Cabin Fever – Kritik

Auf an die Frontier der eigenen Haut! In Eli Roths Debütfilm Cabin Fever bringt ein Virus das verdrängte Innere des Körpers gegen seine stylische Oberfläche in Stellung.

Ein Jäger sucht im Wald nach seinem Hund. Als er ihn schließlich findet, ist das Tier tot und ausgeweidet. Den Schreckensschrei des Mannes, dem das Blut des Hundes ins Gesicht spritzt, lässt Cabin Fever nahtlos übergehen in den Freudenschrei einer jungen Frau in einem Geländewagen. Sie gehört zu einer Gruppe von fünf College-Student*innen, die eine Hütte in den Wäldern von Alabama gemietet haben, in der sie gemeinsam ein Wochenende lang feuchtfröhlich feiern wollen: das Paar Jeff (Joey Kern) und Marcy (Cerina Vincent), Karen (Jordan Ladd) und der heimlich in sie verliebte Paul (Rider Strong), sowie der ziemlich vulgäre und vage sadistische Einzelgänger Bert (James DeBello). An ihrem Ziel angekommen, bekommen es die jungen Menschen mit einem tödlichen Virus zu tun, das vom Fleisch der Infizierten zehrt und sie quasi von innen auffrisst.

Ausgetretene Pfade ins Verderben

Der doppelte Schrei, der negative und positive Gefühle, Ekel und Entsetzen auf der einen Seite und Freude auf der anderen, miteinander kurzschließt, gibt in Eli Roths Regiedebüt den Ton an. Lebt das Horrorgenre seit jeher von der Lust des Publikums an der Angst, wird dieser Zusammenhang bei Roth, der auch das Drehbuch mitgeschrieben hat, einerseits expliziert. Andererseits geht es in seinem Kino auch darum, Lust und Angst – und, eng damit verbunden: Sex, Gewalt und den Tod – in immer neue Relationen zu setzen. Das zeigt sich im weiteren Verlauf von Cabin Fever, aber auch in seinen beiden Hostel-Filmen (2005 und 2007), in denen reiche Menschen in einer Art Bordell Unmengen von Geld bezahlen – nicht für sexuelle Dienstleistungen, sondern dafür, andere Menschen zu foltern und zu töten.

Roths Zugriff aufs Genre ist ein postmoderner, der aber grundlegend anders funktioniert als etwa der von Wes Craven und Kevin Williamson, die 1997 mit Scream den Horrorfilm revolutionierten. In seinem Kino geht es nicht darum, diverse Vorbilder unentwegt ausdrücklich zu zitieren, die Regeln des Genres explizit zu reflektieren und neu zu verhandeln. Stattdessen genügt es ihm, dem Publikum ein gewisses Gefühl dafür zu geben, dass die Pfade, die eine Gruppe junger Erwachsener in eine Waldhütte führt, in der sie Spaß suchen und das Verderben finden, zu Beginn des 21. Jahrhunderts reichlich ausgetreten sind, man das alles schon tausendmal gesehen hat.

Diskurse der Siebziger und Achtziger

Dabei führt Cabin Fever verschiedene Traditionslinien des Genres und die mit ihnen verbundenen gesellschaftlichen Diskurse zusammen. Zunächst ist da das Backwood-Horrorkino der 1970er Jahre in der Folge von Tobe Hoopers stilbildendem Meisterwerk The Texas Chain Saw Massacre (1974), das vom gewaltsamen Aufeinandertreffen zwischen jungen Großstädter*innen und einem ländlichen Subproletariat erzählte. Auch in Cabin Fever stirbt letztlich keiner der junger Menschen an dem Virus, sondern wird wahlweise von der örtlichen Polizei oder einem sich aus der Landbevölkerung bildenden Lynchmob getötet.

Aber dann geht es auch um ein Motiv, das seinen Ursprung in den 1980ern hat: Als Reaktion auf die immer weiter um sich greifende körperliche Selbstoptimierung in Fitnessstudios und Aerobic-Kursen, die die Individuen auch für den immer härteren gesellschaftlichen Überlebenskampf im Spätkapitalismus stählte, wucherten im Horrorkino der Dekade bizarre Fantasien von der Zerstörung und Transformation von Körpern. Sie erstreckten sich von David Cronenbergs sehr spezieller Form von Body Horror über die endlosen Slasher-Reihen und den fantasievollen Gummi-Splatter von Stuart Gordon und Brian Yuzna bis hin zu Bret Easton Ellis epochalem Roman American Psycho, der die Abrichtung der Körper durch die Fitnesskultur direkt mit der grausamen Zerstörung von Körpern kurzschloss.

