Der Himmel hat vier Ecken – Kritik
Wenig Ecken und Kanten hat der gleichnamige Film.

Eigentlich wirkt der enge und düstere Hamburger Hinterhof, der dem Himmel seine vier Ecken gibt, auf der Leinwand gar nicht so eng und düster. Sondern beinah schon hell und offen. Der architektonisch nicht unattraktive Bau wäre als Studenten-WG-Gründungsort sicher beliebt, und den Saal, in dem Jessica (Sophie Schirmer) Tanzen übt, könnte man sich mit ein wenig Fantasie zum schicken Loft umgebaut vorstellen. Den sozialen Brennpunkt nimmt man den Schauplatz schon auf inszenatorischer Ebene nicht ab. Das anzutreffende Figurenpanoptikum bleibt eine harmlose und irgendwie schultheaterhafte Abbildung des zu zeichnenden Milieus, und die Grenzen zu anderen sozialen Räumen wirken durchlässiger als wahrscheinlich gewollt – zumindest ergeben die Szenen im bürgerlichen Milieu, in dem die Mutter von Protagonist Joschi (Moritz Jahn) lebt, keinen sehr eindringlichen Kontrast. Viele sozialrealistische „Tatorte“ – so zum Beispiel der jüngste Münchener Beitrag Jagdzeit (2011) – fangen derlei Gegensätze weit schärfer ein. Und dass Der Himmel hat vier Ecken ein Film für Kinder und Jugendliche ist, ist da wohl kaum ein Einwand. Dass diese nur Nettes und Beschönigendes erzählt bekommen wollen, ist ein Irrtum, und es ist ja das offenkundige Konzept des Films, einen engen Mikrokosmos zu zeichnen, aus dem ein Ausbruch für Jugendliche so dringend nötig wie schwer möglich ist. Nicht wenige Zuschauer im Alter der Protagonisten von Klaus Wirbitzkys Film – oder auch noch jüngere – dürften da drastischere Erfahrungen gemacht haben.

Der sensible und musikalische Joschi also landet mit seinem Vater – dessen gescheiterte Journalistenlaufbahn gerade im heimlichen Zeitungsaustragen mündet – nach der Trennung der Eltern am Hauptschauplatz des Films und muss dort eine Reihe von Konflikten durchstehen. In erster Linie die schwierige Beziehung zum kasachischen Nachbarn Niko (Lukas Mrowietz), dem Schulhof-Macho, der Joschi erst auf dem Kicker hat und dann schnell, allzu schnell, sein bester Freund wird, bis sie wegen Jessica kurzfristig wieder entzweit werden. Daneben gibt es noch angerissene Geschichten um eine fragile Klavierlehrerin, einen notorisch bösartigen Hausmeister, kleinkriminelle Banden und die internen Konflikte in Nikos und Joschis Familien. Alle Geschichten kreisen um Themen wie Freundschaft und Loyalität, Verrat und Treue, und wie man in einer ohnehin schwierigen Lebensphase Entscheidungen treffen und Haltung zeigen muss.

Themen, die Teenagern auf den Nägeln brennen, doch leider bleibt der Film bei der Umsetzung sehr schematisch und mutlos. Zudem erweckt Der Himmel hat vier Ecken den Eindruck, sich erst im letzten Drittel zum Auserzählen einer der Episoden zu entschließen – der um Nikos Schwester Tatjana (gespielt von der amtierenden Boxweltmeisterin im Fliegengewicht Susianna Kentikian), die vor der Entscheidung steht, ob sie bei einem geschmierten Kampf mitspielen soll oder nicht –, während einige andere Geschichten eher unscheinbar ausklingen.
Am auffälligsten wirkt die Unentschlossenheit des Films an dem Punkt, der sein interessantester hätte werden können. In dem Gebäude befindet sich auch ein Kino, in dem ein Vampirfilm mit Udo Kier in Dauerrotation läuft. Offensichtlich sollte hier ein Traum- und Zufluchtsort, eine Gegenwelt etabliert werden, und die wenigen Ausschnitte aus dem fiktiven Streifen, von denen einer in eine surreale Traumsequenz kippt, haben durchaus einen gewissen Trashappeal. Dann aber wird dieses Element fallengelassen – eine weitere Traumsequenz folgt noch bei einer Probe von Joschis Chor in der Kirche –, ohne dass dies irgendwie in die Handlung oder die Entwicklung der Hautfigur integriert würde.

Fraglos ist der stark musiklastige Film recht kurzweilig, sein Zielpublikum wird sich im Kino nicht quälen. Aber man mag nicht so recht glauben, dass Ein Himmel hat vier Ecken nicht ursprünglich mal mehr wollte. Sondern hat vielmehr, wie im deutschen Film leider zu oft, den Eindruck, dass hier eine zwar nicht bestürzend innovative, aber filmisch durchaus dankbare Grundidee vorlag, bei deren Umsetzung den Machern vorzeitig die Puste ausging.
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Kommentare
Belinda
Es ist ein schöner Film, denn man kann von seiner Jugend träumen.
1 Kommentar