Online für Anfänger – Kritik

Benoît Delépine und Gustave Kervern machen sich mit einem Trio gemein, das von der digitalen Welt abgehängt scheint. Online für Anfänger geht eher in die Breite als in die Tiefe, kriegt das Internet am Ende aber vielleicht doch ganz gut zu fassen.

Ein ganz einfaches Bild steht am Ende von Online für Anfänger. Ein simpler Blick vom Mond auf die Erdkugel, das war der Wunsch von Marie (Blanche Gardin) und Christine (Corinne Masiero), als sie da in ihrem kleinen französischem Dorf mit Blick gen Himmel liegen. Der Film erfüllt das sofort, zoomt heraus, durch das Glasdach, durch Wolken, durch die Atmosphären, durch einen Schwarm von Satelliten und sieht erst immer mehr Felder, dann mehr Städte, mehr Länder, mehr Kontinente, ein Wimmelbild und schließlich nicht mehr als eine runde Kugel. Ein Wunsch, der seine Wirkung nicht verfehlt, denn gemessen, was hier die letzten 110 Minuten passiert ist, was hier sozusagen alles auf einmal zu sehen ist, wirkt es ziemlich absurd.

Geradezu lächerliches Überformen

Das Absurde ist ohnehin ein Modus, den Benoît Delépine und Gustave Kervern auch in ihrem neuen Film nur allzu gerne bedienen, und wie so oft bei den beiden geschieht das durch eine geradezu lächerliche Überformung der Realität, die in Online für Anfänger zu andauernden „It‘s funny cause it‘s true“- Momenten durchdringen will. Die Herausforderungen der sozialen Medien und das Internet sind dann das geteilte Problem der drei Hauptfiguren: Marie kann sich ihre Passwörter nicht merken, hat sie zwar auf die Innenwände ihres Kühlschranks geschrieben, aber die ganzen Zahlen, die großen und kleinen Buchstaben wollen sich nicht mal über den Weg zurück an den Computer einprägen. Wenn sie ihre Geräte laden möchte, muss sie erst mal in ihrem Ladekabelknäuel in der Größe eines Medizinballs suchen, und dann ist da noch ein Sextape, mit dem sie erpresst wird, nachdem sie sich in einer Bar mal wieder hat abfüllen lassen. Christine gesteht unter Tränen, dass sie wegen einer Seriensucht ihren Job im Atomkraftwerk verloren hat: Erst kam Six Feet Under, dann Oz und mit den The Sopranos dann wie es kommen musste: Sie hat das radioaktive Leck nicht bemerkt und verdingt sich nun als (immer nur mit einem Stern bewertete) Uber-Fahrerin. Bertrand (Denis Podalydès) schließlich bejaht jede Frage, die beim Surfen auf dem Bildschirm aufpoppt, und wird direkt danach von einer Stimme angerufen, die genau weiß, welches Celine Dion-Album er hat, welches noch fehlt – und in die er sich anschließend verliebt.

Breite Spitzen

Mit ihnen zusammen hangelt der Film sich von Szene zu Szene, die zwar allesamt durchaus von einer Narration, einem Kampf der drei gegen das Von-der-Gegenwart-abgehängt-sein verknüpft ist, aber auch fast als vereinzelte Miniaturen funktionieren könnten. Jede davon arbeitet auf eine absurde Komik, auf einen „spitzen“ Kommentar hin, der die gegenwärtigen Phänomene des Internets ein Stück weit greifbarer macht. Delete History ist dabei ein Film, der mehr in die Breite als in die Tiefe geht, alles mal erwähnen und durch den Kakao ziehen will: etwa den Habitus der Jugendkultur, für die er die Körper seiner Middle-Age-Protagonisten zu auf dem Bett liegenden oder in der Bar tanzenden Teenie-Klischees umformt. Die Verbindung von moderner Arbeit und dem arbeitenden Körper, bei dem ein 35 Jahre alter Paketbote mit einem 75-jährigen besetzt wird und ein 75-jähriger sich per App eine Pflegekraft verschaffender Rentner von einem 35-jährigen gespielt wird. Oder eben einfach die verlockenden Werbungen des Internets: „Ich habe eben ein Antivirus-Programm gratis für 14 Euro im Monat bekommen“, fällt dann als ganz selbstverständlicher Nebensatz.

Komplexes Mosaik

Greifbarer macht Online für Anfänger die Gegenwart dann vor allem durch eine ganz selbstbewusste Vereinfachung einzelner Phänomene. Mehr verstehen oder gar überblicken sollen wir das Internet nämlich nach diesem Film nicht, ganz im Gegenteil: Délepine und Kervern schaffen mit jeder Szene eine Oberfläche, die gerade durch ihre Vereinfachung, ihre fehlende Tiefe, eben mehr die Phänomene und Vorstellungen fassen will, die sich damit verbinden, sich den Blick hinter die Kulissen gar nicht anmaßt, sondern konsequent aus der Perspektive der Endnutzer drauf guckt. Selbst wenn Marie dann irgendwann ins Silicon Valley fliegt, um in die Serverräume von Google einzubrechen und ihr Sextape zu löschen, steht da auf dem Schrank nur die Aufschrift „Sextapes Frankreich“, ist der Raum mehr nach den Vorstellungen eines Laien geformt als nach dem Versuch, die Vorgänge des Internets sichtbar zu machen: Was ist das Internet für diesen Endnutzer denn anderes als eine riesige Ansammlung von Oberflächen, hinter die man sowieso nicht gucken kann, von denen es aber unendlich viele zu geben scheint? Online für Anfänger stellt andauernd diese oberflächlichen Einzelbilder her, breitet sie in alle Richtungen aus, erstellt ein Wimmelbild – und aus dieser Perspektive vor dem Bildschirm, vor der Leinwand, kriegt er das Phänomen Internet eigentlich ganz gut zu fassen.

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