Danke für nichts – Kritik

Energiegeladen und formwandlerisch erzählt Stella Marie Markert in ihrem Spielfilmdebüt Danke für nichts von vier jungen Freundinnen in einer Berliner-WG. Eine Kampfansage ans Erwachsenwerden und ein Liebesbrief an die eigenen Figuren.

Es herrscht eine dichte, fast andächtige Stille im Zimmer, die das Nachbeben einer erfolgreichen Lebensrettung ist. Ricky, Malou und Victoria (Safinaz Sattar, Zoe Stein und Sonja Weisser) blicken auf ihre schlafende Freundin Katharina (Lea Drinda), nachdem sie es rechtzeitig geschafft haben, ihren neuesten Suizidversuch zu verhindern. Der genaue Grund ist unklar, eine Todesobsession begleitet Katharina schon seit Kindestagen. Ricky vermutet, dass sie gar nicht sterben will, da sie scheinbar immer einplane, von ihren Freundinnen rechtzeitig gefunden zu werden. So stehen sie miteinander inmitten ihrer improvisierten Vierer-WG, zwischen hohen Decken und teilweise abgebröckelten Wänden.

Betreutes Wohnen

Es ist ein harter Einstieg für Stella Marie Markerts ansonsten so sehr um Leichtfüßigkeit bemühtes Spielfilmdebüt Danke für Nichts. Im Titel klingt die für den Film charakteristisch eigenwillige Mischung bereits an: Trocken-abgeklärte Lebensgleichgültigkeit trifft auf jugendlichen Tatendrang, der über den vorgeschriebenen Rahmen hinaus malen muss. Alle vier Figuren verbindet die Elternlosigkeit sowie die Schwierigkeit, sich auf gesellschaftliche Erwartungen einzulassen.

Das beginnt schon bei ihrem Familienleben: Katharinas Vater verließ sie und ihre Mutter für eine seiner Studentinnen, woraufhin die Mutter das Mädchen aufgrund ihres Todesinteresses auf zahlreiche Internate schickte. Rickys Eltern verließen Berlin nach dem erfolglosen Versuch, dort eine Fischerei zu eröffnen und ließen ihre 13-jährige Tochter zurück. Die seit ihrem fünften Lebensjahr stumme und hochintelligente Malou wurde von ihren Eltern in einer Baby-Klappe abgegeben und lebte in zahlreichen Wohnheimen. Victoria ist zwar das Kind reicher, dafür aber umso desinteressierterer Eltern, die mit ihrer bipolaren Tochter nichts zu tun haben wollen. Weshalb sie eine der elterlichen Eigentumswohnungen prompt mit ihren Freundinnen in das Wohnprojekt umfunktioniert.

Die vierte Wand als Glasscheibe, die Leinwand als Skizzenpapier

Diese Familiengeschichten skizziert Stella Marie Markert in spielerischen Rückblenden, in denen die Figuren in übertriebenen Totalen wie Spielzeuge in der sie umgebenden Landschaft untergehen. Die kräftigen Farben erzeugen dazu die Atmosphäre eines Märchens, das in seiner einladenden Einfachheit einen starken Kontrast zur Gegenwart der Figuren bietet. Solche Brüche ziehen sich durch den gesamten Film und verleihen ihm eine grenzüberschreitende Lockerheit. Selbst die vermeintliche Lücke zu den geerdeter inszenierten Jugendamtsbesuchen und Therapiestunden der Erzählgegenwart wird aufgehoben, wenn die Figuren unvermittelt in die Kamera sprechen

Ähnlich lässig fädelt Marie Markert kurze Episoden in den Alltag der WG ein, die den regulären Handlungsverlauf unterbrechen, um stärker auf eine Figur einzugehen. Die einleitende Überschrift der Episoden passt dabei zur jeweiligen Figur: Rickys Name prangt in blockiger Brutalismus-Schrift vor einem zerstört-beigen Tapetenhintergrund; Victorias Name legt sich dagegen in eleganter Schreibschrift auf eine bordeauxrote Samttextur. Seine scheinbar wilden Sprünge geben dem Film eine eigene, konsequente Form.

Die Erwachsenen da draußen

Die Gestaltung schafft eine Offenheit, die den Figuren genug Raum zum Atmen lässt. Mögen sie sich als Ansammlung von Charaktereigenschaften auf dem Papier zunächst wie Stereotype lesen, sind sie als erfahrbare Gestalten doch überzeugend. Die Kamera (Edgar Fischnaller, Jonas Kolahdoozan) ist abgestimmt auf die Kleinigkeiten von Mimik und Gestik im feinfühligen Schauspiel der vier Hauptdarstellerinnen. Die Pointen sitzen punktgenau; auch das manchmal notwendige Schweigen entfaltet seine Wirkung. Unter den Nebenfiguren glänzt dabei besonders der zwischen Wohnprojekt und Jugendamt vermittelnde Sozialamtsarbeiter Ballack (ein einfühlsamer Jan Bülow, immer in Weiß und hellem Beige gekleidet und in melodiösen Betonungen sprechend), der zunächst wie ein schmieriger Draufgänger daherkommt, sein zartes Einfühlungsvermögen aber nur hinter seinem jugendlichen Machismo versteckt.

Nur außerhalb der WG wird der Film allzu einseitig. Danke für Nichts ist zwar zu Recht wütend auf den bürokratischen Umgang mit seinen Hauptfiguren, bündelt diese Wut jedoch nur in Frau Rottenborn (Kathrin Angerer), die als böse Symbolfigur für den deutschen Verwaltungsapparat konsequent ungerecht handelt. Sie dient dem Film als bloßes Mittel zum Spannungsaufbau, wodurch sie zum Stolperstein für seinen sonst eher schwebenden Rhythmus wird. Die klare Richtung, die Danke für nichts hier einschlägt, erscheint unnötig, weil seine Stärken darin liegen, sich am Innenleben seiner Protagonistinnen und nicht an einem äußeren Handlungsgerüst zu orientieren. Es ist nicht die Systemkritik, sondern die Dynamik zwischen den Figuren, die diese Ode gegen das Erwachsenwerden und an die Möglichkeit eines bedingungslosen Zusammenseins sehenswert macht.

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