glockenturm ein, und natürlich bleibt er dort auf seinem Strohlager nicht lange allein; aber auch seine Rolle bleibt rein funktional – zuerst als Monicas Lustobjekt, dann als ihr Werkzeug.
Nur eine Modeoption

Der Frauenüberschuss resultiert in einer stringenteren, sorgfältiger ausgearbeiteten Erzählung, versiert und gelegentlich tongue in cheek inszeniert von Giuseppe Vari, einem Veteran der italienischen Filmindustrie, der vor allem für seine Italowestern bekannt ist – ein Genre, an das man, dem komplett unterschiedlichen Setting zum Trotz, auch in Die Nonne und das Biest gelegentlich denken kann, insbesondere bei den Szenen mit René im Glockenturm. Jedenfalls gibt es diesmal keinen vagabundierenden Mondo-Blick wie in den Joe D’Amato-Filmen, auch keine psychedelische Entgrenzung wie in Brunello Rondis Schwarzer Samt; stattdessen orchestriert Vari ein zwischen frivolem Lustspiel, psychologischem Drama und exploitativen Schlüsselreizen hin und her pendelndes Frauenduell. Denn letztlich hat es Monica einzig und allein auf Emanuelle abgesehen. Sie reizt sie, wie sie nur kann. Mal kriecht sie, wenn der Donner grollt, „verängstigt“ zu der Ordensschwester ins Bett, mal „vergisst“ sie ihr sexy Négligé in Emanuelles Zimmer. Tut sie das aus reiner Bosheit? Oder vielleicht eher, weil sie etwas über Emanuelle weiß, das die Nonne mit Vergangenheit selbst nicht wahrhaben will?

Gleich beim ersten Kampf mit der blonden Furie nach deren Einlieferung ins Kloster zeigt sich, dass Emanuelle unter der Nonnentracht nicht die vorgeschriebene kratzige „Keuschheitsunterwäsche“ trägt, sondern einen modernen, schmalen Slip. Nachdem sie Monica zum ersten Mal in den Armen Renés sieht, eilt sie eine Wendeltreppe hoch, tritt hinaus auf die Klostermauer, Licht überschwemmt die Leinwand und sie schlägt sich die Hände vors Gesicht (die durchweg ausgezeichnete Kameraarbeit stammt von Guglielmo Mancori). Spätestens, wenn sie am Ende zum spektakulären Gegenstoß ausholt, kann Gemser nicht länger verleugnen, dass das Nonnengewand für sie nie mehr sein wird als eine Modeoption unter vielen.
Allein im Produktionsjahr 1977 hatte D’Amato Gemser in drei Emanuelle-Filmen mit Kannibalen, Pferdepenissen, Snuff Movies, Gruppenvergewaltigungen und schlappschwänzigen Esoterikgurus traktiert. Das alles hat sie nicht aus der Ruhe bringen können. Aber Mónica Zanchi, das Biest, die geht ihr unter die Haut.
Hier geht es zu weiteren Texten unseres Laura-Gemser-Specials:
Velluto Nero (1976)
Emanuelle Around the World (1977)
Sklavin für einen Sommer (1985)
Amore libero (1974)
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