Black Christmas – Kritik

Ein Weihnachtsfilm als Wiege des modernen Slasherfilms?

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Valentinstag, Freitag der 13., der 1. April, Vatertag, Muttertag, Silvester etc.: Es gibt wohl kaum ein besonderes Datum im Kalender, das das amerikanische Horrorkino noch nicht zum Anlass genommen hat, einen Killer auf die meist jugendlichen Feierwilligen loszulassen. Der erfolgreichste Vertreter dieser Filme ist John Carpenters Halloween (1978), der bekanntermaßen auch als Begründer der großen Slasherwelle der 198oer Jahre gilt. Der Film allerdings, der sowohl als erster einen allgemeinen Festtag an ein Horrorszenario gekoppelt hat – ein Konzept, das man vielleicht Datesploitation nennen könnte –, als auch als Prototyp des modernen Slashers gelten kann, bezieht sich ausgerechnet auf den besinnlichsten aller Feiertage: Black Christmas.

Bob Clarks Werk von 1974 ist ein schönes Beispiel für das Phänomen, dass ehemals nur bedingt geachtete B-Movies nach einigen Dekaden als Klassiker und Meisterwerke erscheinen, besonders wenn es ein Remake dazu gibt (und ebenso für das Phänomen, sie hierzulande unter recht merkwürdigen Titeln, wie in diesem Fall Jesse – Die Treppe in den Tod, zu veröffentlichen). Während auch auf Black Christmas 32 Jahre später eine Neuinszensierung folgte, blieben ihm dazwischen die für Horrorfilme üblichen Sequels erspart. Was in diesem Fall schon bemerkenswert ist, denn eigentlich bietet ja gerade die Verknüpfung der Schauermär mit einem periodisch wiederkehrenden Datum eine sinnige Strategie für eine Fortsetzungsreihe, wie sie seit Halloween Usus ist.

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Der Plot verläuft entlang der slashertypischen Basiskoordinaten: Eine Gruppe junger Leute wird nach und nach von einem Killer dezimiert. Hier sind es Studentinnen, die die Weihnachtsfeiertage zusammen in einem Mädchenwohnheim verbringen. Die Wende des Horrorgenres, die der Slasher vollzog, indem er die Bedrohung nicht mehr aus einem fantastischen Außen, sondern aus dem Inneren der Gesellschaft selbst herbeiführte, ist deutlich zu erkennen. Von Anfang an befindet sich der Mörder im Haus der Studentinnen und treibt per Telefon Spielchen mit ihnen. Mit aggressiv-obszönen Lauten und Ausdrücken gibt sich der Anrufer als offenbar sexuell pathologischer und geistig verwirrter Mann zu erkennen. Um so tiefer sitzt der Schrecken, wenn er auf eine Beleidigung des Gegenübers am Telefon das Gespräch plötzlich völlig akurat und gefasst mit den Worten „Therefor I´m gonna kill you“ beendet. Auch wenn hier die darauf einsetzende Gewalt als Bestrafung gelesen werden kann, erscheint dieser Film noch nicht so reaktionär, wie es dem Slasher gemeinhin nachgesagt wird: Die Protagonistin (Olivia Hussey) hat bedenkenlos vorehelichen Sex, will entgegen dem Willen ihres Freundes die ungewollte Schwangerschaft abbrechen und ihr Leben selbst bestimmen. Das keusche Mädchen hingegen, das seit Halloween mit der Rolle des Final Girls belohnt wird, muss als Erste dran glauben.

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Über weite Teile der Handlung gerät man in Versuchung, sie als einen Whodunit zu lesen und sich damit letztlich täuschen zu lassen. Die Erzählung zeichnet sich gerade durch das Ausbleiben von Erklärungen und die daraus produktiv hervorgehende atmosphärische Dichte aus. Glen Morgans gleichnamiges und ungleich farbenfroheres Remake nahm 2006 die narrativen Leerstellen dankbar an, um daraus eine effektreiche Hintergrundgeschichte zu stricken.

Die im Verborgenen bleibende Identität des Killers verdankt sich natürlich seiner Maskierung, eines weiteren zentralen Bausteins des Slashers. Im Unterschied zur abgewandelten Captain-Kirk- oder Eishockeymaske besteht sie hier jedoch noch ausschließlich aus Mitteln der Mise en Scène. Die präzise austarierte Kaderbegrenzung sowie Licht- und Schattensetzung lassen nur Umrisse oder Fragmente erkennen. Gelegentlich blitzt auch mal ein Auge aus dem dunklen Hintergrund oder einem Türschlitz hervor. Insgesamt überzeugt die Produktion durch ihre technische Qualität und dient damit als Beleg der These, dass gerade das Horrorgenre für eine filmsprachliche Evolution sehr einflußreich sei. Bob Clark und sein Kameramann Reginald H. Morris verstehen es, sehr visuell, eben mit dem Auge der Kamera zu erzählen und so eine spezifisch filmische Form des Suspense zu erzeugen. So wird der Black Christmas von zwei in dieser Hinsicht herausragenden Szenen gerahmt, die die dazwischen angewendeten Techniken jeweils als Paradebeispiel vorführen. Die Einleitung besteht aus einer ausgedehnten, höchst flexiblen und von unheilvollem Schnaufen begleiteten Point-of-View-Aufnahme, für die Morris eine eigene Apparatur entwarf. Der Schluss ist eine sehr ruhige und sorgfältig abgestimmte, minutenlange Kamerafahrt, die das ausgebreitete Grauen effizient nachwirken lässt.

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Black Christmas ist eines der interessantesten Exemplare aus dem oft beschworenen goldenen Jahrzehnt des Horrorfilms, als Filmemacher zur Schreckenserzeugung noch nicht auf Kunstblutexzesse zurückgreifen mussten, sondern vornehmlich stilistische Mittel anzuwenden oder sogar zu erfinden wußten. Die Idee des Weihnachtsterrors wurde des Öfteren wieder aufgegriffen. Während Bob Clark jedoch tatsächlich einen wegweisenden Klassiker geschaffen hat, der nicht nur für Genrefreunde interessant sein dürfte, richten sich die folgenden Vertreter dieses Subgenres wohl eher explizit an Horror- (oder sehr offene Weihnachts-)Fans.

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