Anuschka – Kritik
Lustspiel unter düsteren Umständen: Helmut Käutners Anuschka um ein Hausmädchen unter Verdacht kündigt sich als Komödie an, lädt aber bald die vier Reiter des Melodrams dazu.

Die Übergänge zwischen einer Komödie und einem Drama sind zuweilen fließend. Nicht nur wegen sich unterscheidenden subjektiven Verarbeitungsformen – so muss Bill Burr beispielsweise bei Precious lachen, wo andere möglicherweise weinen. Oder wenn ein Film als Tragikomödie schon darauf angelegt ist, die Formen zu vermischen. Manchmal kommt es auch vor, dass ein Film wie ein Melodrama funktioniert, die Schauspieler aber aufspielen, als wären sie Teil einer Farce. Oder eine Plansequenz fährt kunstvoll durch einen Club, und es lässt sich kaum sagen, ob die gezeigten Überbleibsel einer rauschenden Party nun amüsant oder traurig sein sollen.
Kein beherztes Lachen

Anuschka (1942) ist so ein Film. Dabei macht es uns der Vorspann eigentlich leicht. Dort steht geschrieben, dass das Drehbuch nach der Komödie von Georg Fraser verfasst wurde. Nur herrscht daraufhin eine Schwere, die aus komödiantischen Verwechslungen, Missverständnissen und Missgeschicken die dramatischen Formen des Herzschmerzes und Betruges machen, der Vertreibung und Verleumdung, und der Menschen, die sich ins Unglück stürzen. Gerade wenn getrunken wird, lauern hinter dem sich einstellenden Leichtsinn diabolisch die vier Reiter des Melodrams: der Verlust, die Ausgrenzung, die Verzweiflung und der Tod. Beherztes Lachen liegt da nur bedingt nahe.

Zu Beginn stirbt der Vater von Anuschka (Hilde Krahl). Der familiäre Hof scheint durch die zurückgelassenen Schulden für sie verloren. Noch dazu an die missgünstige Mutter ihres Geliebten Jaro (Beppo Schwaiger), der nicht wagt, ihr die Stirn zu bieten. Anuschka flieht also enttäuscht nach Wien. Dort wird sie Hausmädchen im Haus des berühmten Herzchirurgen Dr. Hartberg (Siegfried Breuer), der wiederum durch seinen Arbeitseifer und seine dadurch bedingte Abwesenheit seine Frau (Friedl Czepa) in die Arme von Anwalt und Schwerenöter Dr. Wendt (Rolf Wanka) treibt. Innerhalb dieser Irrungen und Wirrungen landet schließlich das goldene Feuerzeug, dessen treuer Dienst zum Symbol einer ewigen Liebe gemacht wird und das ein Geschenk von Dr. Hartberg an seine Frau war, über den Umweg kompromittierender, teilweise feuchtfröhlicher Treffen in der Rocktasche von Anuschka. Nach dem Verlust ihres Besitzes droht nun auch noch der ihrer Ehre, weil sie plötzlich wie eine Diebin dasteht.
Trübes Feststecken in den Begebenheiten

Es ist ein ganz schöner Tumult, den Anuschka auslöst. Flankiert wird dieser von schnurrigen Nebenfiguren, die ganz clownesker Lüstling sind oder deren Meinungen und Gefühle sich wie Fahnen im Wind unstetig drehen. Rolf Wankas abstehende Locke sieht auch mehr nach Schwank aus, als dass sie eine ernsthafte Figur kennzeichnen würde. Das Drehbuch und die Bilder haben zudem sichtlich Spaß an zotigen Anspielungen und lustvoll inszenierten Possen. Und doch sind es vor allem die schmierentheatralischen Leistungen von Hilde Krahl, Beppo Schwaiger und eben Rolf Wanka in den emotionalen Szenen, die einen an die Einblendung im Vorspann erinnern.

Denn auch wenn die schauspielerischen Darbietungen eher ins Knuffige und Überzeichnete neigen, ignoriert der Film die Leichtig- und Versöhnlichkeit der Figuren zumeist. Das Tempo ist auch nicht sehr hoch. Es herrscht alles andere als ein flotter Takt, eher trübes Feststecken in den Gegebenheiten. Die drohenden Schicksalsschläge werden sichtlich ausgekostet. Regisseur Helmut Käutner – der sich zu diesem Zeitpunkt noch am Anfang seines Schaffens befindet und bald mit Romanze in Moll (1943), Große Freiheit Nr. 7 (1944) und Unter den Brücken (1946) einer großen Karriere frühe Höhepunkte bescheren wird – inszeniert die von Klassendünkel, engen Moralvorstellungen und verhärteter Strenge geprägte Gesellschaft zu effektiv und fantasievoll.
Drama oder Posse?

Vor allem scheint es in Anuschka unmöglich, für sich zu sein oder sich zurückzuziehen. Immer und überall sind Augen und Ohren, die einen belagern und missgünstig in die Öffentlichkeit drängen. Wenn Anschuka ihre Dienstkleidung erstmals anprobiert, schaut der Fahrer des Hauses Hartberg mit großen Augen und feuchten Lippen zu. Wenn sie sich auf einer Party in eine Loge mit Dr. Wendt zurückzieht, werden die trennenden Vorhänge beständig weggezogen. Wenn Anuschka und Frau Dr. Hartberg sich aussprechen, wird kräftig gelauscht, um alles Private gleich an die große Glocke hängen zu können. Und überhaupt lässt niemand etwas auf sich beruhen, ehe nicht alles und auch wirklich alles besprochen und aufgeklärt ist. Die Leute bekommen damit zwar etwas Lächerliches, die Welt von Anuschka wird aber umso beklemmender.

Die Frage, ob es sich bei Käutners Film nun um eine Komödie oder ein Melodram handelt, ist deshalb durchaus zentral. Auch weil die Ambivalenzen ziemlich spannend sind. Und weil sich die beiden Impulse des Films im Weg stehen. Das Schauspiel wirkt in den düsteren Umständen gerade in den entscheidenden Momenten völlig deplatziert, während das Lustspiel im Schwelgen in den zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Bedrückungen versandet. Was nicht heißt, dass dies ein schlechter Film wäre. Dafür zeigt sich Käutner zu sehr schon als Meister seines Fachs. Nur leidet das Ergebnis darunter, dass das klare Drama oder die reine Posse doch für sich etwas vielversprechender erscheinen als die Mischung, die Anuschka macht.
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