Bros – Kritik
Als schwule RomCom folgt Bros der klassischen Harry-&-Sally-Formel, aber versucht mit seinen Witzen der Heteronormativität zu entgehen – und erzählt vom Widerspruch, sich nicht anpassen und gleichzeitig normal sein zu wollen.

Es ist ein alltäglicher Effekt. Je nach Stärke und Blickwinkel verzerren Brillen den Bereich um die Augen. Wenn wir schräg durch die Gläser unseres Gegenübers schauen, dann passen die Linien des Gesichts, die wir hier sehen, nicht zum Rest. Hauptdarsteller und Drehbuchautor Billy Eichner trägt in Bros fast durchgehend eine Brille, und wir bekommen ihn meist so gezeigt, dass das rechte Glas, das sichtlich stärkere der beiden, sein Gesicht verzerrt. Sein Kopf endet, durch das Glas gesehen, weiter rechts als bei ungebrochener Sicht darüber und darunter. Und so alltäglich das ist, so selten ist es in Hollywoodfilmen zu sehen – höchstens als komödiantisches Element mit extra dicken Gläsern. Der Effekt wird in Bros aber weder thematisiert noch als Pointe genutzt. Er ist einfach Normalität – und doch ungewöhnlich.
Bis zum erlösenden Kuss in der Menge

Ganz nebenbei steht damit ständig im Bild, was Bros antreibt: Es geht um Normalität und Normalisierung. Zunächst ist der Film eine klassische romantische Komödie, in der sich zwei beziehungsunfähige Leute verlieben und mit ihren Komplexen zu kämpfen haben. Gegen Ende rennt jemand durch die Straßen, um zum begehrten Anderen zu gelangen, man gesteht einander öffentlich seine Liebe, der erlösende Kuss in der Menge folgt. Bis ins Detail folgt Bros dieser Formel, weil es eben diese Normalität ist, die erreicht werden soll. Auf dass der Film in einer Reihe stehe mit Harry und Sally (When Harry Met Sally…, 1989) und E-Mail für dich (You’ve Got Mail, 1998), die hier auch direkt Erwähnung finden.

In seiner Geschichte und seinen Witzen versucht Bros aber dem heteronormativen Reinwaschen zu entgehen. Wenn es um die Liebe zwischen dem Podcaster und LGBT+-Museums-Direktor Bobby (Eichner) und dem Anwalt für Testamentsfragen Aaron (Luke Macfarlane) geht, dann soll eben nicht nur Sally durch einen Mann ausgetauscht, sondern eine eigene, homosexuelle Identität eingebracht werden. Es geht eben nicht darum, um Akzeptanz zu betteln und möglichst wenig anzuecken, aber auch nicht darum, den Mainstream mit Explizitem zu sehr herauszufordern. Was heißt, dass in den Sexszenen erstaunlich oft Unterhosen getragen werden und nicht ein Penis zu sehen sein wird. Andererseits gibt es aber etwa auch einen Gag, bei dem sich eine intime Zweisamkeit bei erweitertem Bildausschnitt als Gruppensex offenbart.
Bloß nicht klischeehaft tuntig

Der Widerspruch, sich nicht anpassen und gleichzeitig normal sein zu wollen, ist in die beiden Hauptdarsteller direkt eingeschrieben. Eichner spielt eine Echauffiermaschine, die ständig um Anerkennung kämpft, die sich und die Seinen nicht mundtot machen lassen, sich nicht ausblenden lassen möchte. Eine Queen, deren Homosexualität einen in Mimik und Gestik geradezu anspringt. Beim Kennenlernen seiner Schwiegermutter in spe, einer Lehrerin, besteht er darauf, dass mit Kindern offen mit dem Thema umgegangen werden müsse, damit Vorurteile gar nicht erst entstünden. Der Anblick von Penissen würde den Kleinen dabei helfen.

Aaron dagegen ist ein Garth Brooks hörender all-american Jock, der nicht auffallen möchte und sich gegen jedes Anzeichen klischeehafter Tuntigkeit verwehrt. Und während Billy Eichner haarig, seltsam und spleenig ist, sieht er aus wie einem Traum entsprungen: schön, muskulös, gewitzt und stets umgänglich. Wo in dem einen die Angst steckt, doch zu sehr over the top zu sein, da fürchtet der andere, Leute mit zu viel eigener Identität vor den Kopf zu stoßen.
Ein paar Streisand-Poster zu viel

Die Qualität von Bros liegt nun genau darin, dass er seine Agenda dem Publikum zwar offensiv anträgt, sie aber nicht zum pädagogischen Selbstzweck verkommen lässt. Es sind eben die Probleme der Protagonisten, die verhandelt werden. Die Einführung der Charaktere ist ein wenig hölzern, und die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern ebenso wie das Schauspiel Eichners im Speziellen werden erst im Fluss der Geschichte lebendig. Sobald die aber einmal Fahrt aufnimmt, werden nicht nur die Gags besser; aus dem holprigen Beginn entwickelt sich eine dringliche und eindringliche Liebesgeschichte.

Der innere Widerspruch liegt dabei durchgängig offen da. Die selbstverständliche Leichtigkeit von beispielsweise Harry und Sally wird so allerdings nie erreicht. Hier und da schießt sich Bros. vielleicht doch zu sehr auf Klischees ein wie die allgegenwärtigen Barbara-Streisand-Poster, und der Schnitt ist zuweilen etwas zu hastig für eine intime Atmosphäre. Aber diese manchmal hakende Suche nach Normalität spricht nicht gegen, sondern für einen Film, der am besten ist, wenn er sich seiner Schnulzigkeit hingibt. Wenn Billy Eichner, die meiste Zeit mit einem Grummelgesicht versehen, gelöst lacht und einfach nur verliebt sein darf, dann strahlt er so einnehmend, dass Meg Ryan einpacken kann.
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