Hautrasur

Zur Schlacht zwischen den Gewinner*innen und Verlierer*innen des Kapitalismus gesellt sich in Cabin Fever etwas, das Roth letztlich mehr zu interessieren scheint: Das Virus markiert die Rebellion eines verdrängten Körperinneren gegen die normschön gestylte Körperoberfläche. Es steht als „Natur“, die die Körper zerstört, gegen eine Kultur, die danach trachtet, sie immer weiter zu gestalten und zu optimieren. Ursprünglich aus dem Tierreich kommend (es wird von Hunden auf Menschen übertragen), bringt das Virur das Tier im Menschen nicht nur derart hervor, dass im Überlebenskampf bald alle zivilisatorischen Hemmungen fallen; der körperliche Verfall, der gewissermaßen das Innerste nach außen kehrt, markiert auch den Moment der Rückkehr des Verdrängten: Blut, Fleisch und Schleim. In der härtesten der durchweg ziemlich harschen Splatterszenen werden alltägliche Hygiene- und Schönheits-Prozeduren zu einem so verzweifelten wie vergeblichen Versuch, das Grauen, das nach draußen will, zurückzudrängen, hinter die Frontier der eigenen Haut: Marcy rasiert sich die Beine und reißt sich dabei Haut und Fleisch ab. Anschließend rinnt ihr unter der Dusche das Blut über den ganzen Körper.

Der Komplex Sex und romantische Liebe wird dabei von vornherein als gesellschaftlich bestimmt gedacht, vollzieht sich zwischen normierten Körpern und in tradierten Narrativen. Das zeigt sich vor allem, als sich zwischen Paul und Karen eine Beziehung anbahnt: Highschool Sweethearts, heimliches Verliebtsein, Freundschaft, aus der „mehr“ wird. Als sie schließlich gemeinsam im Bett liegen, kehrt das Grauen ein, wird Pauls Traum zum Albtraum, als er seine Hand blutverschmiert aus ihrem Slip hervorzieht. Auch wenn klar ist, dass das kein Menstruationsblut ist, zählt die Assoziation. Und wenn in einer Sexszene zwischen Jeff und Marcy etwas zotenhaft, aber dennoch mit verblüffender Selbstverständlichkeit die Position von Subjekt und Objekt der Penetration umgekehrt wird, zeigt sich, dass die Strukturen des Begehrens, eben weil sie konstruiert sind, auch neu und anders konstruiert werden können.

Satire mit Holzhammer

Roths Spiel mit verschiedenen (Genre-)Klischees kommt dabei stets grobschlächtig und vulgär daher. Das Werkzeug seiner Satire ist immer der Holzhammer, und Angst vor Albernheiten ist ihm fremd. Längst nicht nur die Landbevölkerung besteht bei ihm aus bissigen Karikaturen. Buchstäblich gilt das etwa für Dennis (Matthew Helms), einen Jungen mit wallend langen blonden Haaren, verblüffenden Karate-Fertigkeiten und der unguten Eigenschaft, zu beißen, wer auch immer ihm zu nahe kommt. Mit Winston (Giuseppe Andrews) gibt es einen waschechten Weirdo-Cop mit einer ziemlich derangierten Obsession für Frauen und Partys. Schließlich ist da der schrullige alte Besitzer des Ladens, der in Filmen wie diesem eine letzte Außenstation der Zivilisation darstellt. Ein Witz, der den Film rahmt, veranschaulicht Roths Humor wohl am besten: Zum Entsetzen der Student*innen-Clique antwortet er zu Beginn auf die Frage, wofür das Gewehr hinter der Kasse sei: „That’s for niggers.“ Am Ende stellt sich heraus, dass er damit eine offenbar gut mit ihm befreundete Gruppe junger Afroamerikaner*innen meinte, die die Schusswaffe am Ende des Films bei ihm abholen.

Funktioniert Cabin Fever über weite Strecken als nachtschwarze, groteske Komödie, so wird er durch das Killervirus doch zugleich auch zu einem Stück intensiven, kompetenten Terrorkino. Da wo die Verheerung der Körper anfängt, hört der Spaß auf.

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